Auch Justitia braucht ihren Schlaf

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Dass eine Gerichtsver­hand­lung manch­mal selb­st für die Richter­schaft ein­schläfer­nd sein kann, zeigen die immer wieder veröf­fentlicht­en weltweit­en Berichter­stat­tun­gen von Gericht­sprozessen. So sollen im Jahr 2008 zwei mut­maßliche Dro­gen­händler in Aus­tralien vor­erst ein­er Haft­strafe vorüberge­hend ent­gan­gen sein, weil der zuständi­ge Richter im Prozess immer wieder ein­schlief und laut schnar­chte. Aus Großbri­tan­nien wurde im Jahr 2014 ein Fall bekan­nt, dass ein Schöffe eines Arbeits­gerichts während ein­er Ver­hand­lung des Öftern die Augen geschlossen hat­te. Es wurde deshalb ver­mutet, dass er für 15 bis 20 Sekun­den eingeschlafen sein soll. Das Beru­fungs­gericht hat jedoch einen Ver­fahrens­fehler abgelehnt, weil sich her­aus­gestellt hat­te, dass der Schöffe nicht unacht­sam war, son­dern die Augen auf­grund eines medi­zinis­chen Lei­dens geschlossen hat­te.

Auch in Deutsch­land hat­ten die Beschw­erdegerichte schon häu­fig die Frage zu klären, ob ein Richter eingeschlafen ist und das Urteil deshalb aufzuheben ist, weil das Gericht nicht ord­nungs­gemäß beset­zt war. Beson­ders häu­fig hat­te diese Frage der Bun­des­fi­nanzhof (BFH) zu klären. Nach Ansicht des BFH (zulet­zt im Jahr 2011) reiche es jedoch nicht aus, dass ein Richter während der mündlichen Ver­hand­lung immer wieder die Augen geschlossen habe. Es sei vielmehr ein „sicheres Anze­ichen“ wie Schnar­chen oder Herun­ter­fall­en des Kopfes erforder­lich, denn ein Richter kann auch mit (vorüberge­hend) geschlosse­nen Augen und geneigtem Kopf der mündlichen Ver­hand­lung fol­gen. Aber selb­st Anze­ichen für einen Sekun­den­schlaf lassen nach dem BFH noch nicht darauf schließen, dass die geistige Auf­nahme des Gerichts des wesentlichen Inhalts der mündlichen Ver­hand­lung beein­trächtigt sei. So sah es auch schon das Bun­desver­wal­tungs­gericht im Jahr 2001 in einem ähn­lichen Fall. Im Jahr 2007 hinge­gen hat­te das Bun­desver­wal­tungs­gericht ein Urteil des Ver­wal­tungs­gerichts Berlin aufge­hoben, weil ein Schöffe nach­weis­lich kon­tinuier­lich wiederkehrende und mehr als nur wenige Sekun­den währende Zeiträume geistig abwe­send war.

Da sich selb­st Richter nicht immer gegen über­mächtig wer­dende Müdigkeit wehren kön­nen, ver­wun­dert es nicht, dass von den Arbeits­gericht­en bei schlafend­en Arbeit­nehmern während der Arbeit­szeit ein Auge zu gedrückt wird. So kon­nte vor dem Lan­desar­beits­gericht Hamm der ein­ma­lige Schlaf eines Arbeit­nehmers auf der Betrieb­stoi­lette keine Kündi­gung recht­fer­tigten. In einem anderen Fall hielte das Lan­desar­beits­gericht Baden-Würt­tem­berg eine Kündi­gung nicht für gerecht­fer­tigt, wenn ein Arbeit­nehmer eine Vier­tel­stunde sein­er Arbeit­szeit mit geschlosse­nen Augen auf dem zurück geklappten Fahrersitzes des LKWs seines Arbeit­ge­bers ver­bringt.

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Über den autor

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Falscher Firmenstempel bei Kündigungen: Warum formale Fehler für Arbeitgeber kein Risiko sind.

Ein falscher Firmenstempel auf einer Kündigung – und trotzdem wirksam? Das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl zeigt, dass formale Fehler wie der falsche Stempel nicht automatisch zur Unwirksamkeit führen. Aber warum spielt der Stempel eine untergeordnete Rolle und worauf kommt es wirklich an?   Das Arbeitsgericht Suhl hat in einem Urteil vom 14. August 2024 , Az.:  6 Ca 96/24 deutlich...

Arbeitgeber aufgepasst: Verspätete Zielvorgaben können teuer werden

Wenn die Zielvorgaben für Arbeitnehmer zu spät kommen, können diese ihre Ziele nicht mehr erfüllen – und damit auch den vereinbarten Bonus nicht bekommen. Gleich mehrere Gerichte haben Unternehmen, die Zielvorgaben zu spät im Geschäftsjahr machten, verurteilt: Sie müssen Schadensersatz zahlen, als hätte der Mitarbeiter die Ziele zu 100% erfüllt.     Wer die Ziele des Unternehmens nicht nur verfolgt, sondern...