Im Urlaub krank geworden? Wann Arbeitgeber zweifeln dürfen

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Das BAG stellt klar: Einer im Aus­land aus­ge­stell­ten Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gung kommt der glei­che Beweis­wert zu wie einer vom deut­schen Arzt. Doch wenn es die vier­te Krank­schrei­bung nach einem Urlaub ist, darf der Arbeit­ge­ber miss­trau­isch wer­den. Auch die Umstän­de der Rück­rei­se kön­nen eine Rol­le spie­len.

 

Auch im Urlaub kön­nen Arbeit­neh­mer krank wer­den und gezwun­gen sein, den Arzt am Urlaubs­ort auf­zu­su­chen. Erhal­ten sie dann eine Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gung (AU), muss der Arbeit­ge­ber die Lohn­zah­lung fort­set­zen, erst ein­mal gibt es kei­nen Unter­schied zwi­schen einer deut­schen und einer aus­län­di­schen AU. Das BAG stell­te nun aber klar, dass der Beweis­wert einer AU durch die Gesamt­schau aller Umstän­de durch­aus erschüt­tert wer­den kann.

In dem Fall, über den die Erfur­ter Rich­ter ent­schie­den haben, befand sich der Arbeit­neh­mer im Som­mer­ur­laub in Tune­si­en. Kurz vor Ende sei­nes Urlaubs infor­mier­te er sei­nen Arbeit­ge­ber per E‑Mail dar­über, dass er vor Ort eine AU aus­ge­stellt bekom­men habe, sei­ne Rück­rei­se ver­zö­ge­re sich. Zurück in Deutsch­land leg­te er eine wei­te­re AU eines deut­schen Arz­tes vor.

Der Arbeit­ge­ber ver­wei­ger­te die Lohn­fort­zah­lung, da er an der Arbeits­un­fä­hig­keit des Arbeit­neh­mers zwei­fel­te. Der Arbeit­neh­mer klag­te sei­nen Lohn gericht­lich ein und bekam in zwei­ter Instanz Recht. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt aber hob das Urteil auf (BAG, Urt. v. 15.01 2025, Az. 5 AZR 284/24) und ent­schied weni­ger arbeit­neh­mer­freund­lich.

 

Ins­ge­samt ver­däch­tig: Die Gesamt­schau aller Umstän­de

Grund­sätz­lich haben aus­län­di­sche AUs den glei­chen Beweis­wert wie deut­sche — sofern der Arzt zwi­schen einer blo­ßen Erkran­kung und einer mit Arbeits­un­fä­hig­keit ver­bun­de­nen Krank­heit unter­schie­den hat. Doch das zweit­in­stanz­lich ent­schei­den­de Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) habe die Zwei­fel des Arbeit­ge­bers am Beweis­wert der AU nicht aus­rei­chend in der Gesamt­schau betrach­tet, befand das BAG.

Der Arbeit­neh­mer war für 24 Tage krank­ge­schrie­ben, fer­ner war er laut Attest nicht rei­se­fä­hig. Eine Wie­der­vor­stel­lung ord­ne­te der aus­stel­len­de Arzt vor Ort nicht an. Den­noch buch­te der Mit­ar­bei­ter einen Tag nach Aus­stel­lung der AU ein Fähr­ti­cket für sei­ne Rück­rei­se nach Deutsch­land. Die­se trat er einen Tag vor dem Ende der attes­tier­ten Arbeits­un­fä­hig­keit an.

Erschwe­rend kam hin­zu, dass der Arbeit­neh­mer bereits in den Jah­ren 2017 bis 2020 drei­mal unmit­tel­bar nach sei­nem Urlaub AUs vor­ge­legt hat­te.  “Die­se Gege­ben­hei­ten mögen für sich betrach­tet unver­fäng­lich sein”, so der Senat. Doch in der erfor­der­li­chen Gesamt­schau aller Umstän­de kön­ne es anders aus­se­hen: Da begrün­den sie laut BAG “ernst­haf­te Zwei­fel am Beweis­wert der AU-Beschei­ni­gung”. Die­se Wür­di­gung der Gesamt­um­stän­de habe das LAG ver­nach­läs­sigt.

Die Fol­ge: Ist der Beweis­wert einer AU erschüt­tert, führt das zu einer Beweis­last­um­kehr. Das bedeu­tet, dass der Arbeit­neh­mer die voll­stän­di­ge Dar­le­gungs- und Beweis­last dafür trägt, dass er tat­säch­lich krank­heits­be­dingt arbeits­un­fä­hig war. Denn nur wer krank­heits­be­dingt nicht arbei­ten konn­te, hat einen Ent­gelt­fort­zah­lungs­an­spruch nach § 3 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungs­ge­setz.

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