Eine Klausel im Arbeitsvertrag, die ausdrücklich regelt, dass der gesetzliche Mindesturlaub auch bei langer Krankheit nicht verfällt, ist wirksam, urteilte das Bundesarbeitsgericht. Sie gehe gesetzlichen wie tariflichen Regelungen zu Verfallfristen vor. Was Arbeitgeber dazu wissen müssen.
In dem Fall, über den in letzter Instanz das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden hat, konnte eine Arbeitnehmerin ihren jährlichen Mindesturlaub über mehrere Jahre nicht nehmen, weil sie krank war. Ihr Arbeitsvertrag enthielt eine Klausel, der zufolge der gesetzliche Mindesturlaub auch bei länger andauernder Krankheit über den sonst üblichen Übertragungszeitraum von 15 Monaten hinaus fortbesteht.
Die beklagte Arbeitgeberin berief sich aber auf die allgemein anerkannte 15-Monats-Verfallfrist sowie die im Fall der klagenden Pflegekraft zudem einschlägigen Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie (AVR-DD), nach denen der Urlaubsanspruch ebenfalls spätestens 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres erlischt. So stritten die Parteien durch die Instanzen bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG) über die Abgeltung von insgesamt 144 Urlaubstagen in den Jahren zwischen 2016 und 2021, es ging um immerhin rund 16.000 Euro.
BAG: Ausdrückliche vertragliche Regelung geht vor
Deutschlands höchste Arbeitsrichter entschieden, dass in diesem Fall die arbeitsvertragliche Regelung Vorrang hat, da sie den Verfall des gesetzlichen Mindesturlaubs bei Langzeiterkrankung ausdrücklich ausschließt (BAG, Urteil vom 15.07.2025 – 9 AZR 198/2). Die Parteien des Vertrags hätten also, so das BAG, arbeitsvertraglich eine abweichende Regelung zum (Nicht-) Verfall des gesetzlichen Mindesturlaubs bei einer langandauernden Erkrankung der Arbeitnehmerin getroffen. Nach dieser zweifelsfreien, inhaltlich eigenständigen individualrechtlichen Regelung bestehe kein Raum dafür, auf die Arbeitsrichtlinie der AVR-DD zum Verfall von Urlaub zurückzugreifen, auch wenn diese in den Vertrag einbezogen worden sei. Mit der individualrechtlichen Vereinbarung zum Nichtverfall des Urlaubs bei langandauernder Krankheit habe der Arbeitgeber zu verstehen geben wollen, dass er von den kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien abweichen wolle. Daran müsse er sich dann auch halten, so das BAG.
Die Erfurter Richter stellten zudem klar, dass die vertragliche Regelung auch nicht gegen EU-Recht verstößt. Der Europäische Gerichtshof hat die Regel aufgestellt, dass Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub grundsätzlich nicht erlöschen können. Hiervon dürfen die Mitgliedstaaten ausnahmsweise abweichen, wenn das durch besondere Umstände gerechtfertigt ist. Solche besonderen Umstände liegen auch in einer Kumulation von Urlaubsansprüchen aus mehreren Jahren aufgrund einer Langzeiterkrankung.
Deshalb kann man § 7 Abs. 3 des deutschen Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) so interpretieren, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub, den der Arbeitnehmer wegen Krankheit nicht bis zum Ende des Urlaubsjahres nehmen konnte, bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit zwar unter besonderen Umständen mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres untergeht. Es bleibt aber möglich, für den Arbeitnehmer günstigere individual- oder kollektivrechtliche Regelungen zu treffen, wie im Fall der klagenden Pflegekraft geschehen. Ihr sprachen die Erfurter Richter daher die Abgeltung all ihre noch offenen Mindesturlaubstage zu.
Praxishinweis: Urlaubsverfallsregelungen nur nach genauer Prüfung
Das BAG hat in seinem Urteil betont, dass der 15-monatige Übertragungszeitraum, welcher aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes resultiert, zwar grundsätzlich eine unionsrechtskonforme Grenze für den Verfall von Urlaubsansprüchen setzt, diese vertraglich aber zugunsten des Arbeitnehmers verlängert oder ganz ausgeschlossen werden kann. Entscheidend ist der objektive Sinn einer transparenten und eindeutigen arbeitsvertraglichen Klausel.
Das Urteil verdeutlicht, dass Arbeitgeber bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen genau prüfen sollten, ob und wie Urlaubsverfallregelungen formuliert werden. Enthalten Verträge eine ausdrückliche Vereinbarung, die den Verfall bei Langzeiterkrankung ausschließt, bleibt der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers bestehen; und damit, wenn er das Unternehmen verlässt, auch sein Abgeltungsanspruch – unabhängig von Arbeitsvertragsrichtlinien oder allgemeinen Gesetzesauslegungen.
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
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