Seit dem 1. März und noch bis zum 31. Mai 2022 finden turnusgemäß die Betriebsratswahlen statt. Selbst in großen Unternehmen passieren dabei immer wieder Fehler, die die Wahl anfechtbar machen. Und mit der Digitalisierung stellen sich noch ganz neue Fragen, zeigt Dr. Christian Ostermaier.
Die Wahlen der Arbeitnehmervertretungen in deutschen Unternehmen folgen strengen Regeln. Dennoch passieren regelmäßig Fehler bei der Organisation und der Beteiligung aller Mitarbeiter. Erst vor kurzem wurde eine Betriebsratswahl bei Volkswagen vom Bundesarbeitsgericht (BAG) für unwirksam erklärt. Auch die zunehmende Digitalisierung kann Fehlerquellen bereithalten, die die Wirksamkeit der gesamten Wahl gefährden können.
In zahlreichen Unternehmen gibt es Mitarbeiter, die der deutschen Sprache nicht oder nur eingeschränkt mächtig sind. Um sicherzustellen, dass die gesamte Belegschaft an der Betriebsratswahl teilnehmen kann, schreibt § 2 Abs. 5 der Wahlordnung vor, dass der Wahlvorstand sicherstellen muss, dass diese Mitarbeiter „vor Einleitung der Betriebsratswahl über Wahlverfahren, Aufstellung der Wähler- und Vorschlagslisten, Wahlvorgang und Stimmabgabe in geeigneter Weise unterrichtet werden“.
Aus dem Gesetzeswortlaut geht leider nicht genau hervor, was es bedeutet, die Arbeitnehmer „in geeigneter Weise“ zu unterrichten. Ist es notwendig, Dokumente in die Muttersprache des Arbeitnehmers zu übersetzen oder nicht?
Für viele Arbeitgeber könnten die Übersetzungen sehr teuer werden, wenn sie Mitarbeiter aus vielen Ländern beschäftigen. Das Dilemma ist klar: Einerseits muss das Recht der Arbeitnehmer auf Wahlfreiheit berücksichtigt werden. Dieses ist sehr wichtig, es gehört zu ihren grundlegenden Arbeitnehmerrechten. Auf der anderen Seite stehen die Interessen des Arbeitgebers, der durch die anfallenden hohen Kosten nicht übermäßig belastet werden darf.
Die Rechtsprechung löst den Konflikt wie folgt: In der Regel soll es nötig, aber auch ausreichend sein, die Arbeitnehmer in den Hauptsprachen des Unternehmens zu unterrichten (s. z.B. LAG Hessen, Beschl. vom 25.09 2003, Az. 9 TaBV 33/03, bestätigt durch LAG Hessen, Beschl. vom 17.04.2008, Az. 9 TaBV 163/07). Das bedeutet, dass die entsprechenden Dokumente in deutscher Sprache, falls es eine abweichende Unternehmenssprache gibt, auch in dieser und zumindest in den Sprachen zur Verfügung gestellt werden müssen, die größere Gruppen von Arbeitnehmern verstehen – das muss nicht deren Erstsprache sein. Sicherlich wird man nicht verlangen können, die Informationen in allen im Unternehmen gesprochenen Sprachen zur Verfügung zu stellen. Andererseits wird, wenn mehr als 10 % der Arbeitnehmer eine Sprache sprechen, eine Information auch in diese Sprache erforderlich sein. Wo die Grenze zu ziehen ist, lässt sich nicht allgemein bestimmen, sondern ist eine Frage des Einzelfalls.
Die Corona-Pandemie ist immer noch da, die persönlichen Kontakte sollen weiterhin eingeschränkt werden. Was bedeutet das für die Betriebsratswahl, konkret: Kann man die Wahl per Briefwahl durchführen?
Die Wahlordnung für die Betriebsratswahl schreibt vor, dass alle Berechtigten, die im Zeitpunkt der Wahl wegen Abwesenheit vom Betrieb ihre Stimme nicht persönlich abgeben können, schriftlich per Briefwahl abstimmen können. Das muss möglich gemacht werden, wenn sie es aktiv verlangen.
