Rentner rechtssicher beschäftigen: So arbeiten Unternehmen länger mit erfahrenen Arbeitnehmern

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In Deutsch­land ste­hen Unter­neh­men vor einem wach­sen­den Fach­kräf­te­man­gel. Erfah­re­ne älte­re Arbeit­neh­mer kön­nen eine Lösung bie­ten. Erfah­ren Sie, wie Sie Rent­ner beschäf­ti­gen kön­nen und wel­che recht­li­chen und sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Aspek­te zu beach­ten sind. 

Der Fach­kräf­te­man­gel, der schon heu­te besteht, wird in den kom­men­den Jah­ren wei­ter an Bri­sanz gewin­nen und Unter­neh­men immer stär­ker her­aus­for­dern. Im Jahr 2031 wer­den die gebur­ten­stärks­ten Jahr­gän­ge das Ren­ten­al­ter errei­chen, vie­le erfah­re­ne Arbeits­kräf­te – und damit ein erheb­li­cher Anteil der ver­füg­ba­ren Arbeits­kraft – also den Arbeits­markt ver­las­sen. So haben immer mehr Betrie­be und Unter­neh­men ein gestei­ger­tes Inter­es­se dar­an, erfah­re­ne älte­re Arbeit­neh­mer auch nach Errei­chen des Ren­ten­al­ters wei­ter zu beschäf­ti­gen.

Das Errei­chen der gesetz­li­chen Alters­gren­ze führt nicht auto­ma­tisch zur Been­di­gung eines Arbeits­ver­hält­nis­ses. Been­det wird das Arbeits­ver­hält­nis mit Errei­chen des Ren­ten­ein­tritts­al­ters viel­mehr nur, wenn das ver­trag­lich oder kol­lek­tiv­recht­lich so ver­ein­bart ist. Heu­te ent­hal­ten Arbeits­ver­trä­ge und Tarif­ver­trä­ge in der Regel eine sol­che Befris­tung auf das Regel­ren­ten­al­ter. Es gibt ver­schie­de­ne Mög­lich­kei­ten, Rent­ner wei­ter zu beschäf­ti­gen:

1.  Unbe­fris­te­tes Arbeits­ver­hält­nis

Arbeit­ge­ber soll­ten sorg­fäl­tig abwä­gen, ob die Zusam­men­ar­beit auf Basis eines unbe­fris­te­ten Arbeits­ver­hält­nis­ses erfol­gen soll­te, vor allem, wenn das Kün­di­gungs­schutz­ge­setz (KSchG) Anwen­dung fin­det, also in der Regel bei allen Unter­neh­men, die mehr als 10 Voll­zeit­mit­ar­bei­ter beschäf­ti­gen. Älte­re Arbeit­neh­mer sind in unbe­fris­te­ten Arbeits­ver­hält­nis­sen vor Kün­di­gun­gen geschützt Kün­di­gungs­schutz wie alle ande­ren auch, das KSchG gewährt Arbeit­ge­bern kei­ne Son­der­rech­te, wenn es dar­um geht, sich von älte­ren Arbeit­neh­mern zu tren­nen. Es ist seit lan­gem aner­kannt, dass allein das Errei­chen eines bestimm­ten Lebens­al­ters kei­nen recht­lich zuläs­si­gen Kün­di­gungs­grund dar­stellt.

2.  Befris­te­te Beschäf­ti­gung

Häu­fig sind für bei­de Par­tei­en befris­te­te Ver­trä­ge vor­teil­haf­ter. Sie sind eine gän­gi­ge Pra­xis in der Arbeits­welt, wobei es ver­schie­de­ne Arten von Befris­tun­gen gibt. In der Regel braucht man als Unter­neh­men bestimm­te Grün­de, um Ver­trä­ge nur befris­tet abzu­schlie­ßen, denn Arbeit­neh­mer sol­len in der Regel eine gewis­se Sicher­heit durch unbe­fris­te­te Beschäf­ti­gun­gen bekom­men. Lie­gen sol­che Grün­de für eine Befris­tung nicht vor, kann man im Rah­men einer sog. sach­grund­lo­sen Befris­tung einen Ver­trag nor­ma­ler­wei­se für höchs­tens zwei Jah­re befris­ten (§ 14 Abs. 2 S. 1 des Teil­zeit- und Befris­tungs­ge­set­zes (TzBfG).

