Beim Kaffeetrinken verschluckt: Gericht erkennt kuriosen Arbeitsunfall an

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Ein Arbeits­un­fall beim Kaf­fee mit den Kol­le­gen? Das geht sehr wohl, urteil­te vor kur­zem ein Gericht. Der Kaf­fee war brü­hend heiß, ein Vor­ar­bei­ter ver­schluck­te sich und ver­letz­te sich dann. Das LSG befand: Der Team-Kaf­fee dien­te einem betrieb­li­chen Zweck.

 

Arbeits­un­fäl­le auf Bau­stel­len haben wohl in den sel­tens­ten Fäl­len mit Kaf­fee zu tun. Eigent­lich haben Arbeits­un­fäl­le, egal wo sie statt­fin­den, in der Regel nichts mit dem Käff­chen mit Kol­le­gen zu tun. Aber die merk­wür­digs­ten Geschich­ten schreibt bekannt­lich das Leben.

So trug es sich tat­säch­lich zu, dass ein Vor­ab­ei­ter auf einer Bau­stel­le, ein Mann also, der sicher­lich tag­täg­lich gefahr­ge­neig­ten Tätig­kei­ten nach­ging, unglück­lich stürz­te und sich dabei erheb­lich ver­letz­te. Das geschah eben nicht, wie man anneh­men könn­te, weil auf der Bau­stel­le etwas schlecht abge­si­chert war, auf ihn her­ab­stürz­te oder ihm ein ähn­li­cher Unfall gesche­hen wäre. Es geschah viel­mehr, als er einen Kaf­fee trank – und sich am Heiß­ge­tränk ver­schluck­te.

Auf der Bau­stel­le fand eine mor­gend­li­che Team­be­spre­chung im Bau­con­tai­ner statt, bei der der Vor­ar­bei­ter eine Tas­se Kaf­fee trank. Er ver­schluck­te sich so hef­tig, dass er den Bau­con­tai­ner ver­ließ, um abhus­ten zu kön­nen. Dabei ver­lor er kurz das Bewusst­sein, stürz­te mit dem Gesicht auf ein Metall­git­ter und zog sich einen Nasen­bein­bruch zu.

Die Berufs­ge­nos­sen­schaft ver­wei­ger­te zunächst jed­we­de Leis­tung, weil sie die­sen Vor­gang nicht als Arbeits­un­fall aner­ken­nen woll­te. Doch das Lan­des­so­zi­al­ge­richt Sach­sen-Anhalt bewer­te den Fall anders. Der Kaf­fee habe einen betrieb­li­chen Zweck gehabt und sei kein Pri­vat­ver­gnü­gen gewe­sen (LSG Sach­sen-Anhalt, Urt. v. 22.05.2025, Az. L 6 U 45/23)

 

Team-Kaf­fee: Stärkt das Team und macht wach

Der Arbeits­un­fall ist in § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII nie­der­ge­legt. Dem­nach ist ein Unfall dann ein Arbeits­un­fall und somit ver­si­chert, wenn er im Zusam­men­hang mit einer Tätig­keit steht, die dem ver­si­cher­ten Auf­ga­ben­be­reich zuzu­rech­nen ist. Die Berufs­ge­nos­sen­schaft argu­men­tier­te, dass das Kaf­fee­trin­ken kei­nem betrieb­li­chen Zweck gedient habe, son­dern dem pri­va­ten Lebens­be­reich zuzu­rech­nen sei, auch das erst­in­stanz­lich urtei­len­de Sozi­al­ge­richt schloss sich die­ser Argu­men­ta­ti­on an.

Das LSG Sach­sen-Anhalt aber ent­schied, dass zwar der blo­ße Kon­sum von Spei­sen und Geträn­ken nicht unter § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII fal­le, wenn ein Grund­be­dürf­nis wie Durst gestillt wer­de. Im Fall des ver­un­fall­ten Vor­ar­bei­ters aber habe das Kaf­fee­trin­ken sehr wohl einem betrieb­li­chen Zweck gedient.

Aus­schlag­ge­bend dafür war, dass der Kaf­fee wäh­rend einer ver­pflich­ten­den Arbeits­be­spre­chung getrun­ken wor­den sei. Der gemein­sa­me Kon­sum im Team habe die Arbeits­at­mo­sphä­re gestärkt und das kol­le­gia­le Mit­ein­an­der geför­dert, so die Rich­ter. Zudem habe der Kaf­fee zur Wach­sam­keit und bes­se­ren Kon­zen­tra­ti­on bei­tra­gen – Aspek­te, die dem betrieb­li­chen Inter­es­se dien­ten. Der Arbeit­ge­ber habe dies auch bewusst geför­dert, indem er sei­ne Mit­ar­bei­ter mit Kaf­fee ver­sorg­te. Die Rich­ter ent­schie­den wei­ter: Der Fall unter­schei­de sich wesent­lich von einer pri­va­ten Kaf­fee­pau­se, etwa mit einem mit­ge­brach­ten Getränk wäh­rend der Früh­stücks­zeit.

Die Ent­schei­dung ist noch nicht rechts­kräf­tig, die Revi­si­on zum BSG wur­de zuge­las­sen.

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