Nach dem arbeitgeberfreundlichen BAG-Urteil: So leicht können Unternehmen jetzt Mitarbeitende ins Ausland versetzen

© Prostock-studio/stock.adobe.com
BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Ein aktuelles BAG-Urteil erlaubt Arbeit­ge­bern, ihre Mitar­beit­er an einem Arbeit­sort des Unternehmens im Aus­land einzuset­zen. Was das arbeit­ge­ber­fre­undliche Urteil bedeutet und wie Unternehmen ihre Arbeitsverträge gestal­ten soll­ten. 

Mit Urteil vom 30. Novem­ber 2022 (Az. 5 AZR 336/21) hat das Bun­de­sar­beits­gericht (BAG) bestätigt, dass Arbeit­ge­ber auf­grund ihres arbeitsver­traglichen Direk­tion­srechts das Recht haben kön­nen, Mitar­beit­er an einem Stan­dort des Unternehmens im Aus­land arbeit­en zu lassen, wenn im Arbeitsver­trag nicht aus­drück­lich oder den Umstän­den nach nur Arbeit­sorte in der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land vere­in­bart sind

Ein deutsch­er Ryanair-Pilot ver­lor damit vor dem BAG: Er kann sich nicht dage­gen wehren, dass die Fluglin­ie mit Sitz in Irland ihn vom Stan­dort Nürn­berg nach Bologna ver­set­zt hat­te. Doch das Urteil aus Erfurt hat Auswirkun­gen weit über die Flug­branche hin­aus. Es wirkt sich auf zahlre­iche Arbeitsver­hält­nisse aus und weit­et das Ver­ständ­nis des Direk­tion­srechts von Arbeit­ge­bern erhe­blich aus.

BAG: Arbeitgeber dürfen Mitarbeitende auch an ausländische Standorte versetzen

Das Direk­tion­srecht meint das Recht von Arbeit­ge­bern, die Arbeit und die Arbeits­be­din­gun­gen der Arbeit­nehmer zu bes­tim­men (§ 106 GewO). Es bein­hal­tet auch das Recht, Mitar­bei­t­ende an einem anderen Arbeit­sort, genauer einem anderen Stan­dort des Unternehmens arbeit­en zu lassen. Bish­er wars in der Recht­sprechung aber noch nicht gek­lärt, ob dieses Recht auch für Arbeit­sorte im Aus­land gilt.

Mit seinem Urteil aus Novem­ber hat das BAG nun bestätigt, dass das Direk­tion­srecht auch Ver­set­zun­gen an aus­ländis­che Arbeit­sorte ermöglicht, wenn nicht etwas anderes im Arbeitsver­trag aus­drück­lich oder zumin­d­est den Umstän­den nach kon­klu­dent verabre­det wor­den ist. Das BAG begrün­det das damit, dass das Gesetz keine Begren­zung auf Arbeit­sorte in der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land enthalte. Allerd­ings unter­liegt die Ausübung des Weisungsrechts im Einzelfall ein­er Bil­ligkeit­skon­trolle.

Aus Sicht von Unternehmen ist diese Entschei­dung sehr erfreulich. Sie ermöglicht es Arbeit­ge­bern, ihren Mitar­bei­t­en­den weltweit Arbeit­splätze zuzuweisen. Bei der Umset­zung ihrer Geschäftsstrate­gien kön­nen sie so schnell und effek­tiv Ressourcen dort ein­set­zen, wo sie ger­ade am meis­ten benötigt wer­den und damit flex­i­bel auf Markt- und Kun­denbedürfnisse zu reagieren.

Eine Ver­set­zung an einen aus­ländis­chen Arbeit­sort kann Arbeit­ge­bern auch dabei helfen, Kosten einzus­paren. Zum Beispiel kön­nen sie lokale Arbeit­skräfte mit niedrigeren Lohnkosten ein­set­zen, um bes­timmte Auf­gaben zu erledi­gen. Auch von Steuer­vorteilen und anderen finanziellen Anreizen, die sich am aus­ländis­chen Stan­dort bieten, kön­nen Unternehmen prof­i­tieren.

Achtung: Nicht jede Auslandsversetzung ist zulässig

Allerd­ings bedeutet die neue Recht­sprechung aus Erfurt nicht, dass eine Ver­set­zung von Mitar­bei­t­en­den ins Aus­land uneingeschränkt möglich ist. Es gilt – wie auch bei ein­er Ver­set­zung inner­halb Deutsch­lands –, dass diese bil­ligem Ermessen entsprechen muss. Daran kön­nen Ver­set­zun­gen oder ggf. auch Änderungskündi­gun­gen weit­er­hin scheit­ern.

