Virtuelle Optionsrechte: Auch nach Eigenkündigung kein sofortiger Verfall

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Vir­tu­el­le Opti­ons­rech­te sind eine belieb­te Form der Mit­ar­bei­ter­be­tei­li­gung. Doch was, wenn das Arbeits­ver­hält­nis endet? Das BAG passt jetzt sei­ne Recht­spre­chung zuguns­ten der Arbeit­neh­mer an: Vir­tu­el­le Optio­nen sei­en Ver­gü­tung und nicht Beloh­nung für Betriebs­treue. Das bedeu­tet auch: Ein sofor­ti­ger Ver­fall von geves­te­ten Optio­nen bei Eigen­kün­di­gung benach­tei­ligt Arbeit­neh­mer unan­ge­mes­sen.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) hat eine wich­ti­ge Ent­schei­dung zum Ver­fall von vir­tu­el­len Opti­ons­rech­ten nach dem Ende des Arbeits­ver­hält­nis­ses getrof­fen. Mit Urteil vom 19. März 2025 (Az. 10 AZR 67/24; Vor­in­stanz: Lan­des­ar­beits­ge­richt Mün­chen, Urt. v. 07.02. 2024, Az. 5 Sa 98/23) haben Deutsch­lands obers­te Arbeits­rich­ter ihre Recht­spre­chung geän­dert und gleich zwei Klau­seln für unwirk­sam erklärt, die den Umgang mit Opti­ons­rech­ten betra­fen, nach­dem der Arbeit­neh­mer gekün­digt hat­te. Bis­her liegt nur die Pres­se­mit­tei­lung zum Urteil vor, die exak­te Begrün­dung ist noch nicht bekannt.

In dem Fall, über den der BAG-Senat zu ent­schei­den hat­te, mach­te ein Arbeit­neh­mer sei­nen Anspruch auf vir­tu­el­le Opti­ons­rech­te gel­tend. Der Mann war vom 1. April 2018 bis 31. August 2020 bei dem nun beklag­ten Unter­neh­men beschäf­tigt gewe­sen. Im Jahr 2019 nahm er ein Ange­bot über 23 vir­tu­el­le Opti­ons­rech­te an. Die Zutei­lung der vir­tu­el­len Opti­ons­rech­te erfolg­te über ein vir­tu­el­les Mit­ar­bei­ter-Akti­ons­pro­gramm („ESOP“). Gemäß den Bestim­mun­gen des ESOP war die Aus­übung der vir­tu­el­len Optio­nen an eine Ves­t­ing-Peri­ode gebun­den. In die­ser Peri­ode, die ins­ge­samt vier Jah­re umfass­te, wur­de die vir­tu­el­len Optio­nen gestaf­felt aus­üb­bar.

Der Arbeit­neh­mer been­de­te das Arbeits­ver­hält­nis durch form- und frist­ge­rech­te Eigen­kün­di­gung. Als er aus dem Unter­neh­men aus­schied, waren 31,25 % sei­ner Opti­ons­rech­te „geves­tet“. Im Rah­men der Abwick­lung des Arbeits­ver­hält­nis­ses kam die Fra­ge auf, ob die­se „geves­te­ten“ vir­tu­el­len Optio­nen nach Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses ver­fal­len, ins­be­son­de­re nach­dem der Arbeit­neh­mer sie noch nicht aus­ge­übt hat­te. Die Bestim­mun­gen des ESOP sahen bei einer Eigen­kün­di­gung einen sofor­ti­gen Ver­fall vor. Fer­ner regel­ten sie, dass die­se vir­tu­el­len Optio­nen nach dem Ende des Arbeits­ver­hält­nis­ses dop­pelt so schnell ver­fal­len soll­ten, wie sie inner­halb der Ves­t­ing- Peri­ode ent­stan­den sind. Das BAG hat bei­de Klau­seln gekippt.

 

BAG: Arbeit­neh­mer unan­ge­mes­sen benach­tei­ligt

Der Senat hat ent­schie­den, dass die Ver­fall­klau­seln in die­ser  Kon­stel­la­ti­on unwirk­sam sind. Anders als die Vor­in­stan­zen sehen Deutsch­lands höchs­te Arbeits­rich­ter hier­in eine unan­ge­mes­se­ne Benach­tei­li­gung des Mit­ar­bei­ters, die nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB zur Unwirk­sam­keit der Klau­sel füh­re. Ins­be­son­de­re den sofor­ti­gen Ver­fall der „geves­te­ten“ vir­tu­el­len Optio­nen nach einer Eigen­kün­di­gung bewer­te­ten sie als unver­hält­nis­mä­ßig.

Das Gericht in Erfurt führ­te aus, dass die vir­tu­el­len Optio­nen eine Gegen­leis­tung für die Arbeits­leis­tung des Arbeit­neh­mers wäh­rend der Ves­t­ing-Peri­ode sei­en. Der Arbeit­neh­mer habe in die­ser Zeit die Arbeits­leis­tung erbracht, die erfor­der­lich war, um die Optio­nen zu erwer­ben. So kön­ne es nicht gerecht­fer­tigt sein, dass bereits „geves­te­te“ Optio­nen sofort ver­fal­len, sobald das Arbeits­ver­hält­nis durch Eigen­kün­di­gung endet.

