Corona-Testpflicht im Betrieb: Arbeitgeber durfte Corona-Tests einseitig anordnen

© Patrick Daxenbichler
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Eine Orches­ter­mu­si­ke­rin, die sich wei­ger­te, ange­ord­ne­te PCR-Tests durch­füh­ren zu las­sen, hat kei­nen Anspruch auf Zah­lung ihres Arbeits­lohns. Die Baye­ri­sche Staats­oper durf­te die Tests anord­nen, ent­schied das Bun­des­ar­beits­ge­richt. Ein Urteil, das hof­fent­lich allen­falls rechts­his­to­risch bedeut­sam ist, kom­men­tiert Dr. Chris­ti­an Oster­mai­er.

Ein­mal mehr hat mit dem Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ein Bun­des­ge­richt über die Recht­mä­ßig­keit sog. Coro­na-Maß­nah­men ent­schie­den. In Erfurt unter­lag eine Flö­tis­tin der Baye­ri­schen Staats­oper auf gan­zer Linie. Die Musi­ke­rin klag­te auf Zah­lung ihres Gehalts von Ende August bis Ende Okto­ber 2020, zumin­dest woll­te sie für die Zei­ten häus­li­chen Übens bezahlt wer­den. Außer­dem ver­lang­te sie, beschäf­tigt zu wer­den, ohne Coro­na-Tests irgend­ei­ner Art durch­füh­ren las­sen zu müs­sen.

Im Spät­som­mer und Herbst 2020, einer der Hoch­pha­sen der Pan­de­mie, hat­te die Baye­ri­sche Staats­oper eine Test­stra­te­gie zum Schutz der Mit­ar­bei­ter vor Covid-19-Erkran­kun­gen ent­wi­ckelt. Sie war Bestand­teil einer Gesamt­stra­te­gie, zuvor hat­te das Opern­haus bau­li­che und orga­ni­sa­to­ri­sche Maß­nah­men ergrif­fen. Die Test­stra­te­gie war ent­wi­ckelt wor­den in Zusam­men­ar­beit mit einem Münch­ner Insti­tut für Viro­lo­gie. Dem­nach wur­den die Beschäf­tig­ten in Risi­ko­grup­pen ein­ge­teilt und je nach Grup­pe in unter­schied­li­chen Zeit­ab­stän­den ver­pflich­tet, PCR-Tests durch­füh­ren zu las­sen, wahl­wei­se kos­ten­los von der Oper zur Ver­fü­gung gestell­te oder von einem selbst aus­ge­such­ten Anbie­ter. Ohne Tes­tung kön­ne die Flö­tis­tin nicht an Auf­füh­run­gen und Pro­ben teil­neh­men, teil­te die Oper ihr mit.

Die Musi­ke­rin wei­ger­te sich aber, sich tes­ten zu las­sen. Die Tests sei­en zu unge­nau und anlass­lo­se Mas­sen­tests unzu­läs­sig, begrün­de­te sie ihre Wei­ge­rung. Ab Ende Okto­ber leg­te sie Test­be­fun­de vor, ohne jedoch eine ent­spre­chen­de Rechts­pflicht anzu­er­ken­nen. Gleich­zei­tig erhob sie Kla­ge gegen den Frei­staat Bay­ern. Wie schon die Vor­in­stan­zen konn­te sie aber auch das BAG nun nicht über­zeu­gen.

Test-Anweisung aufgrund des Hygienekonzepts rechtmäßig

Mit der Anwei­sung zur Durch­füh­rung von PCR-Tests sei der beklag­te Frei­staat sei­ner Pflicht nach­ge­kom­men, die Arbeit­neh­mer gegen Gefah­ren für Leben und Gesund­heit zu schüt­zen, so die Rich­ter in Erfurt. Die auf dem ent­wi­ckel­ten Hygie­ne­kon­zept basie­ren­den Anwei­sun­gen der Oper als Arbeit­ge­be­rin sei­en recht­mä­ßig gewe­sen (BAG, Urt. v. 01.06.2022, Az. 5 AZR 28/22).