Von sich aus muss der Wahlvorstand solchen Mitarbeitern die Wahlunterlagen übersenden, die aufgrund der Eigenart ihrer Beschäftigung nicht im Betrieb sind, also z. B. wenn sie im Außendienst oder ausschließlich im Homeoffice arbeiten.
Außerdem kann der Wahlvorstand beschließen, dass Mitarbeiter in Betriebsteilen, die räumlich vom Hauptbetrieb weit entfernt sind, ihren Stimmen schriftlich abgeben können. Letzteres sollte allerdings nur mit Vorsicht genutzt werden, wie aktuell eine Entscheidung des BAG vom 16. März 2022 (Az. 7 ABR 29/20) zur vergangenen Betriebsratswahl bei Volkswagen zeigt. Das BAG hat die Wahl für unwirksam erklärt, da zu Unrecht eine schriftliche Stimmabgabe angeordnet worden sei. Dem Wahlvorstand steht kein Ermessen bei der Frage zu, ob Briefwahl zugelassen wird. Eine schriftliche Stimmabgabe kommt nur dann in Betracht, wenn es den Arbeitnehmern nicht möglich oder nicht zumutbar wäre, die Stimme persönlich im Wahllokal abzugeben. Denn nur in diesen Ausnahmefällen sind die mit der Briefwahl verbundenen Abstriche bei den Wahlgrundsätzen in Kauf zu nehmen.
Mit der Corona-Pandemie und den vielen Mitarbeitern im Homeoffice haben elektronische Unterschriften eine immer größere Bedeutung erlangt. Eine elektronische Signatur kann eine handschriftliche Unterschrift teilweise vollwertig ersetzen.
Für Privatpersonen ist die elektronische Signatur eine Möglichkeit, die Interaktion mit Behörden, Arbeitgebern und Bildungseinrichtungen über das Internet zu beschleunigen und zu vereinfachen.
Für Unternehmen ist sie ein unverzichtbares Instrument, das ein bequemes und effizientes Dokumentenmanagement sowohl innerhalb des Betriebs als auch mit externen Vertragspartnern ermöglicht. Aber kann man sie auch bei Betriebsratswahlen einsetzen?
Ganz klar ist das nicht. Die Stützunterschriften für die Wahlvorschläge müssen nach dem Gesetz „schriftlich“ erfolgen. Als „schriftlich“ gilt nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) auch eine qualifizierte elektronische Signatur, sofern sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt, § 126 Abs. 3 BGB. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) schließt die qualifizierte elektronische Signatur bei den Stützunterschriften nicht aus, was für die Zulässigkeit einer qualifizierten elektronischen Signatur spricht.
Im Rahmen des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes 2021 wurden aber an zahlreichen Stellen Regelungen zur elektronischen Form aufgenommen, z.B. auch bzgl. Betriebsvereinbarungen. Bei den der Stützunterschriften für die Wahlvorschläge bei der Betriebsratswahl aber wurde gerade keine neue Regelung zur elektronischen Form getroffen.
Es besteht also eine gewisse Rechtsunsicherheit. Um spätere Streitigkeiten oder sogar mögliche Anfechtungen zu vermeiden, raten wir deshalb, die Verwendung elektronischer Signaturen bei Betriebswahlen im Voraus mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren. Sicher ist sicher.
Dr. Christian Ostermaier ist Partner bei SNP Schlawien Partnerschaft mbB berät Unternehmen aller Größen, meist mittelständische Unternehmen, sowie deren Gesellschafter in allen Fragen des Gesellschaftsrechts, insbesondere auch bei Unternehmenstransaktionen, und des Arbeitsrechts, hier u.a. zu betriebsverfassungsrechtlichen Fragen, wie dem Abschluss von Betriebsvereinbarungen. Daneben berät Dr. Ostermaier leitende Angestellte, Geschäftsführer und Vorstände. Er verfügt über umfangreiche Erfahrung in den Bereichen Biotechnologie, Software, Handel und Versicherungen.
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Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Solicitor (England und Wales)
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