Erzielt eine Mitarbeiterin nach einer unwirksamen Kündigung anderweitig Einkünfte, muss sie erklären, warum diese nicht angerechnet werden sollten. Auch Verdienst aus selbständiger Tätigkeit oder einem freien Mitarbeiterverhältnis kann anrechenbar sein und ein auffallend geringes Gehalt im neuen Job kann dem alten Arbeitgeber ebenfalls helfen.
Annahmeverzug im Arbeitsrecht, das klingt erst mal recht abstrakt. Doch der Annahmeverzug kann Unternehmen teuer zu stehen kommen, wenn sie eine unwirksame Kündigung ausgesprochen haben. Wenn der Arbeitnehmer sich gegen die Kündigung wehrt und am Ende gerichtlich festgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis durch die arbeitgeberseitige Kündigung nicht aufgelöst worden ist, steht fest, dass der Arbeitgeber sich seitdem in Annahmeverzug befindet: In seiner Kündigung lag zugleich die Erklärung, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr annehmen zu wollen (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil v. 29.3.2023- 5- AZR 255/22; 14.12.2017- 2 AZR 86/17). Und wenn diese Kündigung unwirksam war, hat der Arbeitnehmer, der schließlich bereit war, seine Arbeitsleistung zu erbringen, nun Anspruch auf seinen Lohn, ohne dafür arbeiten zu müssen.
Dies gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Darauf soll auch ein gekündigter Arbeitnehmer sich nicht ausruhen. Auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der – unwirksamen – Entlassung schuldet, muss der Arbeitnehmer sich anrechnen lassen, was er durch anderweitige Arbeit verdient hat. Und auch, was er hätte verdienen können, wenn er eine ihm zumutbare Arbeit böswillig nicht angenommen hat.
Geschäftsführerin tritt neuen Job an – ohne Gehalt
In einem aktuellen Urteil (vom 24.01.2024 – 5 AZR 331/22) stellt das BAG nochmals klar, dass die anderweitig erzielten Erträge, die Arbeitnehmer sich auch nach einer unwirksamen Kündigung anrechnen lassen müssen, nicht bloß aus einem Angestelltenverhältnis kommen können, das mit dem vorherigen vergleichbar ist. Außerdem beantworten Deutschlands höchste Arbeitsrichter die Frage, wer was beweisen muss, wenn es darum geht, ob der Arbeitnehmer anderweitig verdient.
In dem Fall war die klagende Arbeitnehmerin bis zu ihrer Abberufung als Geschäftsführerin bei der beklagten Arbeitgeberin tätig gewesen. Die Arbeitgeberin kündigte das Dienstverhältnis und stellte die Arbeitnehmerin bis zum Beendigungsdatum von ihrer Arbeitsleistung frei. Die Arbeitnehmerin wurde später als Geschäftsführerin einer anderen Firma, der G GmbH, eingetragen, bekam dafür jedoch keine Vergütung, sondern eine Gewinnbeteiligungszusage sowie später einen Kommanditistenbeteiligungsanteil.
Nachdem gerichtlich festgestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis erst durch eine andere, spätere Kündigung wirksam beendet wurde, stand der Arbeitnehmerin Annahmeverzugslohn zu. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht (LAG) sprachen ihr diesen voll zu. Sie rechneten also keinen anderweitigen Verdienst an und gingen auch nicht davon aus, dass sie einen solchen böswillig nicht erzielt habe: Die Arbeitgeberin habe schließlich im Prozess nicht dargelegt, dass die Kommanditistenbeteiligung, die die Arbeitnehmerin erhielt, die Gegenleistung für ihre Geschäftsführertätigkeit für die G GmbH gewesen sei.
Die Arbeitgeberin wehrte sich hiergegen vor dem BAG, da sie der Ansicht war, die Arbeitnehmerin müsse sich den Wert des Kommanditanteils und ein fiktives Entgelt für ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin der anderen Firma anrechnen lassen.
