Nicht der Arbeitgeber muss beweisen, was die Ex-Geschäftsführerin im neuen Job verdient

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Arbeitsrecht | 29. Februar 2024
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Erzielt eine Mitar­bei­t­erin nach ein­er unwirk­samen Kündi­gung ander­weit­ig Einkün­fte, muss sie erk­lären, warum diese nicht angerech­net wer­den soll­ten. Auch Ver­di­enst aus selb­ständi­ger Tätigkeit oder einem freien Mitar­beit­er­ver­hält­nis kann anrechen­bar sein und ein auf­fal­l­end geringes Gehalt im neuen Job kann dem alten Arbeit­ge­ber eben­falls helfen. 

Annah­mev­erzug im Arbeit­srecht, das klingt erst mal recht abstrakt. Doch der Annah­mev­erzug kann Unternehmen teuer zu ste­hen kom­men, wenn sie eine unwirk­same Kündi­gung aus­ge­sprochen haben. Wenn der Arbeit­nehmer sich gegen die Kündi­gung wehrt und am Ende gerichtlich fest­gestellt wird, dass das Arbeitsver­hält­nis  durch die arbeit­ge­ber­seit­ige Kündi­gung nicht aufgelöst wor­den ist, ste­ht fest, dass der Arbeit­ge­ber sich seit­dem in Annah­mev­erzug befind­et: In sein­er Kündi­gung lag zugle­ich die Erk­lärung, die Arbeit­sleis­tung des Arbeit­nehmers nach Ablauf der Kündi­gungs­frist nicht mehr annehmen zu wollen (Bun­de­sar­beits­gericht (BAG), Urteil v. 29.3.2023- 5- AZR 255/22; 14.12.2017- 2 AZR 86/17). Und wenn diese Kündi­gung unwirk­sam war, hat der Arbeit­nehmer, der schließlich bere­it war, seine Arbeit­sleis­tung zu erbrin­gen, nun Anspruch auf seinen Lohn, ohne dafür arbeit­en zu müssen.

Dies gilt allerd­ings nicht uneingeschränkt. Darauf soll auch ein gekündigter Arbeit­nehmer sich nicht aus­ruhen. Auf das Arbeit­sent­gelt, das ihm der Arbeit­ge­ber für die Zeit nach der – unwirk­samen – Ent­las­sung schuldet, muss der Arbeit­nehmer sich anrech­nen lassen, was er durch ander­weit­ige Arbeit ver­di­ent hat. Und auch, was er hätte ver­di­enen kön­nen, wenn er eine ihm zumut­bare Arbeit böswillig nicht angenom­men hat.

 

Geschäfts­führerin tritt neuen Job an – ohne Gehalt

In einem aktuellen Urteil (vom 24.01.2024 – 5 AZR 331/22) stellt das BAG nochmals klar, dass die ander­weit­ig erziel­ten Erträge, die Arbeit­nehmer sich auch nach ein­er unwirk­samen Kündi­gung anrech­nen lassen müssen, nicht bloß aus einem Angestell­tenver­hält­nis kom­men kön­nen, das mit dem vorheri­gen ver­gle­ich­bar ist. Außer­dem beant­worten Deutsch­lands höch­ste Arbeit­srichter die Frage, wer was beweisen muss, wenn es darum geht, ob der Arbeit­nehmer ander­weit­ig ver­di­ent.

In dem Fall war die kla­gende Arbeit­nehmerin bis zu ihrer Abberu­fung als Geschäfts­führerin bei der beklagten Arbeit­ge­berin tätig gewe­sen. Die Arbeit­ge­berin kündigte das Dien­stver­hält­nis und stellte die Arbeit­nehmerin bis zum Beendi­gungs­da­tum von ihrer Arbeit­sleis­tung frei. Die Arbeit­nehmerin wurde später als Geschäfts­führerin ein­er anderen Fir­ma, der G GmbH, einge­tra­gen, bekam dafür jedoch keine Vergü­tung, son­dern eine Gewinn­beteili­gungszusage sowie später einen Kom­man­di­tis­ten­beteili­gungsan­teil.

Nach­dem gerichtlich fest­gestellt wurde, dass das Arbeitsver­hält­nis erst durch eine andere, spätere Kündi­gung wirk­sam been­det wurde, stand der Arbeit­nehmerin Annah­mev­erzugslohn zu.  Das Arbeits­gericht und das Lan­desar­beits­gericht (LAG) sprachen ihr diesen voll zu. Sie rech­neten also keinen ander­weit­i­gen Ver­di­enst an und gin­gen auch nicht davon aus, dass sie einen solchen böswillig nicht erzielt habe: Die Arbeit­ge­berin habe schließlich im Prozess nicht dargelegt, dass die Kom­man­di­tis­ten­beteili­gung, die die Arbeit­nehmerin erhielt, die Gegen­leis­tung für ihre Geschäfts­führertätigkeit für die G GmbH gewe­sen sei.

Die Arbeit­ge­berin wehrte sich hierge­gen vor dem BAG, da sie der Ansicht war, die Arbeit­nehmerin müsse sich den Wert des Kom­man­di­tan­teils und ein fik­tives Ent­gelt für ihre Tätigkeit als Geschäfts­führerin der anderen Fir­ma anrech­nen lassen.

