Blockierter Aufsichtsrat: Das kann die Gesellschaft tun

© alfa27/stock.adobe.com
BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Wenn ein Mit­glied des Auf­sicht­srats zu den Sitzun­gen nicht auf­taucht und damit die Beschlussfähigkeit vere­it­elt, ist das Gremi­um block­iert. Die Gesellschaft kann nicht ein­fach ein Ersatzmit­glied bestellen, stellte der BGH klar. Doch sie kann beantra­gen, das Mit­glied abzu­berufen, not­falls auch mit nur zwei Stim­men.  

Der Bun­des­gericht­shof (BGH) über­raschte im Jan­u­ar dieses Jahres mit ein­er Entschei­dung (Beschl. v. 09.01.2024, Az. II ZB 20/22) zur bewussten Block­ierung des Auf­sicht­srates. Kaum war die neue Auf­sicht­srätin, über deren Fall die Bun­desrichter zu entschei­den hat­ten, gewählt wor­den, hat­te sie auch schon begonnen, den Auf­sicht­srat der Aktienge­sellschaft lah­mzule­gen. Sie boykot­tierte sämtliche Sitzun­gen, indem sie diesen fern­blieb. Zu diesem Zeit­punkt bestand der Auf­sicht­srat aus drei Per­so­n­en, so dass er ohne die dritte Per­son nicht beschlussfähig war, da satzungs­gemäß drei Mit­glieder an der Beschlussfas­sung mitzuwirken hat­ten.

Um das Prob­lem zu lösen, wollte die Gesellschaft ein Ersatzmit­glied bestellen lassen. Das lehnte der BGH aber ab. Stattdessen schlug der für das Gesellschaft­srecht zuständi­ge II. Zivilse­n­at vor, die Auf­sicht­srätin abzu­berufen.

 

Abberu­fung statt Ergänzung

Wie schon die Vorin­stanzen sah auch der BGH die Voraus­set­zun­gen des § 104 Abs. 1 AktG als nicht erfüllt an. Die Vorschrift regelt, dass ein Ersatzmit­glied zu bestellen ist, wenn dem Auf­sicht­srat nicht genü­gend Mit­glieder zur Beschlussfas­sung ange­hören. Schließlich gehöre, so alle Gerichte übere­in­stim­mend, das „störende“ Auf­sicht­srat­mit­glied diesem ja ger­ade an und fehle eben nicht. Auch tat­säch­liche oder rechtliche Gründe, warum es seinen Auf­gaben und Pflicht­en nicht nachkommt, gab es nicht.

Eine analoge Anwen­dung des § 104 Abs. 1 AktG lehnte der BGH man­gels plan­widriger Regelungslücke eben­so ab. Der Sen­at begrün­dete das damit, dass der Boykott the­o­retisch nicht dauer­haft sein müsse, er könne ja jed­erzeit been­det wer­den.

Der BGH ließ die Aktionäre aber nicht im Regen ste­hen. Er ver­wies auf eine andere Möglichkeit, die das AktG für solche Kon­stel­la­tio­nen bere­i­thält: Gemäß § 103 Abs. 1 S. 1 AktG kann ein Auf­sicht­sratsmit­glied von der Hauptver­samm­lung abberufen wer­den. Ger­ade bei einem wie hier kleinen Kreis von Aktionären sei dies in der Regel ohne Prob­leme möglich.

 

Rechtsmiss­brauch: Antrag der zwei übri­gen Auf­sicht­sräte reicht

Zudem sieht § 103 Abs. 3 AktG die Möglichkeit vor, dass auf Antrag ein Gericht ein Auf­sicht­sratsmit­glied abberufen kann, wenn in dessen Per­son ein wichtiger Grund liegt. Ein nachgewiesen­er Boykott stellt laut dem II. Sen­at einen solchen wichti­gen Grund dar.

Nach Auf­fas­sung des BGH genügt dafür, wenn das dritte Mit­glied diesen Antrag auch wieder boykot­tiert, der Antrag der zwei übri­gen Auf­sicht­sräte. Wegen des geziel­ten Rechtsmiss­brauchs durch die Auf­sicht­srätin nimmt der Sen­at näm­lich eine sog. tele­ol­o­gis­che Reduk­tion vor: Zwar schreibt § 108 Abs. 2 AktG für die Beschlussfähigkeit des Auf­sicht­sratsmit­glieds vor, dass immer min­destens drei Mit­glieder an ein­er Beschlussfas­sung teil­nehmen müssen. Doch der Sen­at erk­lärte einen Antrag an das Gericht, ein Mit­glied abzu­berufen, auch dann für zuläs­sig, wenn er nur von den zwei übri­gen Mit­gliedern des Auf­sicht­srates beschlossen wurde. Im Übri­gen hat ein Auf­sicht­sratsmit­glied bei der Frage, ob es abberufen wer­den soll, ohne­hin kein Stimm­recht.

Ins­ge­samt hat der BGH damit den Weg für eine zielführende Bere­ini­gung des Auf­sicht­srats freigemacht, wenn dessen Beschlussfähigkeit durch ein Mit­glied gän­zlich lah­mgelegt wird.

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Über den autor

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

„Deutsches Zentrum für …“: Darf ein Unternehmen so heißen?

Der Name eines Unternehmens kann mit über seinen Erfolg entscheiden. Doch die Firmierung darf auch nicht irreführend sein. Erst kürzlich hat das OLG Düsseldorf die Firmierung „Deutsches Zentrum für …“ gekippt - aus gleich zwei Gründen. Der Fall zeigt, wie schmal der Grat zwischen einer mutigen und einer rechtswidrigen Firma sein kann.   Egal in welcher Branche und mit welcher...

Eintragung als Geschäftsführer im Handelsregister: Aber bitte mit Wohnanschrift

Geschäft ist Geschäft und Privates bleibt Privat? Wer als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen wird, muss dem Registergericht auch seine Privatadresse mitteilen. Veröffentlicht wird diese natürlich nicht. Im Sommer dieses Jahres hat sich das Amtsgericht Bonn (AG Bonn, Urt. v. 04.07.2024, Az. 19 HRB 25835) mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Geschäftsführer, dessen Eintragung ins Handelsregister angemeldet wird, dem Registergericht auch...