Der alkoholbedingte Kater als Krankheit?

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Am 12. Sep­tem­ber 2019 hat das OLG Frank­furt (Az.: 6 U 114/18) ent­schie­den, dass ein Kater nach inten­si­vem Alko­hol­ge­nuss eine Krank­heit dar­stellt. Ange­sichts des der­zeit statt­fin­den­den Okto­ber­fests erscheint die­se Nach­richt hoch aktu­ell, wenn­gleich wenig über­ra­schend: jeder, der schon mal einen Kater hat­te, wird bestä­ti­gen, dass Kopf­schmerz, Übel­keit und Abge­schla­gen­heit je nach Schwerg­rad durch­aus „Krank­heits­wert“ errei­chen kön­nen. Jeden­falls han­delt es sich dabei um einen „regel­wid­ri­gen Kör­per- oder Geis­tes­zu­stand“, so die juris­ti­sche Defi­ni­ti­on für die gesetz­li­che Kran­ken­ver­si­che­rung.

Soll­te der ein oder ande­re Arbeit­neh­mer jedoch glau­ben, mit dem Urteil sei amt­lich fest­ge­stellt, dass er (oder sie) sich bei einem Kater ohne schlech­tes Gewis­sen „krank mel­den“ kön­ne, so ist dies nur die hal­be Wahr­heit:

Grundsatz: Wer nicht arbeiten kann, muss nicht arbeiten

Zwar trifft es zu, dass ein arbeits­un­fä­hi­ger Arbeit­neh­mer von der Arbeits­pflicht befreit ist. Wer nicht arbei­ten kann, muss dies auch nicht. Selbst wenn die Leis­tung nicht „unmög­lich“ im Rechts­sin­ne gewor­den sein soll­te, so stün­den einer Arbeits­leis­tung in aller Regel wohl arbeits­schutz­recht­li­che Aspek­te und die all­ge­mei­ne Für­sor­ge­pflicht des Arbeit­ge­bers ent­ge­gen.

Gehaltsfortzahlung in jedem Fall?

Eine ande­re Fra­ge ist jedoch die nach der Gehalts­fort­zah­lung. Denn nach § 3 Abs. 1 EFZG wird das Arbeits­ent­gelt nur bei unver­schul­de­ter (!) Arbeits­un­fä­hig­keit wei­ter­be­zahlt. Und von einer sol­chen kann bei einem Kater wohl eher kei­ne Rede sein. Nach aktu­el­ler Recht­spre­chung des BAG ist zwar z.B. eine Alko­hol­krank­heit in der Regel nicht als ver­schul­det anzu­se­hen. Der Arbeit­ge­ber muss in einem sol­chen Fall dar­le­gen und bewei­sen, dass im kon­kre­ten Ein­zel­fall – z.B. wegen eines Rück­falls – dem Arbeit­neh­mer doch ein „Ver­schul­den gegen sich selbst“ vor­zu­wer­fen ist (BAG, Urteil vom 18. März 2015 – 10 AZR 99/14).

Keine Gehaltsfortzahlung bei alkoholbedingtem Kater!

Bei einem Kater – ohne Alko­hol­ab­hän­gig­keit – dürf­te hin­ge­gen nach der all­ge­mei­nen Lebens­er­fah­rung viel für ein sol­ches Ver­schul­den des Arbeit­neh­mers spre­chen, denn schließ­lich gibt sich der Betrof­fe­ne in aller Regel frei­wil­lig und bewusst dem Trink­ge­nuss hin. Der Arbeit­neh­mer wird sich also nur in Aus­nah­me­fäl­len ent­las­ten kön­nen. Denk­bar wäre hier etwa eine gewis­se Uner­fah­ren­heit im Zusam­men­hang mit Alko­hol­ge­nuss. Ob er (oder sie) sich mit Erfolg auf einen Grup­pen­zwang oder – z.B. im Fall des Okto­ber­fests – gar ein sozi­al adäqua­tes Ver­hal­ten beru­fen kann, erscheint doch zwei­fel­haft.

In der Pra­xis wird der Arbeit­ge­ber aller­dings sel­ten erfah­ren, wel­che „Krank­heit“ hin­ter einer Krank­mel­dung steckt. Die Recht­spre­chung legt dem Arbeit­neh­mer des­halb eine Mit­wir­kungs­pflicht bei der Auf­klä­rung der Ursa­chen der „Erkran­kung“ auf (BAG, Urteil vom 7. August 1991 – 5 AZR 410/90 im Fall einer Alko­hol­ab­hän­gig­keit). Der Arbeit­ge­ber kann also eine Aus­kunft vom Arbeit­neh­mer über die Hin­ter­grün­de ver­lan­gen. Ver­wei­gert er die­se, kann von einem Ver­schul­den aus­ge­gan­gen wer­den. Das Risi­ko der Auf­klär­bar­keit trägt jedoch der Arbeit­ge­ber.

Fazit

Krank­heit ist nicht gleich Krank­heit! Das Urteil des OLG Frank­furt erging im Zusam­men­hang mit einer Wer­bung für einen „Anti Han­go­ver Drink“. Das Gericht stell­te fest, dass es sich um eine krank­heits­be­zo­ge­ne Wer­bung für ein Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel han­del­te, was nach Art. 7 Abs. 3 LMIV unzu­läs­sig ist. Ein Anspruch auf Ent­gelt­fort­zah­lung wegen Arbeits­un­fä­hig­keit dürf­te hin­ge­gen bei einem Kater an sich nur sel­ten bestehen. Der Arbeit­neh­mer ris­kiert sogar eine Abmah­nung.

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Über den autor

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Mann bewirbt sich auf Job für „Sekretärin“: Entschädigung wegen Diskriminierung?

Die Sekretärin, der Mechaniker – alte Stereotype in Stellenanzeigen können Unternehmen teuer zu stehen kommen. Sogenannte AGG-Hopper versuchen, Fehler auszunutzen und auf Entschädigung zu klagen. Das klappt nicht immer, doch die Fälle lehren viel darüber, worauf Arbeitgeber achten sollten, wenn sie eine Stelle ausschreiben. In letzter Zeit kommt es vermehrt zu Streitigkeiten aufgrund angeblicher Diskriminierung im Bewerbungsverfahren. Es gibt eine...

Bundesarbeitsgericht bestätigt: Arbeitgeber muss 100% Bonus für verspätete Zielvorgabe zahlen

Bonusziele sollen Mitarbeiter motivieren, die Unternehmensziele zu erreichen. Das setzt aber voraus, dass der Mitarbeiter seine Ziele auch kennt – und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem er sie auch realistischerweise noch erfüllen kann, urteilt nun auch das BAG. Frühe Zielvorgaben sind für Arbeitgeber spätestens ab jetzt ein Muss.   Bereits im Oktober hatten wir über das stets aktuelle Thema...