LAG Köln kippt Betriebsratsbeschlüsse: Minderheitenschutz ist nicht nur Förmelei

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Das Lan­desar­beits­gericht Köln hat kür­zlich Beschlüsse eines Betrieb­srats für unwirk­sam erk­lärt, obwohl sie, jed­er für sich betra­chtet, for­mal kor­rekt waren. Ins­ge­samt betra­chtet umgin­gen sie aber den geset­zlichen Min­der­heit­en­schutz. Arbeit­ge­ber soll­ten sich­er­stellen, dass Betrieb­sratswahlen und ‑beschlüsse nicht nur for­mal kor­rekt ablaufen.

Die Entschei­dung des Lan­desar­beits­gerichts (LAG) Köln erin­nert daran, dass Arbeit­ge­ber sich stets die Wichtigkeit des geset­zlichen Min­der­heit­en­schutzes in Betrieb­srats­beschlüssen bewusst machen soll­ten. Dieses Prinzip sorgt dafür, dass alle Mitar­beit­er­grup­pen fair vertreten wer­den. Auf seine Ein­hal­tung zu acht­en, beugt sowohl rechtlichen Kon­flik­ten als auch der Unwirk­samkeit von Beschlüssen vor.

Am 28. Juni 2024 (Az. 9 TaBV 52/23) hat das LAG einen Beschluss gefasst, der für Arbeit­ge­ber und Betrieb­sräte gle­icher­maßen rel­e­vant ist.  Der Fall betraf einen neu gewählten Betrieb­srat, der sich ger­ade erst kon­sti­tu­iert hat­te. Dann kam es zu einem ungewöhn­lichen Vor­gang: Kurz nacheinan­der berief er in mehreren Abberu­fungs­beschlüssen alle Mit­glieder ein­er Min­der­heit­sliste aus dem Betrieb­sauss­chuss und aus der Freis­tel­lung ab – so lange, bis die Liste erschöpft, also keine weit­eren Mit­glieder, die nachkom­men hät­ten kön­nen, zur Ver­fü­gung standen, war. Danach erset­zte er sie mit ein­fachen Mehrheits­beschlüssen durch Vertreter der Mehrheit­sliste.

Wie schon zuvor das Arbeits­gericht in Bonn urteilte auch das LAG, dass damit der beab­sichtigte Min­der­heit­en­schutz nicht mehr aus­re­ichend gewährleis­tet sei, auch wenn die einzel­nen Abberu­fungs­beschlüsse mit der erforder­lichen qual­i­fizierten Mehrheit getrof­fen wor­den waren. Es erk­lärte alle Abberu­fungs­beschlüsse für unwirk­sam.

Die Beschlüsse seien jed­er für sich zwar formell kor­rekt gewe­sen, so die Richter in Köln, hät­ten aber in ihrer Gesamtheit betra­chtet den geset­zlichen Min­der­heit­en­schutz unter­laufen. Die Richter beton­ten, dass die Geset­zesvorschriften nicht nur for­mal einge­hal­ten, son­dern auch ihrem Sinn und Zweck nach angewen­det wer­den müssen. In diesem Fall war dies nicht geschehen, da die Min­der­heit­sliste durch Mehrheits­beschlüsse erschöpft wor­den war, es also keine Vertreter der Min­der­heit mehr gab und somit der Schutz der Min­der­heit nicht mehr gewährleis­tet war: eine Umge­hung des geset­zlichen Min­der­heitss­chutzes, kon­sta­tierte das LAG.

 

Nur For­mal­is­mus reicht nicht: Auch Arbeit­ge­ber soll­ten auf den Min­der­heit­en­schutz acht­en

Nach den Bes­tim­mungen des Betrieb­sver­fas­sungs­ge­set­zes (BetrVG) müssen die Mit­glieder des Betrieb­sauss­chuss­es (§ 27 BetrVG) und die freizustel­len­den Betrieb­sratsmit­glieder (§ 38 BetrVG) in geheimer Wahl nach den Prinzip­i­en der Ver­hält­niswahl gewählt wer­den.

Das soll sich­er­stellen, dass Min­der­heits­grup­pen im Betrieb­srat entsprechend ihrer Stärke berück­sichtigt und nicht durch die Mehrheit über­gan­gen wer­den kön­nen. Eine Abberu­fung dieser Mit­glieder ist nur durch eine geheime Abstim­mung mit ein­er Dreiviertelmehrheit möglich. Sollte die Min­der­heit­en­liste erschöpft sein, dür­fen neue Mit­glieder durch Mehrheitswahl bes­timmt wer­den.

Das LAG Köln hält den Fall für grund­sät­zlich bedeut­sam und hat die Rechts­beschw­erde zum Bun­de­sar­beits­gericht zuge­lassen, möglicher­weise ist das let­zte Wort in dieser Angele­gen­heit noch nicht gesprochen. Den­noch hat der Beschluss des LAG erhe­bliche Auswirkun­gen auf die Prax­is.

Arbeit­ge­ber und Betrieb­sräte müssen sich­er­stellen, dass der geset­zlich vorgeschriebene Min­der­heit­en­schutz bei allen Entschei­dun­gen berück­sichtigt wird. Dabei ist es nicht aus­re­ichend, lediglich die for­malen geset­zlichen Vor­gaben einzuhal­ten; auch der Sinn und Zweck des Geset­zes muss beachtet wer­den. Das bedeutet, dass Min­der­heit­en im Betrieb­srat nicht durch strate­gis­che Entschei­dun­gen benachteiligt wer­den dür­fen.

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