Satzung, Ladung, Technikfails: Die virtuelle Gesellschafterversammlung für GmbHs

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Auch nach fast zwei Jahren Pan­demie sieht das Gesetz für GmbH-Gesellschafter­ver­samm­lun­gen weit­er­hin Präsenz vor. Doch die Gesellschafter kön­nen das per Satzung ändern. Ob tech­nikfeindliche Gesellschafter das ver­hin­dern kön­nen, was in die Satzung muss und ob Tech­nik-Fails Beschlüsse anfecht­bar machen, erk­lärt Chris­tiane Buttschardt.

Die Lockerung von Kon­tak­tbeschränkun­gen liegt in der Luft und so manch ein­er dürfte sich freuen, die Mit­ge­sellschafter wieder ein­mal in Präsenz zu sehen. Doch mit der plöt­zlichen Dig­i­tal­isierung der Arbeitswelt kam auch in deutschen Unternehmen der Wun­sch auf, auch dig­i­tale Abstim­mungen durchzuführen. Und mit­tler­weile hat sich auch die Ein­sicht durchge­set­zt, dass, was heute notwendig ist, in Zukun­ft schlicht sin­nvoll sein kann. Auch ohne pan­demiebe­d­ingte Ein­schränkun­gen sparen dig­i­tale Ver­samm­lun­gen etwa bei einem weit verteil­ten Kreis der Teil­nehmer und/oder bei nur kurzen Tre­f­fen Zeit und Kosten. Die ver­stärk­te dig­i­tale Kom­mu­nika­tion wird uns auch nach der Pan­demie erhal­ten bleiben und das Gesellschaft­srecht macht da keine Aus­nahme.

Der neue Bun­desjus­tizmin­is­ter Mar­co Buschmann hat im Feb­ru­ar einen Geset­zen­twurf vorgelegt, um die virtuelle Gesellschafter­ver­samm­lung für Aktienge­sellschaften weit­er­hin möglich zu machen. Für Gesellschaften mit beschränk­ter Haf­tung (GmbH) ist das bis auf Weit­eres nicht geplant, die Beschlussfas­sung erfol­gt grund­sät­zlich auf Präsen­zver­anstal­tun­gen.

Unternehmer, die als GmbH organ­isiert sind, müssen aber nicht auf geset­zliche Neuregelun­gen warten, um ihre Gesellschafter­ver­samm­lun­gen ein­fach­er zu gestal­ten. Nach fast zwei Jahren Pan­demie haben sich ver­schiedene Gestal­tungsmöglichkeit­en für die rechtssichere Ein­führung und Umset­zung der virtuellen Gesellschafter­ver­samm­lung etabliert.

Die GmbH-Gesellschafter haben es in der Hand

Aktuell bieten wed­er das Gesetz betr­e­f­fend die Gesellschaften mit beschränk­ter Haf­tung (Gmb­HG) noch das Gesetz über Maß­nah­men u.a. im Gesellschaft­srecht zur Bekämp­fung der Auswirkun­gen der Covid-19-Pan­demie (COVMG) eine Grund­lage, um virtuelle Gesellschafter­ver­samm­lun­gen zu erle­ichtern. Die Vorschrift des § 2 COVMG bet­rifft zwar GmbHs, erle­ichtert aber bloß Beschlussfas­sun­gen im Umlaufver­fahren.

Allerd­ings ist in Schrift­tum und Recht­sprechung ein­hel­lig anerkan­nt, dass man von der Präsen­zver­anstal­tung abwe­ichen kann. Bei der GmbH kön­nen die Gesellschafter entschei­den: Ihnen ste­ht es frei, in der Satzung festzule­gen, dass die Gesellschafter­ver­samm­lung virtuell durchge­führt wer­den kann. Wer also eine entsprechende Klausel in die Satzung aufn­immt, macht virtuelle Gesellschafter­ver­samm­lun­gen wie auch Hybrid­ver­samm­lun­gen zuläs­sig, Beschlüsse kön­nen wirk­sam gefasst wer­den.

Kann Digitalisierung unzumutbar sein?

Eine solche Satzungsregelung muss aber den Gle­ich­be­hand­lungs­grund­satz und das Teil­nah­merecht in seinem Kern beacht­en. Auch im virtuellen Ver­fahren müssen sämtliche Gesellschafter also die Möglichkeit haben, sich an der Mei­n­ungs­bil­dung und der Beschlussfas­sung in der Gesellschafter­ver­samm­lung zu beteili­gen.

