Mehrfache Befristung: Arbeitgeber müssen kein rechtliches Risiko eingehen

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Ein schwer­be­hin­der­ter Bewer­ber, eine befris­te­te Stel­le und recht­li­che Beden­ken: Ein aktu­el­les Urteil des Bun­des­ar­beits­ge­richts ver­deut­licht die Gren­zen von Befris­tun­gen von Arbeits­ver­trä­gen. Arbeit­ge­ber müs­sen eine kom­ple­xe Ent­schei­dung tref­fen und dabei die Rah­men­be­din­gun­gen sorg­fäl­tig prü­fen.

Eine befris­te­te Stel­le kann für Arbeit­ge­ber eine prak­ti­sche Mög­lich­keit sein, auf vor­über­ge­hen­den erhöh­ten Arbeits­an­fall zu reagie­ren. Doch ein aktu­el­ler Fall des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG, Urteil vom 29.02.2024 — 8 AZR 187/23) zeigt ein­mal mehr, dass Arbeit­ge­ber in sol­chen Situa­tio­nen vor einer kom­ple­xen Ent­schei­dung ste­hen.

In dem Fall, über den Deutsch­lands höchs­te Arbeits­rich­ter zu ent­schei­den hat­ten, hat­te ein schwer­be­hin­der­ter Mit­ar­bei­ter mehr als sechs Jah­re lang auf­grund einer Rei­he befris­te­ter Arbeits­ver­trä­ge bei einer baye­ri­schen Uni­ver­si­tät gear­bei­tet. Als er sich für eine wei­te­re Stel­le an der Uni­ver­si­tät bewarb, die eben­falls befris­tet aus­ge­schrie­ben war, ver­wehr­te die Uni­ver­si­tät ihm eine erneu­te befris­te­te Ein­stel­lung: Die Lei­tung befürch­te­te, dass eine wei­te­re Befris­tung recht­lich pro­ble­ma­tisch sein könn­te.

Das BAG bestä­tig­te die­se Ent­schei­dung des öffent­li­chen Arbeit­ge­bers. Die Rich­ter beton­ten, dass öffent­li­che Arbeit­ge­ber nicht dazu ver­pflich­tet sei­en, Bewer­ber ein­zu­stel­len, bei denen eine wei­te­re Befris­tung auf­grund vor­he­ri­ger Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­se mög­li­cher­wei­se rechts­wid­rig wäre. Das Arbeits­ver­hält­nis habe seit dem 1. April 2016 bestan­den und wäre somit ins­ge­samt län­ger als acht Jah­re befris­tet gewe­sen. Bei einer wei­te­ren Befris­tung hät­te ein Gericht, das mit der Sache befasst wor­den wäre, eine umfas­sen­de Kon­trol­le auf insti­tu­tio­nel­len Rechts­miss­brauch durch­ge­führt, was für die Uni­ver­si­tät als Arbeit­ge­ber ein erheb­li­ches Risi­ko dar­ge­stellt hät­te. Die Ent­schei­dung der Uni­ver­si­tät gegen eine wei­te­re befris­te­te Beschäf­ti­gung des Arbeit­neh­mers sei damit, so das BAG, Teil ihrer Orga­ni­sa­ti­ons­frei­heit als Arbeit­ge­be­rin und im Rah­men des Aus­wahl­ver­fah­rens nach Arti­kel 33 Abs. 2 des Grund­ge­set­zes recht­mä­ßig.

Die Ent­schei­dung des BAG ver­deut­licht die kom­ple­xen recht­li­chen Über­le­gun­gen, mit denen Arbeit­ge­ber sich beschäf­ti­gen müs­sen, wenn es um die Befris­tung von Arbeits­ver­trä­gen geht. Sie zeigt auch die Bedeu­tung einer sorg­fäl­ti­gen Prü­fung der recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen, um einer­seits im eige­nen Inter­es­se recht­li­che Pro­ble­me zu ver­mei­den und ande­rer­seits die Rech­te der Bewer­ber zu wah­ren.

 

Tipps für Arbeit­ge­ber

1. Grund­le­gen­de Regeln für Befris­tun­gen

Beach­ten Sie die gesetz­li­chen Vor­ga­ben für befris­te­te Arbeits­ver­trä­ge. Ohne Sach­grund kön­nen die­se maxi­mal zwei Jah­re dau­ern und bis zu drei­mal ver­län­gert wer­den. Mit einem Sach­grund kön­nen sie bis zu sechs Jah­re dau­ern, mit maxi­mal zwölf Ver­län­ge­run­gen, oder bis zu acht Jah­re mit maxi­mal neun Ver­län­ge­run­gen.

2. Umfas­sen­de Prü­fung mit Sach­grund

Auch wenn grund­sätz­lich ein zuläs­si­ger Sach­grund für eine wei­te­re Befris­tung des Arbeits­ver­hält­nis­ses gege­ben ist, muss in jedem Fall, wenn sich die Befris­tung über einen lan­gen Zeit­raum erstreckt, beson­de­res Augen­merk auf die Risi­ko­ab­wä­gung gelegt wer­den, um gege­be­nen­falls das Indiz für einen Rechts­miss­brauch wider­le­gen zu kön­nen. Im Zwei­fels­falls soll­te und darf, wie die vor­lie­gen­de Ent­schei­dung zeigt, eine erneu­te Befris­tung abge­lehnt wer­den.

3. Indi­zi­en für Miss­brauch

Ach­ten Sie dar­auf, dass Sie nicht in den Bereich des Miss­brauchs der Befris­tungs­mög­lich­kei­ten gera­ten. Dies kann pas­sie­ren, wenn Sie die vor­ge­nann­te Dau­er oder Zahl der Ver­län­ge­run­gen über­schrei­ten. Je nach­dem, wie stark die Über­schrei­tung aus­fällt, muss ent­we­der der Arbeit­neh­mer noch zusätz­li­che Punk­te vor­tra­gen, die für einen Rechts­miss­brauch spre­chen, oder der Arbeit­ge­ber kann sich durch beson­de­re Umstän­de ent­las­ten.

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