Für älte­re Arbeit­neh­mer exis­tiert jedoch gemäß § 14 Absatz 3 des TzBfG eine Son­der­re­ge­lung, die es erlaubt, Ver­trä­ge ohne spe­zi­el­len Grund für bis zu fünf Jah­re zu befris­ten. Die­se Rege­lung greift ins­be­son­de­re, wenn der Arbeit­neh­mer zu Beginn des befris­te­ten Arbeits­ver­hält­nis­ses min­des­tens 52 Jah­re alt ist und in den letz­ten vier Mona­ten vor Ver­trags­be­ginn beschäf­ti­gungs­los war. Aller­dings ist dabei zu beach­ten, dass Rent­ner nor­ma­ler­wei­se nicht als arbeits­los gel­ten; sie erfül­len daher die Vor­aus­set­zun­gen für die­se beson­de­re Befris­tung nicht immer.

Häu­fig lie­gen aber auch im Unter­neh­men Situa­tio­nen vor, die eine Befris­tung recht­fer­ti­gen kön­nen. Eine sol­che Befris­tung mit Sach­grund kann zum Bei­spiel nötig sein, um eine Ver­tre­tung sicher­zu­stel­len oder einen tem­po­rä­ren zusätz­li­chen Arbeits­be­darf zu decken. Es ist beson­ders wich­tig, eine sol­che spe­zi­el­le Situa­ti­on im Unter­neh­men und die Ent­schei­dung sorg­fäl­tig zu doku­men­tie­ren, um eine Befris­tung so zu recht­fer­ti­gen, wie es gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 des TzBfG nötig ist.

3.  Das Ende des Arbeits­ver­hält­nis­ses hin­aus­schie­ben

Dar­über hin­aus gibt es die Opti­on einer Hin­aus­schie­bens­ver­ein­ba­rung nach § 41 S. 3 SGB VI, die es den Par­tei­en ermög­licht, das Ende des Arbeits­ver­hält­nis­ses über das Ren­ten­al­ter hin­aus­zu­schie­ben.

Nach der Vor­schrift haben Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­mer die Mög­lich­keit, den Zeit­punkt, zu dem ein Arbeits­ver­hält­nis endet, zu ver­schie­ben, wenn sie zuvor ver­ein­bart hat­ten, dass das Arbeits­ver­hält­nis mit Errei­chen der Regel­al­ters­gren­ze enden wird. Die­se Rege­lung wur­de am 1. Juli 2014 ein­ge­führt, um Arbeit­ge­bern zu ermög­li­chen, Über­gangs­re­ge­lun­gen zur Nach­fol­ge­be­set­zung von Stel­len zu tref­fen oder lau­fen­de Pro­jek­te abzu­schlie­ßen.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) hat in einem Urteil vom 19. Dezem­ber 2018 klar­ge­stellt, dass es – anders als für eine Befris­tung – für die Ver­schie­bung des Been­di­gungs­zeit­punkts gemäß § 41 Satz 3 SGB VI kei­nen spe­zi­el­len Grund nach dem TzBfG braucht. Eine sol­che Ver­schie­bung der Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses wegen Ren­ten­ein­tritts kön­nen Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­mer auch mehr­fach ver­ein­ba­ren. Die Ver­ein­ba­rung muss schrift­lich erfol­gen.

Aller­dings hat das BAG (Urt. v. 19.12.2018 – 7 AZR 70/17) nicht geklärt, ob die Anfor­de­run­gen an eine „Ver­schie­bung“ gemäß § 41 Satz 3 SGB VI die glei­chen sind wie an die Ver­län­ge­rung einer Befris­tung gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG. Bis zu einer höchst­rich­ter­li­chen Klä­rung emp­fiehlt es sich für Arbeit­ge­ber des­halb, bei einer Ver­schie­bung des Been­di­gungs­zeit­punkts die glei­chen Maß­stä­be anzu­le­gen wie bei einer Ver­län­ge­rung der Befris­tung nach § 14 Absatz 2 TzBfG, um zu ver­mei­den, dass eine gleich­zei­ti­ge Ände­rung der Arbeits­be­din­gun­gen zu einer Unwirk­sam­keit der Befris­tung füh­ren wür­de. Die Ver­schie­bungs­ver­ein­ba­rung soll­te sich des­halb dar­auf beschrän­ken, die Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses zu ver­schie­ben. Wenn es außer­dem im Ver­hält­nis zu dem älte­ren Arbeit­neh­mer noch ande­re Ände­run­gen geben, etwa sein Gehalt oder die Arbeits­zeit ange­passt wer­den sol­len, soll­ten die­se sepa­rat und wäh­rend der Lauf­zeit des Arbeits­ver­trags ver­ein­bart wer­den.

