Grundsatzurteil vom Bundesarbeitsgericht: Kein Anspruch auf Entgeltabrechnung in Papierform

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Arbeitsrecht | 13. März 2025
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Deutsch­lands höchs­te Arbeits­rich­ter geben in einem aktu­el­len Urteil eine kla­re Rich­tung vor: Arbeit­ge­ber müs­sen Ent­gelt­ab­rech­nun­gen nicht mehr in Papier­form erstel­len. Ein elek­tro­ni­sches Post­fach und die Mög­lich­keit für die Mit­ar­bei­ter, die­ses im Betrieb abzu­ru­fen, rei­chen aus.

Vie­le Arbeit­ge­ber stel­len ihren Mit­ar­bei­tern die Ent­gelt­ab­rech­nun­gen bereits seit Jah­ren über pass­wort­ge­schütz­te Mit­ar­bei­ter­por­ta­le in elek­tro­ni­scher Form zur Ver­fü­gung. Sie ver­zich­ten gänz­lich auf die Aus­hän­di­gung in Papier­form. Im Jahr 2025 klingt dies auch plau­si­bel und in jedem Fall effi­zi­ent.

Das fand eine Arbeit­neh­me­rin der Ede­ka-Grup­pe aller­dings nicht. Weil auch die Super­markt­ket­te nach einer inter­nen Ver­ein­ba­rung die Ent­gelt­ab­rech­nun­gen nur noch über ein elek­tro­ni­sches pass­wort­ge­schütz­tes Mit­ar­bei­ter­post­fach bereit­stellt, ver­klag­te sie ihren Arbeit­ge­ber auf Aus­hän­di­gung der Ent­gelt­ab­rech­nung in Papier­form. Vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt Nie­der­sach­sen hat­te sie noch Erfolg. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ver­sag­te ihr jedoch einen sol­chen Anspruch klar.

 

BAG: Digi­ta­le Abrech­nung reicht

In der Gewer­be­ord­nung (§ 108 Abs. 1 GewO) ist gere­gelt, dass der Arbeit­ge­ber dem Arbeit­neh­mer bei Zah­lung des Arbeits­ent­gelts eine Abrech­nung in Text­form zu ertei­len ist. Dass die­se Abrech­nung in Papier­form erfol­gen müss­te, regelt das Gesetz nicht.

Die Erfur­ter Rich­ter ent­schie­den am 28. Janu­ar 2025, dass eine elek­tro­ni­sche Bereit­stel­lung die­sen Anfor­de­run­gen des Geset­zes genügt (BAG, Az. 9 AZR 48/24). Beim Anspruch des Arbeit­neh­mers auf eine Ent­gelt­ab­rech­nung han­de­le es sich um eine soge­nann­te Hol­schuld. Bei die­ser recht­li­chen Kon­struk­ti­on lie­gen der Leis­tungs- und Erfolgs­ort beim Schuld­ner, das heißt, der Gläu­bi­ger muss sich die Leis­tung beim Schuld­ner holen.

Für den Fall der Ent­gelt­ab­rech­nung bedeu­tet dies, dass der Arbeit­ge­ber sein Soll erfüllt hat, wenn er die Ent­gelt­ab­rech­nung digi­tal im Mit­ar­bei­ter­post­fach bereit­ge­stellt hat und der Arbeit­neh­mer sie dort „abho­len“ kann. Für Arbeit­neh­mer, die zuhau­se kei­nen Online-Zugriff haben, muss es laut dem BAG im Betrieb des Arbeits­ge­bers eine Mög­lich­keit geben, auf die Gehalts­ab­rech­nung zuzu­grei­fen. Das war bei Ede­ka der Fall, die papier­af­fi­ne Mit­ar­bei­te­rin konn­te ihre Gehalts­ab­rech­nung dort anse­hen und aus­dru­cken. Das reicht, urteil­te das BAG in erfreu­li­cher Ein­deu­tig­keit, es gibt kei­nen Anspruch mehr auf eine Ent­gelt­ab­rech­nung, die auf Papier im hei­mi­schen Brief­kas­ten ankommt.

 

Wer nicht mit der Zeit geht …

Damit hat das höchs­te deut­sche Arbeits­ge­richt eine zeit­ge­mä­ße Ent­schei­dung getrof­fen. Die Digi­ta­li­sie­rung der Arbeits­welt schrei­tet vor­an. Für Arbeit­ge­ber heißt es, ihre alten Mus­ter zu durch­bre­chen und sich den Chan­cen der digi­ta­len Arbeits­welt zu stel­len. Es ist an der Zeit, zeit­ge­mä­ße Ansät­ze zu ent­wi­ckeln und neue Tech­no­lo­gien zu inte­grie­ren, um wett­be­werbs­fä­hig zu blei­ben.  Denn wie Fried­rich Schil­ler bereits vor über 200 Jah­ren sag­te: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“

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