Kündigung wegen Hetze per WhatsApp? Private Arbeits-Chatgruppen sind nicht immer privat

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Arbeitsrecht | 14. September 2023
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Mit einem aktu­el­len Urteil defi­niert das Bun­des­ar­beits­ge­richt die Ver­trau­lich­keit in Arbeits-Chat­grup­pen neu. Für Arbeit­neh­mer ist jetzt Vor­sicht ange­sagt, Arbeit­ge­ber kön­nen bei dras­ti­schen Äuße­run­gen leich­ter abmah­nen oder sogar kün­di­gen, erklärt Dr. Chris­ti­an Oster­mai­er.

 

Am 24. August 2023 (Az. 2 AZR 17/23) hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ent­schie­den, dass ein Arbeit­neh­mer, der sich in einer pri­va­ten Chat­grup­pe in belei­di­gen­der, ras­sis­ti­scher, sexis­ti­scher und gewalt­ver­herr­li­chen­der Wei­se über Vor­ge­setz­te und Kol­le­gen äußert, sich nicht ohne Wei­te­res dar­auf beru­fen kann, dass die Chat­ver­läu­fe ver­trau­lich sei­en. Das Gericht hob damit die Urtei­le der Vor­in­stan­zen auf und ver­wies den Fall an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück.

 

Private Chatgruppe mit Ex-Kollegen und Freunden

Es ging um einen Arbeit­neh­mer, der seit Jah­ren Mit­glied einer pri­va­ten Chat­grup­pe war, die aus sie­ben Mit­glie­dern bestand, dar­un­ter ehe­ma­li­ge Kol­le­gen und lang­jäh­ri­ge Freun­de. Die Mit­glie­der tausch­ten sich über per­sön­li­che The­men aus, doch es kam auch vor, dass belei­di­gen­de und men­schen­ver­ach­ten­de Nach­rich­ten über Kol­le­gen und Vor­ge­setz­te ver­sen­det wur­den.  Als die Arbeit­ge­be­rin von die­sen Äuße­run­gen erfuhr, kün­dig­te sie das Arbeits­ver­hält­nis des Klä­gers außer­or­dent­lich frist­los. Der Arbeit­neh­mer klag­te gegen die Kün­di­gung.

Die Vor­in­stanz hat­te ihm noch Recht gege­ben. Der Arbeit­neh­mer habe in die­ser Umge­bung berech­tig­ter­wei­se von Ver­trau­lich­keit aus­ge­hen dür­fen. Sein Inter­es­se an der Ver­trau­lich­keit im pri­va­ten Bereich über­wie­ge auch das Inter­es­se der dif­fa­mier­ten Kol­le­gen, so das Lan­des­ar­beits­ge­richt.

 

Das Urteil des BAG: Vertraulichkeitserwartung muss begründet sein

Das BAG kam jedoch zu einer gegen­tei­li­gen Ent­schei­dung und bestä­tig­te die Auf­fas­sung der Arbeit­ge­be­rin. Eine Ver­trau­lich­keits­er­war­tung kön­ne in sol­chen Fäl­len nicht pau­schal ange­nom­men wer­den. Viel­mehr hän­ge sie von ver­schie­de­nen Fak­to­ren ab, dar­un­ter dem Inhalt der Nach­rich­ten, der Grö­ße und Zusam­men­set­zung der Chat­grup­pe sowie der Nut­zung des Medi­ums.

Deutsch­lands obers­te Arbeits­rich­ter beto­nen, dass in Fäl­len wie die­sem, in denen belei­di­gen­de und men­schen­ver­ach­ten­de Äuße­run­gen über Arbeits­kol­le­gen geteilt wur­den, eine beson­de­re Begrün­dung erfor­der­lich wäre, war­um der Arbeit­neh­mer erwar­ten konn­te, dass die Nach­rich­ten nicht an Drit­te wei­ter­ge­ge­ben wür­den.

 

Konsequenzen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Die­se Ent­schei­dung stärkt die Posi­ti­on der Arbeit­ge­ber in Fäl­len von belei­di­gen­den Äuße­run­gen in Chat­grup­pen. Unter­neh­men kön­nen damit effek­tiv gegen sol­ches Ver­hal­ten vor­ge­hen, ins­be­son­de­re wenn die Äuße­run­gen schwer­wie­gend sind.

Im Ver­gleich zu frü­he­ren Urtei­len, die stär­ker die Ver­trau­lich­keit der Kom­mu­ni­ka­ti­on beton­ten, steht nun der Inhalt der Äuße­run­gen im Mit­tel­punkt. Arbeit­ge­ber kön­nen daher leich­ter argu­men­tie­ren, dass die Arbeit­neh­mer in sol­chen Fäl­len kei­ne Ver­trau­lich­keit erwar­tet könn­ten, und Maß­nah­men wie Abmah­nun­gen oder Kün­di­gun­gen ergrei­fen.

Die Ent­schei­dung ver­la­gert das Risi­ko von Äuße­run­gen stär­ker auf die Arbeit­neh­mer. Bei schwer­wie­gen­den Äuße­run­gen müs­sen nun sie nach­wei­sen, war­um sie trotz­dem auf Ver­trau­lich­keit hät­ten ver­trau­en kön­nen.

Ins­ge­samt bedeu­tet die­ses Urteil eine wich­ti­ge Klar­stel­lung der Rechts­la­ge in Bezug auf die Ver­trau­lich­keit von Chat­grup­pen am Arbeits­platz. Und es unter­streicht die Not­wen­dig­keit, sol­che Grup­pen mit Bedacht zu nut­zen, um arbeits­recht­li­che und gege­be­nen­falls sons­ti­ge Kon­se­quen­zen zu ver­mei­den.

 

Dr. Chris­ti­an Oster­mai­er ist Part­ner bei SNP Schla­wi­en Part­ner­schaft mbB. Er berät Unter­neh­men aller Grö­ßen, meist mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men, sowie deren Gesell­schaf­ter in allen Fra­gen des Gesell­schafts­rechts, ins­be­son­de­re auch bei Unter­neh­mens­trans­ak­tio­nen, und des Arbeits­rechts, hier u.a. zu betriebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Fra­gen, wie dem Abschluss von Betriebs­ver­ein­ba­run­gen. Dane­ben berät Dr. Oster­mai­er lei­ten­de Ange­stell­te, Geschäfts­füh­rer und Vor­stän­de. Er ver­fügt über umfang­rei­che Erfah­rung in den Berei­chen Bio­tech­no­lo­gie, Soft­ware, Han­del und Ver­si­che­run­gen.

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