Das BAG weist allerd­ings darauf hin, dass diese Bil­ligkeit­skon­trolle nicht sehr weit geht: Wenn die Ver­set­zung ins Aus­land auf ein­er unternehmerischen Entschei­dung beruht – was in aller Regel ja der Fall ist -, komme dieser Entschei­dung „beson­deres Gewicht zu“. Heißt: Das Gericht prüft nicht, ob das unternehmerische Konzept, auf dem die Ver­set­zung der Mitar­bei­t­en­den ins Aus­land beruht, sin­nvoll ist oder nicht.

Wann Unternehmen jetzt Mitarbeitende ins Ausland versetzen dürfen

Eine größere Rolle spie­len die Regelun­gen, die im Ver­hält­nis zu den Mitar­bei­t­en­den gel­ten, die möglicher­weise sin­nvoll im Aus­land einge­set­zt wer­den kön­nten. Die Zuweisung eines Arbeit­splatzes im Aus­land ist laut dem BAG immer dann, aber eben auch nur dann möglich, „wenn die möglichen Arbeit­sorte nicht auf das Inland begren­zt sind“ – wed­er im Arbeitsver­trag noch in ein­er Betrieb­svere­in­barung, einem Tar­ifver­trag oder im Gesetz darf also geregelt sein, dass der oder die Mitar­bei­t­ende nur im Inland einge­set­zt wer­den darf.

Kon­klu­dent dürften Ver­set­zun­gen schon dann auf das Inland beschränkt sein, wenn der Arbeit­ge­ber auss­chließlich im Inland oder sog­ar nur an einem bes­timmten Ort tätig ist. Dann muss der Arbeit­nehmer nicht damit rech­nen, dass er an einem anderen Ort, ggf. im Aus­land, einge­set­zt wird. Etwas anderes gilt natür­lich bei inter­na­tion­al täti­gen Konz­er­nen.

Wenn sich der Arbeit­ge­ber die Möglichkeit von Ver­set­zun­gen ins Aus­land offen­lassen will, sollte er zumin­d­est darauf acht­en wer­den, dass Arbeitsverträge, Betrieb­svere­in­barun­gen oder Tar­ifverträge keine Regelun­gen enthal­ten, die den Arbeit­sort auf einen bes­timmten Ort oder auch nur auf das Inland beschränken. Alle Vere­in­barun­gen soll­ten ggf. daraufhin geprüft und für die Zukun­ft angepasst wer­den.

Wenn Unternehmen sich­er­stellen möcht­en, dass eine Ver­set­zung auch ins Aus­land möglich ist, soll­ten sie das aus­drück­lich in den entsprechen­den Ver­trag aufnehmen. Dann weiß auch der Arbeit­nehmer, worauf er sich ein­lässt und ein fair­er Umgang miteinan­der ist von Anfang an gesichert.

 

Dr. Chris­t­ian Oster­maier ist Part­ner bei SNP Schlaw­ien Part­ner­schaft mbB. Er berät Unternehmen aller Größen, meist mit­tel­ständis­che Unternehmen, sowie deren Gesellschafter in allen Fra­gen des Gesellschaft­srechts, ins­beson­dere auch bei Unternehmen­stransak­tio­nen, und des Arbeit­srechts, hier u.a. zu betrieb­sver­fas­sungsrechtlichen Fra­gen, wie dem Abschluss von Betrieb­svere­in­barun­gen. Daneben berät Dr. Oster­maier lei­t­ende Angestellte, Geschäfts­führer und Vorstände. Er ver­fügt über umfan­gre­iche Erfahrung in den Bere­ichen Biotech­nolo­gie, Soft­ware, Han­del und Ver­sicherun­gen.
https://de.linkedin.com/in/ostermaier-christian-898a3027

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Über den autor

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Falscher Firmenstempel bei Kündigungen: Warum formale Fehler für Arbeitgeber kein Risiko sind.

Ein falscher Firmenstempel auf einer Kündigung – und trotzdem wirksam? Das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl zeigt, dass formale Fehler wie der falsche Stempel nicht automatisch zur Unwirksamkeit führen. Aber warum spielt der Stempel eine untergeordnete Rolle und worauf kommt es wirklich an?   Das Arbeitsgericht Suhl hat in einem Urteil vom 14. August 2024 , Az.:  6 Ca 96/24 deutlich...

Arbeitgeber aufgepasst: Verspätete Zielvorgaben können teuer werden

Wenn die Zielvorgaben für Arbeitnehmer zu spät kommen, können diese ihre Ziele nicht mehr erfüllen – und damit auch den vereinbarten Bonus nicht bekommen. Gleich mehrere Gerichte haben Unternehmen, die Zielvorgaben zu spät im Geschäftsjahr machten, verurteilt: Sie müssen Schadensersatz zahlen, als hätte der Mitarbeiter die Ziele zu 100% erfüllt.     Wer die Ziele des Unternehmens nicht nur verfolgt, sondern...