EuGH-Urteil: Urlaubsanspruch verfällt nicht mehr automatisch

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Erneut hat der EuGH langjährige deutsche Rspr. zum automa­tis­chen Ver­fall des Urlaub­sanspruchs gekippt und die Anforderun­gen ver­schärft. Geklagt hat­ten ein Recht­sref­er­en­dar sowie ein ehe­ma­liger Max-Planck-Mitar­beit­er. Bei­de hat­ten ihren geset­zlichen Min­desturlaub ohne Begrün­dung nicht rechtzeit­ig im Urlaub­s­jahr genom­men und ver­langten nach ihrem Auss­chei­den die Abgel­tung ihres Urlaubs aus dem Vor­jahr.

Deutsche Rechtslage

Nach bish­eriger Rspr. galt in solchen Fällen: ver­säumt es der Arbeit­nehmer, rechtzeit­ig Urlaub zu beantra­gen und liegt kein Grund für eine Über­tra­gung in das näch­ste Urlaub­s­jahr vor, so ver­fällt dieser grund­sät­zlich mit Ablauf des Urlaub­s­jahres, § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG. Über­tra­gungs­gründe wären ins­beson­dere drin­gende betriebliche Gründe oder eine lang­dauernde Erkrankung des Arbeit­nehmers. In let­zterem Fall hat­te der EUGH (Urteil v. 22.11.2011 – C ‑214/10) bere­its 2011 entsch­ieden, dass der Urlaub bis zu 15 Monate nach Ablauf des Urlaub­s­jahres noch genom­men wer­den kann – ent­ge­gen der Regelung in § 7 Abs. 3 BUrlG, die an sich nur eine Über­tra­gung bis zum Ende März des Fol­ge­jahres vor­sieht. Son­st kon­nte nach bish­eriger Rspr. der Urlaub noch zu einem späteren Zeit­punkt genom­men wer­den, wenn es (indi­vid­ual- oder kollek­tivrechtlich) vere­in­bart war oder der Arbeit­ge­ber einen rechtzeit­ig beantragten Urlaub zu Unrecht nicht gewährt hat­te.

Neue Rechtsprechung des EuGH

Der EuGH hat nun entsch­ieden (Az.: C‑619/16 und C‑684/16): der Arbeit­nehmer darf seinen geset­zlichen Min­desturlaub­sanspruch nicht allein deshalb ver­lieren, weil er ihn nicht rechtzeit­ig beantragt hat. Er könne zwar frei­willig auf diesen verzicht­en. Ein solch­er Verzicht set­ze jedoch voraus, dass der Arbeit­ge­ber ihn zuvor wirk­sam in die Lage ver­set­zt hat, seinen tat­säch­lich Urlaub zu nehmen. Son­st beste­he die Gefahr, dass der Arbeit­nehmer als schwächere Ver­tragspartei davon abgeschreckt wer­den kön­nte, seine Rechte auszuüben. Der Arbeit­nehmer trage nicht alleine das Risiko, dass der Urlaub nicht rechtzeit­ig genom­men wird. Der Arbeit­ge­ber müsse den Arbeit­nehmer konkret und trans­par­ent rechtzeit­ig darüber aufk­lären, dass sein Urlaub, wenn er ihn nicht nehmen sollte, am Ende des Bezugszeitraums ver­fall­en wird. Die Beweis­last für diese Aufk­lärung trage der Arbeit­ge­ber. Dies ergebe sich aus Art. 7 Abs. 1 der RL 2003/88 und Art. 31 Abs. 2 GrCh.

Die konkreten Modal­itäten, die der Arbeit­ge­ber bei der Auf­forderungserk­lärung an den Arbeit­nehmer zu beacht­en hat, sind nun vom BAG näher zu definieren. Ob eine pauschale Rund­mail an die ganze Belegschaft, noch nicht genomme­nen Urlaub zu nehmen, aus­re­ichen wird, ist dur­chaus fraglich, denn schließlich ist eine solche Nachricht eher nicht „konkret“.

Nota bene: Diese Obliegen­heit des Arbeits­ge­bers gilt zwin­gend nur für den geset­zlichen Min­desturlaub. Für darüber hin­aus­ge­hen­den Mehrurlaub kann dur­chaus etwas anderes vere­in­bart wer­den. Fehlt eine solche Vere­in­barung, gilt jedoch der Gle­ich­lauf des Mehrurlaubs mit dem Min­desturlaub, d.h., der gesamte Urlaub­sanspruch des Arbeit­nehmers wird dann ein­heitlich nach den Regeln des Min­desturlaubs behan­delt.

Faz­it: Arbeit­ge­ber soll­ten nun rechtzeit­ig vor Ablauf des Kalen­der­jahres dafür sor­gen, dass die Arbeit­nehmer noch offe­nen Urlaub nehmen. Solange die Anforderun­gen an die Auf­forderungserk­lärung noch nicht richter­lich gek­lärt sind, sollte diese möglichst konkret gestal­tet wer­den, also zumin­d­est einen Hin­weis auf die konkret noch offe­nen Urlaub­stage sowie den Zeit­punkt des Ver­falls bein­hal­ten und zumin­d­est in Textform erfol­gen.


Beitrags­fo­to: © Heiko Küver­ling — Fotolia.com

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