Ganz früher ging man ins Kino, wenn man die Entscheidung darüber, welcher Film über den Bildschirm läuft, nicht den Fernsehprogrammschreibern überlassen, sondern selbst treffen wollte. Dann kamen die Videotheken, und man hatte nicht mehr nur die Auswahl zwischen ein paar verschiedenen Filmen zu drei verschiedenen Tageszeiten, sondern zwischen ganz vielen verschiedenen Filmen, die man zu Hause ansehen konnte, wann immer man wollte.
Und heute? Heute geht man zu jeder Tages- und Nachtzeit, egal ob Montag, Mittwoch oder Sonntag, mit seiner Chipkarte in die Automatenvideothek – oder zum 24h-DVD-Verleih –, sucht sich den passenden Film aus einer nahezu unbegrenzten Auswahl aus, und geht wieder nach Hause, wo man sich dann den Film sofort ansehen kann – oder auch nicht. Jedenfalls ganz so, wie man will.
Das ist toll, aber der Jurist fragt sich: Geht das eigentlich? Dürfen die auch nachts und am Sonn- und Feiertag geöffnet haben? Schließlich gibt es Vorschriften wie das Ladenschlussgesetz und das „Gesetz zum Schutz der Sonn- und Feiertage“, das es in jedem Bundesland mit geringfügigen Abweichungen gibt und kurz „Feiertagsgesetz“ genannt wird.
Das Ladenschlussgesetz jedenfalls verbietet den Betrieb von Automatenvideotheken nicht, denn das Ladenschlussgesetz ist letztlich ein Gesetz zum Schutze der Arbeitnehmer. Und Arbeitnehmer gibt es in einer Automatenvideothek, die, wie der Name schon sagt, automatisch betrieben wird, nicht.
Nicht ganz so einfach ist es allerdings mit dem Feiertagsgesetz. Dieses schreibt nämlich vor, dass an Sonn- und Feiertagen zum Schutze derselben keine öffentlich bemerkbaren Tätigkeiten ausgeübt werden dürfen, die zur Störung der Sonn- und Feiertagsruhe geeignet sind. Erlaubt sind hingegen Tätigkeiten, die gerade zur Befriedigung sonn- und feiertäglicher Bedürfnisse dienen. Schützen soll das Gesetz die sonn- und feiertägliche Ruhe und Erholung. Der Schutz ist nicht beschränkt auf typisch religiöse Tätigkeiten, sondern umfasst das Bedürfnis der Bevölkerung nach Freizeitgestaltung allgemein.
Aus diesem Grunde dürfen beispielsweise Schwimmbäder, Kinos, Restaurants auch an Sonn- und Feiertagen geöffnet sein. Und nur weil auch das Reisen eine typisch sonntägliche Beschäftigung ist, sind verschiedenste Läden an Bahnhöfen und Flughäfen, nicht aber der Supermarkt oder Zeitschriftenkiosk um die Ecke, an Sonn- und Feiertagen geöffnet.
Nun kann man sich die Frage stellen, ob auch das Ausleihen und Ansehen von DVD’s eine sonntägliche Art der Freizeitgestaltung der Bevölkerung ist oder nicht. Man kann auch danach fragen, ob vielleicht das Ansehen der DVD eine Freizeitbeschäftigung ist, der an Sonn- und Feiertagen nachgegangen wird, der Ausleihvorgang und das Bezahlen aber nicht, weil man das auch werktags erledigen kann? Oder andere Frage: Ist das Betreiben einer Videothek öffentlich bemerkbare Arbeit, wenn hinter der Theke an der Kasse eine Person steht, hingegen keine öffentlich bemerkbare Arbeit, wenn der Ausleihvorgang vollautomatisch abläuft? Weiter kann man sich Fragen, ob das Betreiben der Automatenvideothek öffentlich bemerkbar ist, wenn zahlreiche Kunden mit ihren Autos an- und abfahren und vor dem Laden parken und Lärm machen, wie das wochentags bei allen Läden der Fall ist? Ändert sich dann etwas, wenn die Kunden alle mit dem Fahrrad kommen?
Ähnliche Fragen kann man sich z. B. auch bei Sonnenstudios, die durchgehend geöffnet sind, stellen. Vergleichbar sind auch vollautomatische Autowaschanlagen, die sonntags geschlossen sind, obwohl zumindest der Betreiber eigentlich keine öffentlich bemerkbare Arbeit leistet. Und darüber, ob der Autobesitzer, gerade der typisch deutsche, nun beim Autowaschen sonntags nachmittags öffentlich bemerkbare Arbeit leistet oder aber seiner liebsten Freizeitbeschäftigung – und das gerade sonn- und feiertags – nachgeht, dürften sehr unterschiedliche Auffassungen bestehen.
Jedenfalls Juristen stellen sich all diese Fragen und müssen auch versuchen, sie zu beantworten: Die Rechtsprechung ging lange Zeit davon aus, dass der Betrieb von Automatenvideotheken an Sonn- und Feiertagen unzulässig sei. Es liege eine öffentlich bemerkbare Tätigkeit vor, unabhängig davon, ob im Laden Personen arbeiten oder nicht. Zwischenzeitlich zeichnet sich jedoch langsam eine Kehrtwende ab. Das Oberlandesgericht Bamberg hat nun bereits zum zweiten Male (Beschluss vom 6. November 2006, Az. 3 Ss OWi 1518/2005, zuvor bereits Beschluss vom 7. August 2006, Az. 3 Ss OWi 964/2005) entschieden, dass beim Betrieb einer Automatenvideothek zwar öffentlich bemerkbare Arbeit vorliege, diese aber nicht geeignet sei, „die Feiertagsruhe zu beeinträchtigen“, da der Betrieb letztlich der Freizeitgestaltung diene. In diesem Sinne hatte bereits zuvor das Verwaltungsgericht Augsburg mit Urteil vom 9. November 2005 (Az. 4 K 05.555) entschieden.
Damit darf man sich also wohl auch künftig an verregneten Sonntagnachmittagen ganz spontan dazu entscheiden, eine DVD auszuleihen und anzusehen.
Rechtsanwalt
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Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Solicitor (England und Wales)
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