Nach der Kündigung kommt die Krankschreibung bis zum Ende der Kündigungsfrist, danach startet der Arbeitnehmer sofort im neuen Job? Ein ärztliches Attest kann viel aussagen — oder auch nicht. Das Bundesarbeitsgericht hat neue Regeln dafür aufgestellt, wie Arbeitgeber mit diesem Balanceakt umgehen können.
Arbeitgeber stehen oft vor der Herausforderung, die Echtheit und Tragweite von Krankmeldungen ihrer Mitarbeiter bewerten zu müssen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat kürzlich entschieden, dass Arbeitgeber nicht automatisch an ein ärztliches Attest gebunden sind, insbesondere wenn die Umstände Zweifel an dessen Inhalt aufkommen lassen.
Seit Anfang 2023 erfolgt die Übermittlung von Arbeitsunfähigkeitsmeldungen (AU) elektronisch durch die Krankenkassen, was den „Gelben Schein“ weitgehend überflüssig macht. Doch wie aussagekräftig ist die ärztliche Arbeitsfähigkeitsbescheinigung, insbesondere wenn ein Mitarbeiter sich unmittelbar nach einer Kündigung krank meldet? Schließlich dürfen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht auf Kosten des Arbeitsgebers dazu missbraucht werden, dass Arbeitnehmer sich passend bis zum Antritt einer neuen Stelle freizuschaufeln.
Mittlerweile zwei Urteile des BAG beleuchten diesen Sachverhalt und zeigen eine klare Tendenz dahin, dass der einst hohe Beweiswert des „Gelben Scheins“ nicht mehr uneingeschränkt gilt.
Wann der Gelbe Schein nicht reicht
Begonnen hatte diese Entwicklung mit einem Urteil vom 8. September 2021 (Az. 5 AZR 149/21). Die Erfurter Richter entschieden damals, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor allem dann erschüttert sein kann, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit exakt so lange dauert wie die Kündigungsfrist. Dann steht dem Mitarbeiter möglicherweise keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu, es sei denn, er kann – durch mehr als nur eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung — nachweisen, dass er tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt war.
In einem Urteil vom 13. Dezember 2023 (Az. 5 AZR 137/23) präzisierte und vertiefte das BAG diese Rechtsprechung: Diese Zweifel am Beweiswert einer AU nach Erhalt einer Kündigung gelten unabhängig davon, wer die Kündigung ausgesprochen hat (in diesem Fall hatte der Arbeitgeber gekündigt) und das gilt nicht nur für die erste Krankmeldung, sondern auch für sog. Folgebescheinigungen.
Für Arbeitgeber bedeutet das, dass sie nicht blindlings jeder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vertrauen sollten, insbesondere wenn zeitliche oder andere verdächtige Umstände vorliegen. Es liegt in ihrer Verantwortung, die Glaubwürdigkeit der vorgelegten Krankmeldungen zu prüfen und gegebenenfalls weitere Nachforschungen anzustellen. Auch dieses aktuelle Urteil des BAG zeigt, dass Arbeitgeber nicht machtlos sind, wenn Zweifel an der Echtheit oder dem Umfang der Arbeitsunfähigkeit aufkommen.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Solicitor (England und Wales)
Die Sekretärin, der Mechaniker – alte Stereotype in Stellenanzeigen können Unternehmen teuer zu stehen kommen. Sogenannte AGG-Hopper versuchen, Fehler auszunutzen und auf Entschädigung zu klagen. Das klappt nicht immer, doch die Fälle lehren viel darüber, worauf Arbeitgeber achten sollten, wenn sie eine Stelle ausschreiben. In letzter Zeit kommt es vermehrt zu Streitigkeiten aufgrund angeblicher Diskriminierung im Bewerbungsverfahren. Es gibt eine...
Bonusziele sollen Mitarbeiter motivieren, die Unternehmensziele zu erreichen. Das setzt aber voraus, dass der Mitarbeiter seine Ziele auch kennt – und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem er sie auch realistischerweise noch erfüllen kann, urteilt nun auch das BAG. Frühe Zielvorgaben sind für Arbeitgeber spätestens ab jetzt ein Muss. Bereits im Oktober hatten wir über das stets aktuelle Thema...