Die Erfur­ter Rich­ter argu­men­tie­ren, dass die Ver­fall­klau­seln eine Kün­di­gung für den Arbeit­neh­mer unan­ge­mes­sen erschwer­ten. Durch die Gefahr des Ver­falls der vir­tu­el­len Optio­nen könn­te er mög­li­cher­wei­se davon abge­hal­ten wer­den, das Arbeits­ver­hält­nis zu kün­di­gen, selbst wenn er dies aus irgend­wel­chen Grün­den tun möch­te. Wer einen finan­zi­el­len Ver­lust befürch­ten müs­se, kön­ne nicht frei über eine Kün­di­gung ent­schei­den.

Auch die Klau­sel, die einen dop­pelt so schnel­len Ver­fall der vir­tu­el­len Optio­nen nach Ende des Arbeits­ver­hält­nis­ses vor­sah („De-Ves­t­ing“), erklärt das BAG für unan­ge­mes­sen. Die­se Rege­lung berück­sich­ti­ge nicht, dass der Arbeit­neh­mer wäh­rend der Ves­t­ing-Peri­ode bereits Arbeits­leis­tung erbracht hat. Weil geves­te­te Opti­ons­rech­te auch Gegen­leis­tung für die­se erbrach­te Arbeits­leis­tung sei­en, ste­he der dop­pelt so schnel­le Ver­fall dazu in kei­nem ange­mes­se­nen Ver­hält­nis – er ste­he viel­mehr im Wider­spruch zu dem in § 611 Abs. 2 BGB nie­der­ge­leg­ten Rechts­ge­dan­ken „Arbeit gegen Ver­gü­tung“.

 

Arbeit­ge­ber auf­ge­passt!

Mit die­ser Ent­schei­dung rückt das BAG von sei­ner bis­he­ri­gen Recht­spre­chung zum Ver­fall von Akti­en­op­tio­nen ab. In einem Urteil aus dem Jahr 2008 (Urt. v. 28.05.2008, Az. 10 AZR 351/07) hat­te das BAG Ver­fall­re­ge­lun­gen in Akti­en­op­ti­ons­plä­nen noch als zuläs­sig ange­se­hen und dabei unter ande­rem argu­men­tiert, dass Akti­en­op­tio­nen im Gegen­satz zu ande­ren Son­der­ver­gü­tun­gen einen ungleich grö­ße­ren spe­ku­la­ti­ven Cha­rak­ter hät­ten. Die Mit­ar­bei­ter könn­ten daher gera­de nicht auf die Wert­hal­tig­keit der Optio­nen ver­trau­en und sei­en weni­ger schutz­wür­dig.

Das Urteil hat weit­rei­chen­de Aus­wir­kun­gen auf Unter­neh­men, die vir­tu­el­le Optio­nen als Bestand­teil ihrer Mit­ar­bei­ter­be­tei­li­gungs­pro­gram­me anbie­ten. Man darf ver­mu­ten, dass den meis­ten Ver­fall­re­ge­lun­gen die arbeit­ge­ber­freund­li­che Recht­spre­chung des BAG aus dem Jahr 2008 zugrun­de liegt. Spä­tes­tens wenn die Ent­schei­dungs­grün­de aus Erfurt vor­lie­gen, soll­ten Akti­en­op­ti­ons­plä­ne geprüft und so ange­passt wer­den, dass die Inter­es­sen der Arbeit­neh­mer gewahrt blei­ben und unan­ge­mes­se­ne Benach­tei­li­gun­gen aus­ge­schlos­sen sind.

Zu beach­ten ist, dass sich das vor­lie­gen­de Urteil nicht auf Ver­fall­re­ge­lun­gen für noch nicht geves­te­te Opti­ons­rech­te bezieht. Klar ist auch noch nicht, ob die neue Recht­spre­chung nur dann greift, wenn die opti­ons­ge­wäh­ren­de Gesell­schaft zugleich der Arbeit­ge­ber ist, oder auch bei Kon­zern­ge­stal­tun­gen, bei denen kein Arbeits­ver­hält­nis zwi­schen der gewäh­ren­den Gesell­schaft und dem Arbeit­neh­mer besteht, etwa wenn die Mut­ter­ge­sell­schaft die vir­tu­el­len Antei­le ver­gibt. Unter die­sen Umstän­den kann es auch sein, dass die Rege­lun­gen nicht deut­schem Recht unter­lie­gen und die Anwen­dung des AGB-Rechts frag­lich ist. Auch ob die­se Ent­schei­dung für jede Art der Kün­di­gung gilt, wer­den wohl erst die  Ent­schei­dungs­grün­de ver­ra­ten.

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