BAG Urteil: Keylogger-Protokoll im Kündigungsschutzprozess unzulässig

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Das BAG hat Key­log­ger-Pro­tokolle und Screen­shots, die der Arbeit­ge­ber im Rah­men eines Kündi­gungss­chutzprozess­es vorgelegt hat­te, nicht als Beweis­mit­tel zuge­lassen (BAG Urteil vom 27. Juli 2017, Az.: 2 AZR 681/16). Der Klage des Weben­twick­lers, dem wegen unzuläs­siger pri­vater Nutzung der Fir­men-IT gekündigt wor­den war, wurde in allen Instanzen statt gegeben.

1. Vorgeschichte: Keylogger-Protokoll des Arbeitgebers

Was war passiert? Der Weben­twick­ler hat­te während der Arbeit­szeit pri­vat­en E‑Mail-Verkehr geführt und neben­bei pri­vat ein Com­put­er­spiel pro­gram­miert, obwohl er sich verpflichtet hat­te, Hard- und Soft­ware seines Arbeit­ge­bers auss­chließlich zu dien­stlichen Zweck­en zu ver­wen­den. In der Prax­is wurde dieses Gebot im Betrieb jedoch nicht strikt einge­hal­ten – was der Arbeit­ge­ber wusste und duldete. In welchem Umfang der Kläger die Fir­men-IT pri­vat genutzt hat­te, blieb zwis­chen den Parteien stre­it­ig. Der Weben­twick­ler räumte lediglich eine ger­ingfügige pri­vate Tätigkeit ein. Zum Gegen­be­weis legte der Arbeit­ge­ber im Kündi­gungss­chutzprozess Key­log­ger-Pro­tokolle und Screen­shots vor. Der Ein­satz der Späh­soft­ware war der Belegschaft zuvor lediglich mit Bezug auf den „Inter­net-Traf­fic“ mit­geteilt wor­den.

2. Entscheidung

Das BAG hat nun entsch­ieden, dass das konkrete Beweis­mit­tel im Kündi­gungss­chutzprozess nicht ver­w­ert­bar war, da es unter Ver­stoß gegen das BDSG erlangt wurde und mit ein­er Zulas­sung im Prozess auf rechtswidrige Weise aber­mals in das Recht des Klägers auf infor­ma­tionelle Selb­st­bes­tim­mung einge­grif­f­en werde. Das Inter­esse des Arbeit­ge­bers an der Beweisver­w­er­tung müsse zurück­ste­hen. Der Ein­satz des Key­log­gers sei auf jeden Fall unver­hält­nis­mäßig gewe­sen, da zum Zeit­punkt des Ein­satzes der strit­ti­gen Soft­ware schon kein aus­re­ichend konkreter Ver­dacht auf eine Straftat oder eine andere schwere Pflichtver­let­zung des Klägers vorgele­gen habe.

Das Vorg­ericht LAG Hamm (Urteil vom 17. Juni 2016, Az.: 16 Sa 1711/15) hat­te genau­so argu­men­tiert, aber zugle­ich darauf hingewiesen, dass selb­st dann, wenn ein solch­er Ver­dacht vorgele­gen hätte, der Ein­satz der Späh­soft­ware als unver­hält­nis­mäßig und damit als rechtswidrig anzuse­hen sei. Als milderes Mit­tel schlug es vor, im Bei­sein des Klägers den Inter­netver­lauf und den E‑Mail-Account auszuw­erten, denn dann hätte der Arbeit­nehmer die Möglichkeit, durch frei­willige Angaben die weit­ere Durch­suchung zu ver­hin­dern.

