Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung kommt: Das plant die Bundesregierung für Unternehmen

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End­lich liegt der Refe­ren­ten­ent­wurf aus dem BMAS vor. Er regelt fast nur das, was die Gerich­te bis­her vor­ge­ge­ben haben und lässt aktu­ell wenig Spiel­raum für Unter­neh­men. Wer jetzt was wie erfas­sen soll, was aus der Ver­trau­ens­ar­beits­zeit wird, wel­che Aus­nah­men es noch geben und wann es los­ge­hen könn­te, erklärt Dr. Chris­ti­an Oster­mai­er. 

Am 18. April 2023 hat das Bun­des­ar­beits­mi­nis­te­ri­um für Arbeit und Sozia­les den lan­ge erwar­te­ten Refe­ren­ten­ent­wurf zur Arbeits­zeit­er­fas­sung vor­ge­legt. Es will damit die Vor­ga­ben des Euro­päi­schen Gerichts­hofs (EuGH) und des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) zur Arbeits­zeit­er­fas­sung umset­zen.

Auf eine Mini­mal­ver­si­on der Umset­zung die­ser Vor­ga­ben des BAG im Beschluss vom 13. Sep­tem­ber 2022 (Az. 1 ABR 22/21) und zuvor bereits des EuGH beschränkt der Ent­wurf sich auch. Das BMAS will Arbeit­ge­ber ver­pflich­ten, Beginn, Ende und Dau­er der täg­li­chen Arbeits­zeit zu erfas­sen. Eine Erfas­sung der Pau­sen ist nicht vor­ge­se­hen.

Erfasst wer­den muss die Arbeits­zeit jeweils am Tag der Arbeits­leis­tung, in deut­scher Spra­che und mit weni­gen Aus­nah­men elek­tro­nisch. Eine nicht­elek­tro­ni­sche Form (also eine Auf­zeich­nung auf Papier wie zum Bei­spiel ein Stun­den­zet­tel) ist nur über­gangs­wei­se für ein Jahr nach Inkraft­tre­ten des Geset­zes zuläs­sig.  Für Arbeit­ge­ber mit weni­ger als 250 Arbeit­neh­mern gilt eine Über­gangs­frist von zwei Jah­ren, für Arbeit­ge­ber mit weni­ger als 50 Arbeit­neh­mern von fünf Jah­ren. Bei Arbeit­ge­bern mit 10 oder weni­ger Arbeit­neh­mern darf die Zeit­auf­zeich­nung eben­so wie bei Haus­an­ge­stell­ten in Pri­vat­haus­hal­ten ohne zeit­li­che Begren­zung in nicht­elek­tro­ni­scher Form auf­ge­zeich­net wer­den.

Der Arbeit­ge­ber darf die Arbeits­zeit­er­fas­sung auch dem Arbeit­neh­mer über­tra­gen oder durch einen Drit­ten vor­neh­men las­sen. Als Drit­ter kom­men hier ins­be­son­de­re Vor­ge­setz­te des Arbeit­neh­mers oder der Ent­lei­her von Leih­ar­beit­neh­mern in Betracht. Ver­ant­wort­lich dafür, dass sie ord­nungs­ge­mäß erfolgt, bleibt er aber auch dann. Nach dem Ent­wurf reicht es außer­dem nicht aus, wenn die Arbeits­zei­ten erfasst wer­den, son­dern der Arbeit­ge­ber muss sie auch kon­trol­lie­ren. Tut er das nicht, muss er ander­wei­tig „durch geeig­ne­te Maß­nah­men sicher­stel­len“, dass er von mög­li­chen Ver­stö­ßen erfährt. Gera­de in grö­ße­ren Betrie­ben wird das nur durch Soft­ware mög­lich sein.

 

Vertrauensarbeitszeit bleibt möglich – in der Theorie

Die Arbeit­neh­mer sol­len nach dem Ent­wurf das Recht haben, auf Ver­lan­gen eine Kopie der Arbeits­zeit­auf­zeich­nun­gen zu erhal­ten.  Mei­nes Erach­tens dürf­te es dafür aus­rei­chen, wenn die Mit­ar­bei­ter z.B. über die Zeit­er­fas­sungs­soft­ware in die Zeit­er­fas­sung Ein­sicht neh­men und die­se erfass­ten Zei­ten ggf. aus­dru­cken kön­nen.

Die geplan­te Pflicht zur Arbeits­zeit­er­fas­sung steht einer „Ver­trau­ens­ar­beits­zeit“ – ein Arbeits­zeit­mo­dell, bei dem die Erle­di­gung der Auf­ga­ben im Vor­der­grund steht und nicht die Anwe­sen­heit des Mit­ar­bei­ters im Betrieb; der Arbeit­neh­mer kann sich dabei die Arbeits­zeit im Rah­men der gesetz­li­chen Vor­schrif­ten selbst ein­tei­len – grund­sätz­lich nicht ent­ge­gen. Aller­dings bleibt von dem gegen­sei­ti­gen Ver­trau­en, auf dem das Modell basiert, wenig übrig, wenn es kon­trol­liert wer­den muss. Für die Mit­ar­bei­ten­den bedeu­tet das dann nur noch, dass sie selbst den Beginn und das Ende der Arbeits­zeit fle­xi­bel fest­le­gen kön­nen.