Mit dem aus ver­schie­de­nen Maß­nah­men bestehen­den und mit wis­sen­schaft­li­cher Unter­stüt­zung erar­bei­te­ten Hygie­ne­schutz­kon­zept habe die Oper den Spiel­be­trieb ermög­li­chen, die Gesund­heit ihrer Arbeit­neh­mer schüt­zen und dabei die Vor­ga­ben der ein­schlä­gi­gen Infek­ti­ons­schutz­maß­nah­men-Ver­ord­nung ein­hal­ten wol­len, argu­men­tiert der 5. Senat. Die auf die­ser Grund­la­ge den Arbeit­neh­mern erteil­ten Anwei­sun­gen hät­ten bil­li­gem Ermes­sen ent­spro­chen (§ 106 Gewer­be­ord­nung).

Den mit einem Test ver­bun­de­nen mini­ma­len Ein­griff in ihre kör­per­li­che Unver­sehrt­heit habe die Musi­ke­rin hin­neh­men müs­sen. Auch ihr Grund­recht auf infor­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung hel­fe ihr nicht wei­ter, da ein posi­ti­ves Test­ergeb­nis schon wegen der ent­spre­chen­den Mel­de- und Kon­takt­nach­ver­fol­gungs­pflich­ten sowie­so im Betrieb bekannt wür­de.

Ohne Tests kein Lohn, auch nicht fürs Üben

Weil die Musi­ke­rin, die sich wei­ger­te, die recht­mä­ßig ange­ord­ne­ten Tests vor­zu­le­gen, nicht wilens gewe­sen sei, ihre Arbeits­leis­tung zu erbrin­gen, schul­de die Oper ihr für den Zeit­raum, in dem sie kei­ne Tests vor­ge­legt hat­te, auch kei­ne Ver­gü­tung, so das BAG.

Auch ihre häus­li­chen Übun­gen muss der Frei­staat laut dem Senat nicht ent­gel­ten. Eine Ver­gü­tung sei nur für Übun­gen geschul­det, die auf die Pro­ben und Auf­füh­run­gen bezo­gen sind. An die­sen hat­te die Flö­tis­tin aber ja gera­de nicht teil­ge­nom­men, sie hät­te also auch nicht dafür üben müs­sen. Einen Anspruch dar­auf, pau­schal nicht getes­tet zu wer­den, habe die Arbeit­neh­me­rin schließ­lich schon des­halb nicht, weil die Baye­ri­sche Staats­oper mit ihrem Hygie­ne­kon­zept ja gezeigt habe, dass wirk­sa­me Test­an­ord­nun­gen recht­lich sehr wohl mög­lich sind.

Über­ra­schend ist die Ent­schei­dung aus Erfurt nicht. Juris­ten bezeich­nen ver­gleich­ba­re Ent­schei­dun­gen gern als begrü­ßens­wert, weil sie für Arbeit­ge­ber wert­vol­le Klar­stel­lun­gen für den Fall von Dif­fe­ren­zen mit Arbeit­neh­mern schaf­fen. Im Fall von Schutz­maß­nah­men gegen das Coro­na-Virus bleibt zu hof­fen, dass es die­se Klar­stel­lung nicht brau­chen wird, weil ver­gleich­ba­re Maß­nah­men hof­fent­lich in Zukunft nicht mehr nötig sein wer­den. Wün­schens­wert wäre nun noch ein kla­res State­ment des BAG zu Ver­stö­ßen gegen die Mas­ken­pflicht.

Dr. Chris­ti­an Oster­mai­er ist Part­ner bei SNP Schla­wi­en Part­ner­schaft mbB. Er berät Unter­neh­men aller Grö­ßen, meist mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men, sowie deren Gesell­schaf­ter in allen Fra­gen des Gesell­schafts­rechts und des Arbeits­rechts. https://de.linkedin.com/in/ostermaier-christian-898a3027

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