Coronavirus — können Arbeitnehmer Dienstreisen verweigern?

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Auf­grund der starken und schnellen Ver­bre­itung des Coro­n­avirus stellen sich nun viele Arbeit­nehmer die Frage, ob sie eine Dien­streise in Gebi­ete ver­weigern dür­fen, die beson­ders gefährdet sind. Zu denken ist dabei derzeit an Nordi­tal­ien (Lom­bardei) oder die chi­ne­sis­che Stadt Wuhan und ihre Umge­bung Hubei.

Generelle Pflicht zu Dienstreisen?

Zunächst regelt der Arbeitsver­trag, ob der Arbeit­nehmer über­haupt zu Dien­streisen verpflichtet ist. Nur dann, wenn Dien­streisen und die Arbeit­sleis­tung im Aus­land zum Auf­gabenge­bi­et des Arbeit­nehmers gehören, umfasst das Weisungsrecht des Arbeit­ge­bers auch eine Entsendung des Arbeit­nehmers ins Aus­land. Allerd­ings kann der Arbeit­ge­ber auch ohne arbeitsver­tragliche Regelung im Einzelfall einen konkreten Aus­land­sein­satz mit dem Mitar­beit­er ein­vernehm­lich vere­in­baren.

Weisungsrecht des Arbeitgebers nur im Rahmen des Ermessens

Für den Fall, dass der Arbeitsver­trag auch Dien­streisen vor­sieht, kön­nen Arbeit­ge­ber ihre Mitar­beit­er zu Dien­streisen entsenden. Das dür­fen sie aber nicht willkür­lich tun. Denn in § 106 Gewer­be­ord­nung (GewO) ist geregelt, dass der Arbeit­ge­ber sein Weisungsrecht nur nach „bil­ligem Ermessen“ ausüben darf. Im Rah­men des bil­li­gen Ermessens muss der Arbeit­ge­ber die Inter­essen des Arbeit­nehmers ein­er­seits und die betrieblichen Inter­essen ander­er­seits gegeneinan­der abwä­gen. Ins­beson­dere ist hier die Für­sorgepflicht des Arbeit­ge­bers zu beacht­en. Über­wiegt das Inter­esse des Arbeit­nehmers, eine Dien­streise zu ver­weigern, muss er keine arbeit­srechtlichen Sank­tio­nen – ins­beson­dere keine Abmah­nung – befürcht­en.

Situation während einer Pandemie

Seine Für­sorgepflicht verpflichtet den Arbeit­ge­ber ins­beson­dere dazu, die Gesund­heit sein­er Mitar­beit­er zu schützen. Dies gilt speziell beim Aus­bruch von Pan­demien wie derzeit dem Coro­n­avirus. Möchte nun ein Arbeit­ge­ber seinen Arbeit­nehmer in ein vom Virus beson­ders betrof­fenes Gebi­et auf Dien­streise schick­en, entspricht diese Anord­nung möglicher­weise nicht mehr dem bil­li­gen Ermessen. Hier kommt es vor allem darauf an, ob das Auswär­tige Amt eine offizielle Reise­war­nung aus­ge­sprochen hat. So beste­ht aktuell für die Region Hubei eine Reise­war­nung des Auswär­ti­gen Amtes. Im Hin­blick auf den Rest Chi­nas rät das auswär­tige Amt lediglich vor Reisen ab, die nicht notwendig sind. Auch von Reisen in bes­timmte Regio­nen in Ital­ien (z. B. Lom­bardei) rät das Auswär­tige Amt derzeit ab.

Ob es nun bere­its für eine Ver­weigerung des Arbeit­nehmers genügt, dass das Auswär­tige Amt von ein­er Reise in eine bes­timmte Region “nur” abrät, ist nur anhand aller Umstände des Einzelfalls beant­worten. Angesichts der schnellen Ver­bre­itung des Coro­n­avirus und der möglichen Mobil­ität­sein­schränkun­gen dürfte hier das Schutz­in­ter­esse des Arbeit­nehmers auch bei bloßem Abrat­en über­wiegen, auch wenn nicht eine konkrete Reise­war­nung aus­ge­sprochen wurde.

Was, wenn sich ein Arbeitnehmer bereits in einem Krisengebiet befindet?

Eine beson­dere Sit­u­a­tion beste­ht im Hin­blick auf Mitar­beit­er, die bere­its in einem gefährde­ten Gebi­et im Auf­trag ihres Arbeit­ge­bers tätig sind. Hier­bei kann die Für­sorgepflicht des Arbeit­ge­bers zu ein­er Rück­hol­ung des Mitar­beit­ers führen. Auch mildere Maß­nah­men, wie die Weisung zu bes­timmten Ver­hal­tenspflicht­en (z. B. Home­of­fice), kön­nen geboten sein.

Fazit

Im Falle ein­er Pan­demie, wie derzeit dem Coro­n­avirus, kön­nen Arbeit­nehmer Dien­streisen in gefährdete Gebi­ete ver­weigern und müssen ins­beson­dere dann keine Kon­se­quen­zen befürcht­en, wenn das Auswär­tige Amt eine Reise­war­nung für das Gebi­et aus­ge­sprochen hat. Umgekehrt trifft den Arbeit­ge­ber unter Umstän­den sog­ar die Pflicht, bere­its im Krisen­ge­bi­et tätige Mitar­beit­er zurück­zu­holen oder zumin­d­est Maß­nah­men zu deren Schutz zu tre­f­fen.

Beitrags­fo­to: Abso­lutVi­sion

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