Forderung verjährt? Kein Problem!

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Mietrecht | 25. Juli 2024
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Ist eine For­de­rung ver­jährt, ist das für den Gläu­bi­ger meist kei­ne gute Nach­richt: Er kann nichts mehr for­dern, wäh­rend der Schuld­ner nichts mehr zu befürch­ten hat. Rich­tig? Kei­nes­wegs, urteilt der Bun­des­ge­richts­hof in einem aktu­el­len Miet­rechts­fall.

Gläu­bi­ger soll­ten ihre For­de­run­gen grund­sätz­lich mög­lichst zeit­nah, jeden­falls aber bin­nen der Ver­jäh­rungs­fris­ten rea­li­sie­ren. Andern­falls droht ein voll­stän­di­ger Aus­fall. Ist Ver­jäh­rung ein­mal ein­ge­tre­ten, heißt das aller­dings nicht zwin­gend, dass die For­de­rung wert­los los. Nicht sel­ten kön­nen auch ver­jähr­te For­de­rung noch in vol­ler Höhe in Ansatz gebracht wer­den.

Dies bestä­tigt der Bun­des­ge­richts­hof in einer aktu­el­len Ent­schei­dung (BGH, Urt. v. 10.07. 2024, Az. VIII ZR 184/23). In dem Fall, über den die Bun­des­rich­ter ent­schie­den haben, hat­te ein Mie­ter auf Rück­zah­lung sei­ner geleis­te­ten Bar­kau­ti­on geklagt. Ca. ein­ein­halb Jah­re spä­ter erklär­te der Ver­mie­ter die Auf­rech­nung mit einer Scha­dens­er­satz­for­de­rung wegen Beschä­di­gung der Miet­sa­che. Der Mie­ter berief sich auf Ver­jäh­rung. Wäh­rend er damit in den ers­ten bei­den Instan­zen noch erfolg­reich war, wur­de er vom für das Wohn­raum­miet­recht zustän­di­gen VIII. Zivil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs eines Bes­se­ren belehrt.

 

Sechs Mona­te: Kur­ze Ver­jäh­rung im Wohn­raum­miet­recht

Scha­dens­er­satz­an­sprü­che wegen Beschä­di­gung der Miet­sa­che ver­jäh­ren gemäß § 548 Abs. 1 BGB bereits sechs Mona­te nach Rück­ga­be der Miet­sa­che. Die­se kur­ze Ver­jäh­rungs­frist soll vor allem Strei­tig­kei­ten dar­über ver­mei­den, ob bestimm­te Schä­den vom Alt­mie­ter oder bereits vom neu­en Mie­ter ver­ur­sacht wor­den sind.

Die Ver­jäh­rung bewirkt, dass der Mie­ter berech­tigt ist, die Leis­tung, also hier die Zah­lung von Scha­dens­er­satz, weil er Schä­den an der Miet­sa­che ver­ur­sacht hat­te, zu ver­wei­gern (§ 214 Abs. 1 BGB). Der Ein­tritt der Ver­jäh­rung nimmt dem Gläu­bi­ger aller­dings nicht die Mög­lich­keit, mit die­ser For­de­rung die Auf­rech­nung zu erklä­ren, sofern ihm dies auch bereits in einem Zeit­punkt mög­lich war, in dem die Ver­jäh­rung noch nicht ein­ge­tre­ten ist (§ 215 BGB) – die Auf­rech­nung bleibt also mög­lich, wenn zwei For­de­run­gen sich zuvor ein­mal unver­jährt gegen­über­ge­stan­den haben.

Dies hat­te das Beru­fungs­ge­richt (Land­ge­richt Nürn­berg-Fürth) noch ver­neint. Es war der Ansicht, dass die Auf­rech­nung jeden­falls an der feh­len­den sog. Gleich­ar­tig­keit der For­de­run­gen schei­tern müss­te. Das ist erklä­rungs­be­dürf­tig: Der Anspruch des Ver­mie­ters habe, so das Beru­fungs­ge­richt, zunächst dar­in bestan­den, dass der Mie­ter die beschä­dig­te Sache wie­der­her­stellt (§ 249 Abs. 1 BGB). Von der Mög­lich­keit, statt­des­sen den dafür erfor­der­li­chen Geld­be­trag zu ver­lan­gen, hat­te der Ver­mie­ter vor Ein­tritt der Ver­jäh­rung aber kei­nen Gebrauch gemacht (§ 249 Abs. 2 BGB) – und damit hät­ten sich nicht zwei Geld­for­de­run­gen unver­jährt gegen­über gestan­den, weil zwar die For­de­rung des Mie­ters auf Rück­zah­lung der Kau­ti­on, also von Geld, gerich­tet gewe­sen sei, die des Ver­mie­ters aber auf Repa­ra­tur des Scha­dens in der Woh­nung.