Die Zeit­auf­zeich­nun­gen müs­sen für zwei Jah­re für eine even­tu­el­le Kon­trol­le auf­be­wahrt wer­den.

Wäh­rend die Gerich­te die Ver­pflich­tung zur Arbeits­zeit­er­fas­sung im Arbeits­schutz ver­or­tet hat­ten, nimmt der Gesetz­ent­wurf sie ins Arbeits­zeit­ge­setz auf. Sie betrifft damit alle Arbeit­neh­mer, für die das Arbeits­zeit­ge­setz gilt, d.h. alle Arbei­ter und Ange­stell­ten sowie die „zur Berufs­bil­dung Beschäf­tig­ten“, also neben den Aus­zu­bil­den­den auch Prak­ti­kan­ten, Volon­tä­re oder auch Stu­den­ten eines dua­len Stu­di­en­gangs. Aus­ge­nom­men sind nur lei­ten­de Ange­stell­te sowie Chef­ärz­te und Lei­ter von öffent­li­chen Dienst­stel­len, deren Ver­tre­ter sowie Arbeit­neh­mer im öffent­li­chen Dienst, die selb­stän­dig in Per­so­nal­an­ge­le­gen­hei­ten ent­schei­den dür­fen. Die Mög­lich­keit, sog. Bereichs­aus­nah­men, die in den ver­gan­ge­nen Mona­ten zum Bei­spiel für die Anwalt­schaft vor­ge­schla­gen wur­den, sieht der Ent­wurf lei­der bis­her nicht vor. Es soll nach jet­zi­gem Stand nicht mög­lich wer­den, ein­zel­ne Berufs­grup­pen, die weit­ge­hend selb­stän­dig arbei­ten und sich ihre Zeit frei ein­tei­len kön­nen, von der Arbeits­zeit­er­fas­sung aus­zu­neh­men.

 

Tarifvertragsparteien können ein paar Dinge anders regeln

Abwei­chend von den gesetz­li­chen Rege­lun­gen kann in einem Tarif­ver­trag oder in einer Betriebs- oder Dienst­ver­ein­ba­rung, die auf einem Tarif­ver­trag beruht, aber ver­ein­bart wer­den, dass die Arbeits­zeit aus­nahms­wei­se nicht auf­ge­zeich­net wer­den muss, wenn die gesam­te Arbeits­zeit wegen der beson­de­ren Merk­ma­le der aus­ge­üb­ten Tätig­keit nicht gemes­sen oder nicht im Vor­aus fest­ge­legt wird oder vom Arbeit­neh­mer selbst fest­ge­legt wer­den kann. Eine sol­che Aus­nah­me könn­te zum Bei­spiel im wis­sen­schaft­li­chen Bereich gel­ten oder für die Ange­hö­ri­gen der frei­en Beru­fe – wenn es denn für sie Tarif­ver­trä­ge gäbe.

Auf die­se Wei­se, durch oder auf­grund eines Tarif­ver­trags, kann auch ver­ein­bart wer­den, dass die Arbeits­zeit in nicht­elek­tro­ni­scher Form oder erst spä­ter als am sel­ben Tag auf­ge­zeich­net wer­den kann.

Ein Ver­stoß gegen die gesetz­li­che Ver­pflich­tung zur Arbeits­zeit­er­fas­sung soll laut dem Ent­wurf mit einem Buß­geld von bis zu Euro 30.000 sank­tio­niert wer­den.

Man kann davon aus­ge­hen, dass das Gesetz zumin­dest im drit­ten Quar­tal 2023 in Kraft tritt. Wer bis­her als Arbeit­ge­ber noch kei­ne Zeit­er­fas­sung im Unter­neh­men hat, ist schon jetzt gut bera­ten, sich dar­auf vor­zu­be­rei­ten, dass die Ände­run­gen in den nächs­ten Mona­ten kom­men wer­den.

 

Dr. Chris­ti­an Oster­mai­er ist Part­ner bei SNP Schla­wi­en Part­ner­schaft mbB. Er berät Unter­neh­men aller Grö­ßen, meist mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men, sowie deren Gesell­schaf­ter in allen Fra­gen des Gesell­schafts­rechts, ins­be­son­de­re auch bei Unter­neh­mens­trans­ak­tio­nen, und des Arbeits­rechts, hier u.a. zu betriebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Fra­gen, wie dem Abschluss von Betriebs­ver­ein­ba­run­gen. https://de.linkedin.com/in/ostermaier-christian-898a3027

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