Am 12. September 2019 hat das OLG Frankfurt (Az.: 6 U 114/18) entschieden, dass ein Kater nach intensivem Alkoholgenuss eine Krankheit darstellt. Angesichts des derzeit stattfindenden Oktoberfests erscheint diese Nachricht hoch aktuell, wenngleich wenig überraschend: jeder, der schon mal einen Kater hatte, wird bestätigen, dass Kopfschmerz, Übelkeit und Abgeschlagenheit je nach Schwergrad durchaus „Krankheitswert“ erreichen können. Jedenfalls handelt es sich dabei um einen „regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand“, so die juristische Definition für die gesetzliche Krankenversicherung.
Sollte der ein oder andere Arbeitnehmer jedoch glauben, mit dem Urteil sei amtlich festgestellt, dass er (oder sie) sich bei einem Kater ohne schlechtes Gewissen „krank melden“ könne, so ist dies nur die halbe Wahrheit:
Zwar trifft es zu, dass ein arbeitsunfähiger Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht befreit ist. Wer nicht arbeiten kann, muss dies auch nicht. Selbst wenn die Leistung nicht „unmöglich“ im Rechtssinne geworden sein sollte, so stünden einer Arbeitsleistung in aller Regel wohl arbeitsschutzrechtliche Aspekte und die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers entgegen.
Eine andere Frage ist jedoch die nach der Gehaltsfortzahlung. Denn nach § 3 Abs. 1 EFZG wird das Arbeitsentgelt nur bei unverschuldeter (!) Arbeitsunfähigkeit weiterbezahlt. Und von einer solchen kann bei einem Kater wohl eher keine Rede sein. Nach aktueller Rechtsprechung des BAG ist zwar z.B. eine Alkoholkrankheit in der Regel nicht als verschuldet anzusehen. Der Arbeitgeber muss in einem solchen Fall darlegen und beweisen, dass im konkreten Einzelfall – z.B. wegen eines Rückfalls – dem Arbeitnehmer doch ein „Verschulden gegen sich selbst“ vorzuwerfen ist (BAG, Urteil vom 18. März 2015 – 10 AZR 99/14).
Bei einem Kater – ohne Alkoholabhängigkeit – dürfte hingegen nach der allgemeinen Lebenserfahrung viel für ein solches Verschulden des Arbeitnehmers sprechen, denn schließlich gibt sich der Betroffene in aller Regel freiwillig und bewusst dem Trinkgenuss hin. Der Arbeitnehmer wird sich also nur in Ausnahmefällen entlasten können. Denkbar wäre hier etwa eine gewisse Unerfahrenheit im Zusammenhang mit Alkoholgenuss. Ob er (oder sie) sich mit Erfolg auf einen Gruppenzwang oder – z.B. im Fall des Oktoberfests – gar ein sozial adäquates Verhalten berufen kann, erscheint doch zweifelhaft.
In der Praxis wird der Arbeitgeber allerdings selten erfahren, welche „Krankheit“ hinter einer Krankmeldung steckt. Die Rechtsprechung legt dem Arbeitnehmer deshalb eine Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung der Ursachen der „Erkrankung“ auf (BAG, Urteil vom 7. August 1991 – 5 AZR 410/90 im Fall einer Alkoholabhängigkeit). Der Arbeitgeber kann also eine Auskunft vom Arbeitnehmer über die Hintergründe verlangen. Verweigert er diese, kann von einem Verschulden ausgegangen werden. Das Risiko der Aufklärbarkeit trägt jedoch der Arbeitgeber.
Krankheit ist nicht gleich Krankheit! Das Urteil des OLG Frankfurt erging im Zusammenhang mit einer Werbung für einen „Anti Hangover Drink“. Das Gericht stellte fest, dass es sich um eine krankheitsbezogene Werbung für ein Nahrungsergänzungsmittel handelte, was nach Art. 7 Abs. 3 LMIV unzulässig ist. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit dürfte hingegen bei einem Kater an sich nur selten bestehen. Der Arbeitnehmer riskiert sogar eine Abmahnung.
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