29 Grad und keine Klimaanlage: Hitzefrei am Arbeitsplatz?

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Arbeitsrecht | 29. August 2024
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Hit­ze­frei am Arbeits­platz? Der Chef ver­kün­det per Mega­fon, dass alle an den See kön­nen? Das wäre schön, das könn­ten Unter­neh­men machen — aber ein Recht der Arbeit­neh­mer dar­auf gibt es nicht. Doch Arbeit­ge­ber müs­sen bei hohen Tem­pe­ra­tu­ren am Arbeits­platz han­deln.

 

Es ist August. Die Tem­pe­ra­tu­ren stei­gen auf über 34 Grad. Ange­nehm für einen Som­mer­ur­laub am Mit­tel­meer. Die etwas schlech­te­re Loca­ti­on könn­te bei die­sen Tem­pe­ra­tu­ren der täg­li­che Arbeits­platz sein. Sti­cki­ge Büros füh­ren zu Schwin­del­an­fäl­len und Kon­zen­tra­ti­ons­schwä­che.

Die schlech­te Nach­richt für Arbeit­neh­mer vor­weg: Ein Recht auf „Hit­ze­frei“ am Arbeits­platz und damit auf die Befrei­ung von der Arbeits­pflicht besteht nicht, auch bei hohen Tem­pe­ra­tu­ren müs­sen die Arbeit­neh­mer ihre Arbeits­pflicht erfül­len. Doch wenn Hit­ze die Bedin­gun­gen am Arbeits­platz beein­flusst, müs­sen Arbeit­ge­ber reagie­ren – es sei denn, die Arbeit­neh­mer arbei­ten im Home­of­fice.

 

Grenz­wert­wer­tig: Wann es zu heiß wird

Für den klas­si­schen Büro­ar­beits­platz hat der Arbeit­ge­ber den Anhang § 3.5. Abs. 1 zu § 3 der Arbeits­stät­ten­ver­ord­nung (Arb­StättV) zu beach­ten. Hier heißt es, dass die Arbeits­räu­me wäh­rend der Nutz­dau­er unter Berück­sich­ti­gung der Arbeits­ver­fah­ren und der phy­si­schen Belas­tun­gen der Beschäf­tig­ten eine gesund­heit­lich zuträg­li­che Raum­tem­pe­ra­tur haben müs­sen. Belas­tun­gen durch Hit­ze oder auch Käl­te sind zu ver­mei­den.

Die Tech­ni­schen Regeln für Arbeits­stät­ten (Arbeits­stät­ten­re­geln — ASR) geben den erfor­der­li­chen Stand der Tech­nik, Arbeits­me­di­zin und Hygie­ne sowie sons­ti­ge gesi­cher­te wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se für die Sicher­heit und Gesund­heit der Beschäf­tig­ten beim Ein­rich­ten und Betrei­ben von Arbeits­stät­ten wie­der. Die ASR kon­kre­ti­sie­ren im Rah­men ihres Anwen­dungs­be­reichs Anfor­de­run­gen der Ver­ord­nung über Arbeits­stät­ten (Arbeits­stät­ten­ver­ord­nung — Arb­StättV).

Die Tech­ni­sche Regeln für Arbeits­stät­ten ASR A3.5 geben Grenz­wer­te für Arbeit­ge­ber im Hin­blick auf die Luft­tem­pe­ra­tur im Raum vor. Sie soll in Arbeits­räu­men 26 Grad nicht über­schrei­ten. Sofern eine Über­schrei­tung vor­liegt, hat der Arbeit­ge­ber für Son­nen­schutz zu sor­gen. Dazu müs­sen die Arbeit­neh­mer dem Arbeit­ge­ber auch Gele­gen­heit geben.

 

Was Arbeit­ge­ber tun müs­sen

Steigt die Tem­pe­ra­tur im Büro auf über 30 Grad, muss der Arbeit­ge­ber zusätz­li­che Maß­nah­men ergrei­fen, zum Bei­spiel die Arbeits­zei­ten anpas­sen oder Kalt­ge­trän­ke bereit­stel­len. Bei mehr als 35 Grad ist der Raum ohne wei­te­re Maß­nah­men wie zum Bei­spiel Luft­du­schen, Was­ser­schlei­er oder Hit­ze­schutz­klei­dung nicht als Arbeits­raum geeig­net.

Schutz­maß­nah­men gegen die Über­hit­zung am Arbeits­platz gibt Anhang 3.5 Abs. 3 der Arbeits­stät­ten­ver­ord­nung vor: Fens­ter, Ober­lich­ter und Glas­wän­de müs­sen unter Berück­sich­ti­gung der Arbeits­ver­fah­ren und der Art der Arbeits­stät­te eine Abschir­mung gegen über­mä­ßi­ge Son­nen­ein­strah­lung ermög­li­chen.

Abschnitt 4.3. der ASR A3.5. gibt vor, dass auch sol­che Schutz­maß­nah­men aber wei­ter­hin aus­rei­chen­de Tages­licht­ver­sor­gung gewähr­leis­ten müs­sen. Gleich­zei­tig sind stö­ren­de Blen­dung und über­mä­ßi­ge Erwär­mung zu ver­mei­den.

 

Kein Recht auf Hit­ze­frei – auch nicht im Home­of­fice

Ein Recht auf Hit­ze­frei für Arbeit­neh­mer gibt es nicht. Über­stei­gen die Tem­pe­ra­tu­ren die 26-Grad-Gren­ze, heißt das nicht, dass man nach Hau­se gehen kann. Die Arbeits­pflicht bleibt bestehen, sodass es zu arbeits­recht­li­chen Kon­se­quen­zen wie einer Abmah­nung oder Kün­di­gung kom­men kann, wenn ein Arbeit­neh­mer die Arbeit ver­wei­gert. 

Im Gegen­satz zum Büro kann der Arbeit­ge­ber im Home­of­fice nicht dafür Sor­ge tra­gen, dass der Arbeit­neh­mer aus­rei­chend von Son­nen­ein­strah­lun­gen und Hit­ze geschützt ist. Der Arbeit­neh­mer muss hier viel­mehr selbst dafür sor­gen, dass er sei­ne Arbeit an einem küh­len schat­ti­gen Platz ver­rich­ten kann.

Anders ver­hält es sich bei soge­nann­ten Tele­ar­beits­plät­zen. Davon spricht man, wenn der Arbeit­ge­ber dem Arbeit­neh­mer einen häus­li­chen Arbeits­platz ein­ge­rich­tet und dazu genaue Vor­ga­ben gemacht hat. Hier fin­den dann zumin­dest teil­wei­se die arbeits­stät­ten­recht­li­chen Rege­lun­gen auch zuhau­se Anwen­dung, sodass der Arbeit­ge­ber ver­pflich­tet ist, Schutz­maß­nah­men zu ergrei­fen.

Hat der Arbeit­neh­mer ledig­lich einen Bild­schirm und ein Note­book vom Arbeit­ge­ber zur Ver­fü­gung gestellt und arbei­tet im Home­of­fice, so stellt dies kei­nen Tele­ar­beits­platz dar. Hier liegt es dann am Arbeit­neh­mer, ob er auf Home­of­fice ver­zich­tet und das Büro auf­sucht, wenn es in sei­nen eige­nen vier Wän­den zu heiß ist. 

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