Crowdworker können doch Arbeitnehmer sein!

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Online-Plat­tfor­men, über die soge­nan­nte Mikro­jobs vergeben wer­den, haben eine neue, meist prekäre Form von Erwerb­stäti­gen her­vorge­bracht: den dig­i­tal­en Tagelöh­n­er, genan­nt Crowd­work­er.

Wie funktioniert Crowdworking?

Crowd­work­er arbeit­en einzelne Arbeit­saufträge ab, die ihnen über eine Plat­tform, oft eine App, ange­boten wer­den. Eine Pflicht zum Tätig­w­er­den beste­ht nicht. For­mal sind sie selb­ständi­ge Auf­trag­nehmer oder Free­lancer.

Was sagen die Gerichte zum Crowdworking?

Die Instanzgerichte hat­ten Crowd­work­ern bis­lang arbeit­srechtlichen Schutz regelmäßig ver­sagt. Sie seien wed­er weisungsab­hängig tätig noch in die betriebliche Organ­i­sa­tion des Auf­tragge­bers einge­bun­den, mithin keine Arbeit­nehmer.

Nun hat­te ein Crowd­work­er erst­mals vor dem BAG (Urteil vom 1. Dezem­ber 2020 – 9 AZR 102/20) Erfolg: Seine Tätigkeit wurde als Arbeitsver­hält­nis anerkan­nt.

Seine Auf­gaben bestanden darin, Pro­duk­t­präsen­ta­tio­nen in Geschäften und Tankstellen zu fotografieren und Fra­gen zu Wer­bung zu beant­worten. Nahm er einen Auf­trag an, musste dieser bin­nen zwei Stun­den nach präzisen Vor­gaben erledigt wer­den. Je mehr Aufträge er abar­beit­ete, desto mehr Aufträge in seinem Gebi­et wur­den ihm ange­boten, so dass er effek­tiv­er auf sein­er Route arbeit­en kon­nte. Grund­lage war eine soge­nan­nte „Basis-Vere­in­barung“, die aber kein bes­timmtes Auf­tragsvol­u­men vor­sah. Er hat­te zulet­zt in einem Zeitraum von elf Monat­en 2978 Aufträge aus­ge­führt und bei ein­er 20-Stun­den-Woche ca. Euro 1.750,- erzielt.

Der Auf­tragge­ber been­dete die Zusam­me­nar­beit nach Unstim­migkeit­en bei einem der Aufträge. Der Mann klagte auf Nachzahlung von Arbeit­sent­gelt. Nach­dem die Auf­tragge­berin vor­sor­glich auch gekündigt hat­te, erhob er außer­dem Kündi­gungss­chutzk­lage.

Das BAG war der Auf­fas­sung, dass zwis­chen den Parteien ein Arbeitsver­hält­nis bestanden hat­te. Die Gesamtwürdi­gung aller Umstände des Fall­es hat ergeben, dass der Kläger „in arbeit­nehmer­typ­is­ch­er Weise weisungs­ge­bun­dene und fremdbes­timmte Arbeit in per­sön­lich­er Abhängigkeit“ ver­richtet hat­te. Auch wenn er nicht verpflichtet war, einen einzel­nen Auf­trag anzunehmen, so hat­te die Beklagte doch ein Anreizsys­tem geschaf­fen, mit dem der Kläger ver­an­lasst wurde, kon­tinuier­lich Aufträge anzunehmen. Let­ztlich kon­nte der Kläger jedoch nur einen Teil­er­folg errin­gen, denn die Kündi­gung wurde vom BAG als wirk­sam erachtet. Darüber, ob und in welch­er Höhe er eine zusät­zliche Vergü­tung erhält, muss erst das zuständi­ge Lan­desar­beits­gericht erneut entschei­den.

Fazit

Crowd­work­er kön­nen Arbeit­nehmer sein, sind dies aber nicht zwin­gend. Maßge­blich ist, ob nach den Gesam­tum­stän­den des konkreten Einzelfall­es von ein­er weisungs­ge­bun­de­nen, fremdbes­timmten Tätigkeit in per­sön­lich­er Abhängigkeit (§ 611a BGB) aus­ge­gan­gen wer­den kann. Maßge­blich ist die tat­säch­liche Durch­führung, auf for­male Beze­ich­nun­gen kommt es nicht an.

Wenn ein ver­meintlich­er Auf­tragge­ber juris­tisch als Arbeit­ge­ber anzuse­hen ist, kann ihn dies teuer zu ste­hen kom­men: er muss nachträglich Sozialver­sicherungs­beiträge und hohe Säum­niszuschläge abführen und haftet für nicht abge­führte Lohn­s­teuer. Daneben ste­hen Bußgelder (§ 8 Abs. 3 SchwAr­bG) und sog­ar strafrechtliche Risiken (§ 266a StGB) im Raum.

Unternehmen, die mit Crowd­work­ern zusam­me­nar­beit­en, sind deshalb gut berat­en, dieses Mod­el auf rechtliche Halt­barkeit zu über­prüfen.

Unab­hängig davon beschäftigt sich das BMAS aktuell mit ein­er Neuregelung des sozialver­sicherungs- und arbeit­srechtlichen Schutzes von Solo-Selb­st­ständi­gen der sog. Gig Econ­o­my. Bei ein­er geset­zlichen Umset­zung kön­nte somit kün­ftig die Anwen­dung von ein­schlägi­gen Schutzvorschriften nicht mehr von ein­er Einzelfall­prü­fung abhängig sein, son­dern zum Regelfall wer­den.

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