Was bedeutet das im Kon­text virtueller Gesellschafter­ver­samm­lun­gen? Der Bun­des­gericht­shof (BGH) erk­lärt in sein­er neueren Recht­sprechung zu Ver­samm­lun­gen, die nicht am Ort des Sitzes der Gesellschaft stat­tfind­en, dass der gewählte Ort „nicht unzu­mut­bar“ sein darf — ohne allerd­ings die Gren­zen dieser Zumut­barkeit näher zu bes­tim­men.

Aus der neg­a­tiv­en For­mulierung „nicht unzu­mut­bar“ des BGH lässt sich aber immer­hin wohl fol­gern, dass die Dar­legungs- und Beweis­last beim einzel­nen Gesellschafter läge. Wer also darauf pochen wollte, dass er an ein­er virtuellen Gesellschafter­ver­samm­lung nicht teil­nehmen könne, müsste das erk­lären und gut begrün­den. Grund­sät­zlich dürfte es für kaum einen Gesellschafter unzu­mut­bar sein, mit einem Endgerät und einem Inter­net­zu­gang an ein­er virtuellen Ver­samm­lung teilzunehmen. Schließlich kön­nte auch die Gesellschaft die Zugangsmöglichkeit­en zur Ver­fü­gung stellen. Sich mit der tech­nis­chen Anwen­dung des Zugangs zum Inter­net und zu in aller Regel intu­itiv bedi­en­baren Kon­ferenz-Soft­wares — ggf. mit Hil­fe Drit­ter — ver­traut zu machen, ist jedem Gesellschafter dur­chaus zumut­bar.

Wann es weiterhin nur in Präsenz geht

Allerd­ings gibt es Aus­nah­men: Bei bes­timmten Beschlussge­gen­stän­den, für die zwin­gen­des Recht eine Präsen­zver­samm­lung vor­sieht, sind virtuelle Gesellschafter­ver­samm­lun­gen nicht möglich. Wenn also zum Beispiel Beschlüsse nach dem Umwand­lungsrecht über die Ver­schmelzung von Unternehmen, über deren Spal­tung oder über einen Formwech­sel anste­hen, müssen die Gesellschafter sich, Stand heute, weit­er­hin per­sön­lich tre­f­fen.

Umstrit­ten ist die Frage, ob Beschlüsse, die notariell beurkun­det wer­den müssen, ins­beson­dere also Satzungsän­derun­gen und Kap­i­tal­maß­nah­men, anders als in Präsenz gefasst wer­den kön­nen.  Höch­strichter­liche Recht­sprechung gibt es dazu noch nicht.

Die Satzungsänderung: Wer dafür sein muss und was rein muss

Wollen Gesellschafter in ihrer Satzung virtuelle Ver­samm­lun­gen beschließen, braucht es je nach geplanter Änderung unter­schiedliche Mehrheit­en, um das Teil­nah­merecht zu gewährleis­ten. Wenn die virtuelle Gesellschafter­ver­samm­lung zusät­zlich zur Präsen­zver­samm­lung möglich wer­den soll, genügt eine satzungsän­dernde Mehrheit. Soll sie die Präsen­zver­samm­lung aus­nahm­s­los erset­zen, braucht es eine ein­stim­mige Entschei­dung.

Die Satzungsän­derung sollte auch eine Ladung per E‑Mail oder per gemein­samer Kom­mu­nika­tion­splat­tform (z.B. Microsoft Teams) möglich machen. Für die Präsen­zver­samm­lung sieht das Gesetz näm­lich die Ladung mit­tels eingeschriebe­nen Briefs voraus.

How to: Die Ladung und der Versammlungsort

Die Angabe eines Ver­samm­lung­sorts, die in der Ladung eigentlich nötig ist, kann ent­fall­en, da es genaugenom­men keinen Ver­samm­lung­sort gibt. Allerd­ings emp­fiehlt es sich, ger­ade am Anfang als Ver­samm­lung­sort „virtuell“ anzugeben, um die Gesellschafter zu sen­si­bil­isieren. Fern­er müssen den Gesellschaftern sämtliche Zugangs­dat­en zur Ver­fü­gung gestellt wer­den.

