Auch Justitia braucht ihren Schlaf

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Dass eine Gerichts­ver­hand­lung manch­mal selbst für die Rich­ter­schaft ein­schlä­fernd sein kann, zei­gen die immer wie­der ver­öf­fent­lich­ten welt­wei­ten Bericht­erstat­tun­gen von Gerichts­pro­zes­sen. So sol­len im Jahr 2008 zwei mut­maß­li­che Dro­gen­händ­ler in Aus­tra­li­en vor­erst einer Haft­stra­fe vor­über­ge­hend ent­gan­gen sein, weil der zustän­di­ge Rich­ter im Pro­zess immer wie­der ein­schlief und laut schnarch­te. Aus Groß­bri­tan­ni­en wur­de im Jahr 2014 ein Fall bekannt, dass ein Schöf­fe eines Arbeits­ge­richts wäh­rend einer Ver­hand­lung des Öftern die Augen geschlos­sen hat­te. Es wur­de des­halb ver­mu­tet, dass er für 15 bis 20 Sekun­den ein­ge­schla­fen sein soll. Das Beru­fungs­ge­richt hat jedoch einen Ver­fah­rens­feh­ler abge­lehnt, weil sich her­aus­ge­stellt hat­te, dass der Schöf­fe nicht unacht­sam war, son­dern die Augen auf­grund eines medi­zi­ni­schen Lei­dens geschlos­sen hat­te.

Auch in Deutsch­land hat­ten die Beschwer­de­ge­rich­te schon häu­fig die Fra­ge zu klä­ren, ob ein Rich­ter ein­ge­schla­fen ist und das Urteil des­halb auf­zu­he­ben ist, weil das Gericht nicht ord­nungs­ge­mäß besetzt war. Beson­ders häu­fig hat­te die­se Fra­ge der Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) zu klä­ren. Nach Ansicht des BFH (zuletzt im Jahr 2011) rei­che es jedoch nicht aus, dass ein Rich­ter wäh­rend der münd­li­chen Ver­hand­lung immer wie­der die Augen geschlos­sen habe. Es sei viel­mehr ein „siche­res Anzei­chen“ wie Schnar­chen oder Her­un­ter­fal­len des Kop­fes erfor­der­lich, denn ein Rich­ter kann auch mit (vor­über­ge­hend) geschlos­se­nen Augen und geneig­tem Kopf der münd­li­chen Ver­hand­lung fol­gen. Aber selbst Anzei­chen für einen Sekun­den­schlaf las­sen nach dem BFH noch nicht dar­auf schlie­ßen, dass die geis­ti­ge Auf­nah­me des Gerichts des wesent­li­chen Inhalts der münd­li­chen Ver­hand­lung beein­träch­tigt sei. So sah es auch schon das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt im Jahr 2001 in einem ähn­li­chen Fall. Im Jahr 2007 hin­ge­gen hat­te das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt ein Urteil des Ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin auf­ge­ho­ben, weil ein Schöf­fe nach­weis­lich kon­ti­nu­ier­lich wie­der­keh­ren­de und mehr als nur weni­ge Sekun­den wäh­ren­de Zeit­räu­me geis­tig abwe­send war.

Da sich selbst Rich­ter nicht immer gegen über­mäch­tig wer­den­de Müdig­keit weh­ren kön­nen, ver­wun­dert es nicht, dass von den Arbeits­ge­rich­ten bei schla­fen­den Arbeit­neh­mern wäh­rend der Arbeits­zeit ein Auge zu gedrückt wird. So konn­te vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm der ein­ma­li­ge Schlaf eines Arbeit­neh­mers auf der Betriebs­toi­let­te kei­ne Kün­di­gung recht­fer­tig­ten. In einem ande­ren Fall hiel­te das Lan­des­ar­beits­ge­richt Baden-Würt­tem­berg eine Kün­di­gung nicht für gerecht­fer­tigt, wenn ein Arbeit­neh­mer eine Vier­tel­stun­de sei­ner Arbeits­zeit mit geschlos­se­nen Augen auf dem zurück geklapp­ten Fah­rer­sit­zes des LKWs sei­nes Arbeit­ge­bers ver­bringt.

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