 

BGH: Ver­mie­ter muss­te nicht bin­nen sechs Mona­ten Geld­ersatz ver­lan­gen

Die­ses Ergeb­nis des Beru­fungs­ge­richts hielt der kri­ti­schen Über­prü­fung durch den Bun­des­ge­richts­hof nicht stand. Das Beru­fungs­ge­richt habe, so Deutsch­lands höchs­te Zivil­rich­ter, die bei­der­sei­ti­gen Inter­es­sen der Par­tei­en eines Wohn­raum­miet­ver­hält­nis­ses im Fal­le der Ver­ein­ba­rung einer Bar­kau­ti­on nicht hin­rei­chend berück­sich­tigt.

Eine vom Mie­ter gestell­te Bar­kau­ti­on dient gera­de der Siche­rung der Ansprü­che des Ver­mie­ters. Eine Bar­kau­ti­ons­ab­re­de ist nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs des­halb typi­scher­wei­se so aus­zu­le­gen, dass der Ver­mie­ter die Mög­lich­keit haben soll, sich auch nach dem Ende des Miet­ver­hält­nis­ses im Rah­men der Kau­ti­ons­ab­rech­nung auf ein­fa­che Wei­se zu befrie­di­gen, indem er hin­sicht­lich etwa­iger Scha­dens­er­satz­an­sprü­che wegen Beschä­di­gung der Miet­sa­che noch die Auf­rech­nung erklä­ren kann. Und eine sol­che Auf­rech­nung sol­le, so der Bun­des­ge­richts­hof nun, nicht dar­an schei­tern, dass er sei­ne Erset­zungs­be­fug­nis nicht früh genug aus­ge­übt, also nicht schon inner­halb der kur­zen Ver­jäh­rungs­frist von sechs Mona­ten mit­ge­teilt habe, dass er kei­ne Repa­ra­tur durch den Mie­ter, son­dern den dafür nöti­gen Geld­be­trag wünscht.

 

Gilt das nur fürs Miet­ver­hält­nis?

Die Ent­schei­dung des Bun­des­ge­richts­hofs ist im Ergeb­nis zu befür­wor­ten. Die Ansicht des Beru­fungs­ge­richts lie­ße die Auf­rech­nung an der blo­ßen For­ma­li­tät schei­tern, dass der Ver­mie­ter sei­nen bestehen­den Scha­dens­er­satz­an­spruch noch nicht aus­drück­lich als Geld­be­trag gel­tend gemacht hat. Dabei ist es der Nor­mal­fall, dass der Geld­be­trag und nicht die Scha­dens­be­he­bung gefor­dert wird. Dies ist bei­den Par­tei­en bei Ver­trags­schluss auch bewusst.

Unge­ach­tet die­ser Ent­schei­dung ist Ver­mie­tern aller­dings wei­ter­hin zu emp­feh­len, die Miet­sa­che unver­züg­lich nach der Rück­ga­be auf Schä­den zu unter­su­chen. Wenn ein Scha­den vor­liegt, soll­te man die­sen sofort in Form des für die Scha­dens­be­he­bung erfor­der­li­chen Geld­be­tra­ges beim Mie­ter gel­tend machen. Jeden­falls bei beson­ders gela­ger­ten Fäl­len ist nicht aus­zu­schlie­ßen, dass die Über­le­gun­gen des Bun­des­ge­richts­hofs nicht eins zu eins über­tra­gen wer­den kön­nen und im Ergeb­nis eine Auf­rech­nung doch an der feh­len­den Gleich­ar­tig­keit der sich gegen­über­ste­hen­den Ansprü­che vor Ein­tritt der Ver­jäh­rung schei­tert.

Ob und inwie­weit die Argu­men­ta­ti­on des Bun­des­ge­richts­hofs auch auf ande­re Ver­trags­ver­hält­nis­se über­tra­gen wer­den kann, bleibt abzu­war­ten. Das Urteil ist bis­lang noch nicht ver­öf­fent­licht. Es liegt aller­dings nahe, dass die Aus­le­gung anhand der Inter­es­sen der Ver­trags­par­tei­en auch über die­sen Ein­zel­fall von Bedeu­tung sein wird. Fest­zu­hal­ten bleibt, dass die Ver­jäh­rung einer For­de­rung kei­nes­wegs zwin­gend bedeu­tet, dass die­se nicht mehr rea­li­siert wer­den kann. Dies gilt ins­be­son­de­re dann, wenn eine Auf­rech­nung in Fra­ge kommt.

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