BAG: Arbeitnehmerin hätte zum neuen Job vortragen müssen
Die Richter des 5. Senats des BAG gaben ihr fürs Erste weitgehend Recht. Sie hoben das Urteil des LAG auf und verwiesen die Sache zur neuen Verhandlung zurück. Das LAG habe Fehler bei der Prüfung der Anrechnung zum anderweitigen Verdienst der Arbeitnehmerin sowie zu dessen böswilliger Unterlassung gemacht.
Zwar habe die Arbeitnehmerin durch ihre Geschäftsführertätigkeit bei der G GmbH keine laufenden Einkünfte erzielt und auch sonst keine Vergütung bekommen, die man hätte anrechnen müssen. Allerdings könnte, so das BAG, der Kommanditanteil der Arbeitnehmerin eine anderweitige Vergütung darstellen, wenn sie ihn für ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin der G GmbH erhalten hätte.
Das BAG stellt auch klar, dass die Arbeitnehmerin diese Vermutung der Arbeitgeberin, die ja nicht völlig fernliegt, nicht einfach bestreiten kann. Denn während die Arbeitgeberin nicht weiß und nicht wissen kann, ob und wie die Arbeitnehmerin im neuen Unternehmen vergütet wird, kennt die Arbeitnehmerin ihrerseits alle wesentlichen Tatsachen – und es ist ihr laut den Erfurter Richtern auch zumutbar, dazu nähere Angaben zu machen. Es wäre, das stellt das BAG klar, Aufgabe der Arbeitnehmerin gewesen, näher zu der Gewinnbeteiligungszusage und zu der vertraglichen Gestaltung ihrer Stellung als Kommanditistin vorzutragen.
Anderweitiger Verdienst muss kein klassisches Gehalt sein
Dabei klärt das BAG darüber auf, dass für den anderweitigen Verdienst nicht nur Entgelte aus einem Arbeitsverhältnis anzurechnen sind, sondern auch Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit oder einem freien Mitarbeiterverhältnis. Maßgeblich ist nicht der Zeitpunkt, wann der Arbeitnehmer das Gehalt erhält, sondern die Tatsache, dass er es dadurch erhalten hat, dass er aufgrund der Kündigung und Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber seiner Arbeitsleistung anderweitig anbieten konnte.
Ferner führen die Erfurter Richter aus, dass ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes auch dann vorliegen kann, wenn sich der Arbeitnehmer im Laufe des Kündigungsschutzprozesses in einem neu begründeten Arbeits- oder Dienstverhältnis vorsätzlich mit einem – gemessen an der üblichen Vergütung für die ausgeübte Tätigkeit – zu geringen Entgelt zufrieden gibt oder unentgeltlich eine Leistung erbringt, die regelmäßig nur gegen eine Vergütung erbracht wird. Auch den Einwand der Arbeitgeberin, die Arbeitnehmerin hätte es böswillig unterlassen, eine anderweitige Erwerbstätigkeit anzunehmen, hätte das LAG laut dem BAG nicht einfach zurückweisen dürfen.
Weil das BAG die Sache als nicht entscheidungsreif ansah, muss jetzt das LAG neu entscheiden. Die Arbeitsrichter müssen klären, ob im Kommanditanteil oder in den Gewinnen aus der Kommanditbeteiligung ein anderweitiger Verdienst der Arbeitnehmerin zu sehen ist oder ob sie es sich möglicherweise anrechnen lassen muss, dass sie böswillig sonst nichts verdient hat.
Eleni Mpoura ist bei SNP Schlawien als Rechtsanwältin im Bereich Arbeitsrecht tätig. Sie berät und vertritt arbeitsrechtliche Mandanten sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite zu allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Hierbei liegt ihr Schwerpunkt insbesondere auf dem Individualarbeitsrecht und damit auf Kündigungsschutzverfahren, Vergütungsfragen, Abmahnungstatbeständen, dem Zeugnisrecht sowie der Gestaltung von Arbeitsverträgen und Aufhebungsverträgen. Neben der außergerichtlichen Beratung und Betreuung vertritt sie ihre Mandanten auch vor den Arbeitsgerichten und Landesarbeitsgerichten. https://www.linkedin.com/in/elenimpoura
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
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