 

BAG: Arbeit­nehmerin hätte zum neuen Job vor­tra­gen müssen

Die Richter des 5. Sen­ats des BAG gaben ihr fürs Erste weit­ge­hend Recht. Sie hoben das Urteil des LAG auf und ver­wiesen die Sache zur neuen Ver­hand­lung zurück. Das LAG habe Fehler bei der Prü­fung der Anrech­nung zum ander­weit­i­gen Ver­di­enst der Arbeit­nehmerin sowie zu dessen böswilliger Unter­las­sung gemacht.

Zwar habe die Arbeit­nehmerin durch ihre Geschäfts­führertätigkeit bei der G GmbH keine laufend­en Einkün­fte erzielt und auch son­st keine Vergü­tung bekom­men, die man hätte anrech­nen müssen. Allerd­ings kön­nte, so das BAG, der Kom­man­di­tan­teil der Arbeit­nehmerin eine ander­weit­ige Vergü­tung darstellen, wenn sie ihn für ihre Tätigkeit als Geschäfts­führerin der G GmbH erhal­ten hätte.

Das BAG stellt auch klar, dass die Arbeit­nehmerin diese Ver­mu­tung der Arbeit­ge­berin, die ja nicht völ­lig fern­liegt, nicht ein­fach bestre­it­en kann. Denn während die Arbeit­ge­berin nicht weiß und nicht wis­sen kann, ob und wie die Arbeit­nehmerin im neuen Unternehmen vergütet wird, ken­nt die Arbeit­nehmerin ihrer­seits alle wesentlichen Tat­sachen – und es ist ihr laut den Erfurter Richtern auch zumut­bar, dazu nähere Angaben zu machen. Es wäre, das stellt das BAG klar, Auf­gabe der Arbeit­nehmerin gewe­sen, näher zu der Gewinn­beteili­gungszusage und zu der ver­traglichen Gestal­tung ihrer Stel­lung als Kom­man­di­tistin vorzu­tra­gen.

 

Ander­weit­iger Ver­di­enst muss kein klas­sis­ches Gehalt sein

Dabei klärt das BAG darüber auf, dass für den ander­weit­i­gen Ver­di­enst nicht nur Ent­gelte aus einem Arbeitsver­hält­nis anzurech­nen sind, son­dern auch Einkün­fte aus selb­ständi­ger Tätigkeit oder einem freien Mitar­beit­er­ver­hält­nis. Maßge­blich ist nicht der Zeit­punkt, wann der Arbeit­nehmer das Gehalt erhält, son­dern die Tat­sache, dass er es dadurch erhal­ten hat, dass er auf­grund der Kündi­gung und Nich­tan­nahme der Arbeit­sleis­tung durch den Arbeit­ge­ber sein­er Arbeit­sleis­tung ander­weit­ig anbi­eten kon­nte.

Fern­er führen die Erfurter Richter aus, dass ein böswilliges Unter­lassen ander­weit­i­gen Ver­di­en­stes auch dann vor­liegen kann, wenn sich der Arbeit­nehmer im Laufe des Kündi­gungss­chutzprozess­es in einem neu begrün­de­ten Arbeits- oder Dien­stver­hält­nis vorsät­zlich mit einem – gemessen an der üblichen Vergü­tung für die aus­geübte Tätigkeit – zu gerin­gen Ent­gelt zufrieden gibt oder unent­geltlich eine Leis­tung erbringt, die regelmäßig nur gegen eine Vergü­tung erbracht wird. Auch den Ein­wand der Arbeit­ge­berin, die Arbeit­nehmerin hätte es böswillig unter­lassen, eine ander­weit­ige Erwerb­stätigkeit anzunehmen, hätte das LAG laut dem BAG nicht ein­fach zurück­weisen dür­fen.

Weil das BAG die Sache als nicht entschei­dungsreif ansah, muss jet­zt das LAG neu entschei­den. Die Arbeit­srichter müssen klären, ob im Kom­man­di­tan­teil oder in den Gewin­nen aus der Kom­man­dit­beteili­gung ein ander­weit­iger Ver­di­enst der Arbeit­nehmerin zu sehen ist oder ob sie es sich möglicher­weise anrech­nen lassen muss, dass sie böswillig son­st nichts ver­di­ent hat.

 

Eleni Mpoura ist bei SNP Schlaw­ien als Recht­san­wältin im Bere­ich Arbeit­srecht tätig. Sie berät und ver­tritt arbeit­srechtliche Man­dan­ten sowohl auf Arbeit­ge­ber- als auch auf Arbeit­nehmer­seite zu allen Fra­gen des indi­vidu­ellen und kollek­tiv­en Arbeit­srechts. Hier­bei liegt ihr Schw­er­punkt ins­beson­dere auf dem Indi­vid­u­alar­beit­srecht und damit auf Kündi­gungss­chutzver­fahren, Vergü­tungs­fra­gen, Abmah­nungstatbestän­den, dem Zeug­nis­recht sowie der Gestal­tung von Arbeitsverträ­gen und Aufhe­bungsverträ­gen. Neben der außerg­erichtlichen Beratung und Betreu­ung ver­tritt sie ihre Man­dan­ten auch vor den Arbeits­gericht­en und Lan­desar­beits­gericht­en. https://www.linkedin.com/in/elenimpoura

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