3. Bewertung

Die Entschei­dung des BAG ist nicht über­raschend. Schließlich stellt die Überwachung mit­tels Key­log­ger einen mas­siv­en Ein­griff in das all­ge­meine Per­sön­lichkeit­srecht des Arbeit­nehmers dar. Denn hier­durch lässt sich jed­er einzelne Schritt am Com­put­er en detail nachvol­lziehen. Hochsen­si­ble Dat­en wie Pass­wörter, PIN-Num­mern, Kred­itkar­tendat­en etc. wer­den mit­pro­tokol­liert. Und auch wenn der Arbeit­nehmer von der Überwachung weiß, bleibt das Prob­lem der damit ein­herge­hen­den Ein­schränkung der all­ge­meinen Hand­lungs­frei­heit: Auch ein redlich­er Arbeit­nehmer wird sich hier­durch stark in der Ausübung sein­er Auf­gaben eingeschränkt und gehemmt fühlen. Das BAG ver­weist zutr­e­f­fend auf den starken psy­chis­chen Anpas­sungs­druck, der mit ein­er der­ar­ti­gen Überwachungsmeth­ode ein­herge­ht.

Das BAG gibt dem Arbeit­ge­ber jedoch einen Ratschlag, wie die Ein­hal­tung des Ver­bots ein­er pri­vat­en IT-Nutzung am Arbeit­splatz kon­trol­liert wer­den kann, auch wenn noch kein konkreter Tatver­dacht beste­ht. Han­delt es sich um eine offene Überwachungs­maß­nahme nach abstrak­ten Kri­te­rien, die keinen Arbeit­nehmer beson­ders unter Ver­dacht stellt, und Pflichtver­let­zun­gen ver­hin­dern soll, kön­nen eine vorüberge­hende Spe­icherung und stich­probe­nar­tige Kon­trolle der Ver­laufs­dat­en eines Inter­net­browsers zuläs­sig sein, um eine Beschränkung der Pri­vat­nutzung zu kon­trol­lieren. Denn dabei wer­den lediglich Adressen und Titel der aufgerufe­nen Seit­en und der Zeit­punkt gespe­ichert.

Wichtig ist jedoch, dass die Maß­nahme keinen der­ar­ti­gen psy­chis­chen Anpas­sungs­druck erzeugt, dass der betrof­fene Arbeit­nehmer bei objek­tiv­er Betra­ch­tung in sein­er Frei­heit, sein Han­deln aus eigen­er Selb­st­bes­timmtheit zu pla­nen und zu gestal­ten, wesentlich gehemmt wird. Es sind also stets die Ver­hält­nis­mäßigkeit der konkreten Maß­nahme und ihre Auswirkun­gen auf die Arbeit­nehmer zu prüfen. Die Maß­nahme muss geeignet, erforder­lich und angemessen sein, um das angestrebte legit­ime Ziel zu erre­ichen. Das BAG spricht außer­dem von ein­er „offe­nen Überwachungs­maß­nahme“. Deshalb und im Hin­blick auf das Urteil des EGMR vom 5. Sep­tem­ber 2017 (Az.: Beschw­er­de­num­mer 61496/08), ist dem Arbeit­ge­ber unbe­d­ingt zu empfehlen, die Arbeit­nehmer zuvor über Art und Aus­maß der Kon­trollen zu informieren.

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Über den autor

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Rund um die Weihnachtsfeier, Teil 2: Was Arbeitgeber sonst noch wissen sollten

Im zweiten Teil unserer kleinen Reihe klären wir, wann der Unfallversicherungsschutz auch für die Weihnachtsfeier gilt, warum es wichtig ist, deren Ende klar zu kommunizieren und welche  sozialversicherungsrechtlichen Aspekte Arbeitgeber im Blick behalten sollten. Damit die Weihnachtsfeier sicher und für alle im besten Sinne unvergesslich wird.   Wenn die Weihnachtsfeier vor der Tür steht, gibt es jede Menge zu planen....

Weihnachtsfeier: Rechte, Pflichten und Konsequenzen für Arbeitgeber

Weihnachtsfeiern bieten eine tolle Gelegenheit, das Jahr in geselliger Runde ausklingen zu lassen und das Team zu stärken. Doch Arbeitgeber müssen auch wichtige arbeitsrechtliche Vorgaben im Blick behalten: Wer muss eingeladen werden? Zählt die Teilnahme als Arbeitszeit? Wie umgehen mit Geschenken - und wie mit Fehlverhalten von Mitarbeitenden?   Alle Restaurants sind längst ausgebucht, die Einladungen sind verschickt, die Teams...