Damit die virtuelle Gesellschafter­ver­samm­lung ein­wand­frei funk­tion­iert, muss sie den Teil­nehmern  das­selbe bieten wie eine Präsen­zver­anstal­tung. Das Teil­nahme- und das Stimm­recht müssen also gewährleis­tet wer­den, „Kom­mu­nika­tion in Echtzeit“ ist das Schlüs­sel­wort: Die Teil­nehmer müssen also gle­ichzeit­ig senden und emp­fan­gen kön­nen und es darf keine erwäh­nenswerten Verzögerun­gen bei der Über­tra­gung geben.

Risiko Technik: Ist der Beschluss anfechtbar?

Was aber, wenn tech­nis­che Störun­gen auftreten, wie wir sie lei­der nach fast zwei Jahren Pan­demie alle ken­nen? Die Gefahr liegt auf der Hand: Die Beschlüsse der Gesellschafter kön­nten anfecht­bar sein.

Hier hil­ft § 243 Abs. 3 Nr. 1 Aktienge­setz (AktG) weit­er, der Rechts­gedanke der Vorschrift wird auch auf GmbHs angewen­det. Die geset­zliche Regelung dif­feren­ziert allerd­ings recht kom­pliziert. Hybrid­ver­anstal­tun­gen, also solche, an denen Teil­nehmer sowohl vor Ort als auch dig­i­tal teil­nehmen, sind grund­sät­zlich nicht wegen tech­nis­ch­er Störun­gen anfecht­bar. Die einzige Aus­nahme: Die Störun­gen wur­den von der Gesellschaft vorsät­zlich oder grob fahrläs­sig verur­sacht. Rein virtuelle Ver­anstal­tun­gen kann man dage­gen schon dann wegen ein­er tech­nis­chen Störung anfecht­en, wenn diese in irgen­dein­er Form von der Gesellschaft zu vertreten ist. Tech­nis­che Störun­gen im Ver­ant­wor­tungs­bere­ich des Gesellschafters, also dessen WLAN-Aus­fall im Home­of­fice oder ähn­lich­es, machen die Ver­samm­lung nicht anfecht­bar.

Per Satzung kön­nen die Gesellschafter allerd­ings auch das anders regeln. Und das soll­ten sie auch: Es ist unbe­d­ingt empfehlenswert, die Anfech­tung wegen tech­nis­ch­er Über­mit­tlung­sprob­leme für alle For­men der virtuellen Gesellschafter­ver­samm­lung auszuschließen. Nur so wird eine Beschlussfas­sung uneingeschränkt möglich.

Die virtuelle Gesellschafter­ver­samm­lung ist ein aktuelles The­ma. Die Prax­is zeigt, dass immer mehr Unternehmer von ihr Gebrauch machen und froh sind, diese Erle­ichterung in der Satzung aufgenom­men zu haben.

Checkliste Satzungsänderung:

Sie möcht­en Ihre Gesellschafter­ver­samm­lun­gen vere­in­fachen? Dann soll­ten Sie min­destens Fol­gen­des in der Satzung neu regeln:

  • die Möglichkeit zur (teil)-virtuellen Gesellschafter­ver­samm­lung;

Tipp: Beacht­en und rechtssich­er regeln soll­ten Sie dabei alle Möglichkeit­en, Beschlüsse zu fassen, also in rein­er Online-Videokon­ferenz, als Hybrid­ver­anstal­tung, jew­eils mit gle­ichzeit­iger, aber auch mit nachträglich­er Stim­ma­b­gabe, sowie im Umlaufver­fahren zum Beispiel per E‑Mail.  Denken Sie auch daran, die Ladung per Mail oder über die Kom­mu­nika­tion­splat­tform, die Sie regelmäßig nutzen, möglich zu machen.  

  • die (Nicht-)Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen in der jew­eili­gen gewählten Form der Gesellschafter­ver­samm­lung.


Chris­tiane Buttschardt berät Unternehmen aller Größen, vor­wiegend mit­tel­ständis­che Unternehmen, sowie deren Gesellschafter und Geschäfts­führer in allen Fra­gen des Gesellschaft­srechts. Sie ist ins­beson­dere auch bei Unternehmen­stransak­tio­nen bera­tend tätig. https://de.linkedin.com/in/christiane-buttschardt-899398211

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