Mit einem aktuellen Urteil definiert das Bundesarbeitsgericht die Vertraulichkeit in Arbeits-Chatgruppen neu. Für Arbeitnehmer ist jetzt Vorsicht angesagt, Arbeitgeber können bei drastischen Äußerungen leichter abmahnen oder sogar kündigen, erklärt Dr. Christian Ostermaier.
Am 24. August 2023 (Az. 2 AZR 17/23) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der sich in einer privaten Chatgruppe in beleidigender, rassistischer, sexistischer und gewaltverherrlichender Weise über Vorgesetzte und Kollegen äußert, sich nicht ohne Weiteres darauf berufen kann, dass die Chatverläufe vertraulich seien. Das Gericht hob damit die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies den Fall an das Landesarbeitsgericht zurück.
Es ging um einen Arbeitnehmer, der seit Jahren Mitglied einer privaten Chatgruppe war, die aus sieben Mitgliedern bestand, darunter ehemalige Kollegen und langjährige Freunde. Die Mitglieder tauschten sich über persönliche Themen aus, doch es kam auch vor, dass beleidigende und menschenverachtende Nachrichten über Kollegen und Vorgesetzte versendet wurden. Als die Arbeitgeberin von diesen Äußerungen erfuhr, kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos. Der Arbeitnehmer klagte gegen die Kündigung.
Die Vorinstanz hatte ihm noch Recht gegeben. Der Arbeitnehmer habe in dieser Umgebung berechtigterweise von Vertraulichkeit ausgehen dürfen. Sein Interesse an der Vertraulichkeit im privaten Bereich überwiege auch das Interesse der diffamierten Kollegen, so das Landesarbeitsgericht.
Das BAG kam jedoch zu einer gegenteiligen Entscheidung und bestätigte die Auffassung der Arbeitgeberin. Eine Vertraulichkeitserwartung könne in solchen Fällen nicht pauschal angenommen werden. Vielmehr hänge sie von verschiedenen Faktoren ab, darunter dem Inhalt der Nachrichten, der Größe und Zusammensetzung der Chatgruppe sowie der Nutzung des Mediums.
Deutschlands oberste Arbeitsrichter betonen, dass in Fällen wie diesem, in denen beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Arbeitskollegen geteilt wurden, eine besondere Begründung erforderlich wäre, warum der Arbeitnehmer erwarten konnte, dass die Nachrichten nicht an Dritte weitergegeben würden.
Diese Entscheidung stärkt die Position der Arbeitgeber in Fällen von beleidigenden Äußerungen in Chatgruppen. Unternehmen können damit effektiv gegen solches Verhalten vorgehen, insbesondere wenn die Äußerungen schwerwiegend sind.
Im Vergleich zu früheren Urteilen, die stärker die Vertraulichkeit der Kommunikation betonten, steht nun der Inhalt der Äußerungen im Mittelpunkt. Arbeitgeber können daher leichter argumentieren, dass die Arbeitnehmer in solchen Fällen keine Vertraulichkeit erwartet könnten, und Maßnahmen wie Abmahnungen oder Kündigungen ergreifen.
Die Entscheidung verlagert das Risiko von Äußerungen stärker auf die Arbeitnehmer. Bei schwerwiegenden Äußerungen müssen nun sie nachweisen, warum sie trotzdem auf Vertraulichkeit hätten vertrauen können.
Insgesamt bedeutet dieses Urteil eine wichtige Klarstellung der Rechtslage in Bezug auf die Vertraulichkeit von Chatgruppen am Arbeitsplatz. Und es unterstreicht die Notwendigkeit, solche Gruppen mit Bedacht zu nutzen, um arbeitsrechtliche und gegebenenfalls sonstige Konsequenzen zu vermeiden.
Dr. Christian Ostermaier ist Partner bei SNP Schlawien Partnerschaft mbB. Er berät Unternehmen aller Größen, meist mittelständische Unternehmen, sowie deren Gesellschafter in allen Fragen des Gesellschaftsrechts, insbesondere auch bei Unternehmenstransaktionen, und des Arbeitsrechts, hier u.a. zu betriebsverfassungsrechtlichen Fragen, wie dem Abschluss von Betriebsvereinbarungen. Daneben berät Dr. Ostermaier leitende Angestellte, Geschäftsführer und Vorstände. Er verfügt über umfangreiche Erfahrung in den Bereichen Biotechnologie, Software, Handel und Versicherungen.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Solicitor (England und Wales)
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