Wenn ein Mitglied des Aufsichtsrats zu den Sitzungen nicht auftaucht und damit die Beschlussfähigkeit vereitelt, ist das Gremium blockiert. Die Gesellschaft kann nicht einfach ein Ersatzmitglied bestellen, stellte der BGH klar. Doch sie kann beantragen, das Mitglied abzuberufen, notfalls auch mit nur zwei Stimmen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) überraschte im Januar dieses Jahres mit einer Entscheidung (Beschl. v. 09.01.2024, Az. II ZB 20/22) zur bewussten Blockierung des Aufsichtsrates. Kaum war die neue Aufsichtsrätin, über deren Fall die Bundesrichter zu entscheiden hatten, gewählt worden, hatte sie auch schon begonnen, den Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft lahmzulegen. Sie boykottierte sämtliche Sitzungen, indem sie diesen fernblieb. Zu diesem Zeitpunkt bestand der Aufsichtsrat aus drei Personen, so dass er ohne die dritte Person nicht beschlussfähig war, da satzungsgemäß drei Mitglieder an der Beschlussfassung mitzuwirken hatten.
Um das Problem zu lösen, wollte die Gesellschaft ein Ersatzmitglied bestellen lassen. Das lehnte der BGH aber ab. Stattdessen schlug der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat vor, die Aufsichtsrätin abzuberufen.
Abberufung statt Ergänzung
Wie schon die Vorinstanzen sah auch der BGH die Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 AktG als nicht erfüllt an. Die Vorschrift regelt, dass ein Ersatzmitglied zu bestellen ist, wenn dem Aufsichtsrat nicht genügend Mitglieder zur Beschlussfassung angehören. Schließlich gehöre, so alle Gerichte übereinstimmend, das „störende“ Aufsichtsratmitglied diesem ja gerade an und fehle eben nicht. Auch tatsächliche oder rechtliche Gründe, warum es seinen Aufgaben und Pflichten nicht nachkommt, gab es nicht.
Eine analoge Anwendung des § 104 Abs. 1 AktG lehnte der BGH mangels planwidriger Regelungslücke ebenso ab. Der Senat begründete das damit, dass der Boykott theoretisch nicht dauerhaft sein müsse, er könne ja jederzeit beendet werden.
Der BGH ließ die Aktionäre aber nicht im Regen stehen. Er verwies auf eine andere Möglichkeit, die das AktG für solche Konstellationen bereithält: Gemäß § 103 Abs. 1 S. 1 AktG kann ein Aufsichtsratsmitglied von der Hauptversammlung abberufen werden. Gerade bei einem wie hier kleinen Kreis von Aktionären sei dies in der Regel ohne Probleme möglich.
Rechtsmissbrauch: Antrag der zwei übrigen Aufsichtsräte reicht
Zudem sieht § 103 Abs. 3 AktG die Möglichkeit vor, dass auf Antrag ein Gericht ein Aufsichtsratsmitglied abberufen kann, wenn in dessen Person ein wichtiger Grund liegt. Ein nachgewiesener Boykott stellt laut dem II. Senat einen solchen wichtigen Grund dar.
Nach Auffassung des BGH genügt dafür, wenn das dritte Mitglied diesen Antrag auch wieder boykottiert, der Antrag der zwei übrigen Aufsichtsräte. Wegen des gezielten Rechtsmissbrauchs durch die Aufsichtsrätin nimmt der Senat nämlich eine sog. teleologische Reduktion vor: Zwar schreibt § 108 Abs. 2 AktG für die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsratsmitglieds vor, dass immer mindestens drei Mitglieder an einer Beschlussfassung teilnehmen müssen. Doch der Senat erklärte einen Antrag an das Gericht, ein Mitglied abzuberufen, auch dann für zulässig, wenn er nur von den zwei übrigen Mitgliedern des Aufsichtsrates beschlossen wurde. Im Übrigen hat ein Aufsichtsratsmitglied bei der Frage, ob es abberufen werden soll, ohnehin kein Stimmrecht.
Insgesamt hat der BGH damit den Weg für eine zielführende Bereinigung des Aufsichtsrats freigemacht, wenn dessen Beschlussfähigkeit durch ein Mitglied gänzlich lahmgelegt wird.
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht
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