Es hat lang gedauert, doch jetzt geht es ganz schnell. Und viele Arbeitgeber sind sofort mit dem Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten, damit Beschäftigte vermutete Missstände melden können. Die Anforderungen des Gesetzgebers sind recht konkret, und für die Umsetzung bleibt nicht viel Zeit.
Nun kommt es also: Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG), das die EU-Whistleblower-Richtlinie in deutsches Recht umsetzt und deshalb auch Whistleblower-Gesetz genannt wird, wurde am 2. Juni 2023 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Es soll Hinweisgeber besser schützen, die auf Missstände in Unternehmen oder Behörden hinweisen. Deutschland hatte sich mit der Umsetzung über Jahre schwergetan, die Frist dafür war längst verstrichen. Nun aber tritt das HinSchG bereits am 2. Juli 2023 in Kraft, Unternehmen müssen schnell handeln.
Das Hinweisgeberschutzgesetz verpflichtet freilich nicht nur Unternehmen, sondern alle sog. „Beschäftigungsgeber“ – das heißt natürliche und juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts sowie rechtsfähige Personengesellschaften, soweit diese mindestens eine Person beschäftigen. Es will also Arbeitnehmer ebenso schützen wie Beamtinnen, Auszubildende genauso wie Richter, Soldatinnen und sogar arbeitnehmerähnliche Personen unabhängig davon, ob sie offiziell in Festanstellung tätig sind. Die wichtigste Verpflichtung, die die Beschäftigungsgeber jetzt erfüllen müssen, ist die Einrichtung einer sog. internen Meldestelle: Sie müssen Beschäftigten, die auf einen Missstand aufmerksam machen wollen, eine Anlaufstelle bieten.
Eine solche Meldestelle müssen alle Beschäftigungsgeber einrichten, die in der Regel mindestens 50 Beschäftigte haben. Unabhängig von der Zahl der Beschäftigten muss eine interne Meldestelle eingerichtet werden insbesondere bei Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Datenbereitstellungsdiensten, Börsenträgern, Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstitute, Wertpapierinstitute, Kapitalverwaltungsgesellschaften, Versicherungsunternehmen sowie Pensionsfonds. Mittelgroße Beschäftigungsgeber mit 50 bis 249 Beschäftigten bekommen eine Übergangsfrist, sie müssen die interne Meldestelle erst zum 17. Dezember 2023 eingerichtet haben.
Einrichten kann diese der Beschäftigungsgeber entweder intern oder er kann einen Dritten mit dieser Aufgabe betrauen. Kleine zusammengehörende Unternehmen können eine gemeinsame Meldestelle betreiben.
Das Gesetz definiert dafür einige Anforderungen: Die Beschäftigten müssen ihre Meldungen über behauptete Missstände mündlich oder schriftlich machen können. Mündliche Meldungen können per Telefon oder ggf. auch über Anrufbeantworter erfolgen, aber auch ein persönliches Gespräch muss ermöglicht werden.
Die Beschäftigungsgeber müssen dafür sorgen, dass die Mitarbeiter der Meldestelle über die notwendige Fachkenntnis verfügen. Der Beschäftigungsgeber wird die Personen, die für die interne Meldestelle zuständig sind, entsprechend schulen müssen. Wie tiefgehend die Kenntnisse sein müssen und welche Inhalte für die Schulung erforderlich sind, wird die Zeit zeigen, der Gesetzgeber schweigt sich dazu aus. Ob es ausreicht, die Mitarbeiter über den Inhalt des Hinweisgeberschutzgesetzes zu unterrichten, erscheint zweifelhaft. Es wird wohl auch eine Schulung zur Durchführung interner Ermittlungen erforderlich sein, wenn auch nur, um erkennen zu können, was der Beschäftigungsgeber noch intern abbilden kann und wann eine externe Kanzlei mit den Ermittlungen beauftragt werden muss.
Auch die Aufgaben und Abläufe der Anlaufstelle für die Beschäftigten legt das HinSchG fest. Die interne Meldestelle
Die hinweisgebende Person muss grundsätzlich innerhalb von drei Monaten eine Rückmeldung erhalten. Diese umfasst die Mitteilung geplanter sowie bereits ergriffener Folgemaßnahmen sowie die Gründe für diese. Die Rückmeldung darf jedoch die internen Nachforschungen und Ermittlungen nicht berühren und Rechte Dritter nicht beeinträchtigen. Als Folgemaßnahmen kommen interne Untersuchungen in Betracht, betroffenen Personen können kontaktiert werden oder die hinweisgebende Person kann an andere zuständige Stellen verwiesen werden. Das Verfahren kann auch aus Mangel an Beweisen oder aus anderen Gründen abgeschlossen oder zum Zwecke der weiteren Untersuchung an andere interne Stellen oder die zuständige Behörde abgegeben werden.
Verstöße gegen die Verpflichtungen aus dem Hinweisgeberschutzgesetz werden mit einem Bußgeld geahndet. Wer nicht fristgerecht eine interne Meldestelle einrichtet, kann mit bis zu Euro 20.000 belegt werden. Die Bußgeldregelung tritt jedoch erst am 1. Dezember 2023 in Kraft.
Die Beschäftigungsgeber sollten aber baldmöglichst mit der Umsetzung beginnen, unabhängig davon, ob für sie die Übergangsfrist bis zum 17. Dezember gilt oder nicht. Um interne Mitarbeiter oder externe Dienstleister zu finden, gegebenenfalls zu schulen und funktionierende Kommunikationskanäle zur Verfügung zu stellen, die alle Anforderungen erfüllen, sind selbst sechs Monate nicht viel Zeit — zumal alle mit den Meldestellen Neuland betreten und allenfalls eingeschränkt auf bekannte Erfahrungswerte aus bereits bestehenden Whistleblowing-Hotlines zurückgreifen können.
In die Arbeitsverträge sollten Beschäftigungsgeber mit dem Inkrafttreten des HinSchG einen neuen Hinweis aufnehmen, schließlich finden sich dort typischerweise Vertraulichkeitsregelungen für die Mitarbeiter. Zwar wären vertragliche Regelungen, die dem Hinweisgeberschutzgesetz widersprechen, sowieso unwirksam. Zur Klarstellung empfiehlt es sich aber, die Vertraulichkeitsvereinbarungen in den Verträgen um die Information zu ergänzen, dass die Vertraulichkeitsverpflichtung für Meldungen nach dem Hinweisgeberschutzgesetz nicht gilt.
Dr. Christian Ostermaier ist Partner bei SNP Schlawien Partnerschaft mbB. Er berät Unternehmen aller Größen, meist mittelständische Unternehmen, sowie deren Gesellschafter in allen Fragen des Gesellschaftsrechts und des Arbeitsrechts. Daneben berät Dr. Ostermaier leitende Angestellte, Geschäftsführer und Vorstände. Er verfügt über umfangreiche Erfahrung in den Bereichen Biotechnologie, Software, Handel und Versicherungen. https://de.linkedin.com/in/ostermaier-christian-898a3027
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Solicitor (England und Wales)
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