4.  Sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­che Aspek­te

Im Gesetz ist nicht gere­gelt, ob man den Ren­ten­ein­tritt unbe­grenzt hin­aus­schie­ben kann oder ob § 41 Satz 3 SGB VI nur für eine bestimm­te Zeit­span­ne genutzt wer­den kann; auch das BAG hat dazu noch nicht ent­schie­den. Es erscheint ver­nünf­tig, in die­ser Hin­sicht ähn­li­che Miss­brauchs­gren­zen wie bei § 14 Absatz 1 TzBfG anzu­wen­den. Dann wären maxi­mal neun Ver­trags­ver­län­ge­run­gen bei einer zuläs­si­gen Gesamt­dau­er von maxi­mal sechs Jah­ren mög­lich.

In Bezug auf die Beschäf­ti­gung von Rent­nern sind auch die sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Aspek­te von Bedeu­tung. Rent­ner, die wei­ter­hin arbei­ten, müs­sen in der Regel Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge zah­len, ein­schließ­lich Ren­ten­ver­si­che­rung, Kran­ken­ver­si­che­rung und Pfle­ge­ver­si­che­rung. Es gibt jedoch bestimm­te Aus­nah­men und Son­der­re­ge­lun­gen.

  • Ren­ten­ver­si­che­rung:

Ren­ten­emp­fän­ger, die neben­bei arbei­ten, müs­sen kei­ne Ren­ten­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge zah­len. Aller­dings ist der Arbeit­ge­ber ver­pflich­tet, den Arbeit­ge­ber­an­teil der Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge zu zah­len. Seit 2018 beträgt die­ser Anteil 9,3 % der Ein­nah­men, die der Ren­ten­ver­si­che­rungs­pflicht unter­lie­gen. In der knapp­schaft­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung liegt der Anteil gemäß § 172 Abs. 1 SGB VI bei 15,4 % der bei­trags­pflich­ti­gen Ein­nah­men.

Wenn jemand nur eine Teil­ren­te bezieht, müs­sen sowohl der Arbeit­neh­mer- als auch der Arbeit­ge­ber­an­teil des vol­len Ren­ten­bei­trags bezahlt wer­den. Seit 2018 beläuft sich die­ser Bei­trag auf 18,6 % bzw. in der knapp­schaft­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung auf 24,7 % (Arbeit­neh­mer­an­teil 9,3 %, Arbeit­ge­ber­an­teil 15,4 %).

  • Arbeits­lo­sen­ver­si­che­rung:

Per­so­nen, die die Regel­al­ters­gren­ze errei­chen, sind von der Arbeits­lo­sen­ver­si­che­rung aus­ge­schlos­sen (§ 28 Nr. 1 SGB III). Arbeit­ge­ber tra­gen die Hälf­te des Bei­trags, wie wenn die Beschäf­tig­ten ver­si­che­rungs­pflich­tig wären.

  • Kran­ken- und Pfle­ge­ver­si­che­rung:

Per­so­nen ab 55 Jah­ren sind nach § 6 IIIa SGB V ver­si­che­rungs­frei, wenn sie in den letz­ten fünf Jah­ren vor Ein­tritt der Ver­si­che­rungs­pflicht nicht gesetz­lich ver­si­chert waren und min­des­tens für die Hälf­te die­ser Zeit kei­ne Ver­si­che­rungs­pflicht bestand. Bei Voll­rent­nern ist der Bei­trags­satz redu­ziert (14%). Bei Teil­rent­nern gilt der vol­le Satz (14,6%), und es besteht Anspruch auf Kran­ken­geld. Rent­ner zah­len ab Juli 2023 den vol­len Pfle­ge­ver­si­che­rungs­bei­trag (4%), gege­be­nen­falls plus 0,6% Zuschlag für kin­der­lo­se Rent­ner über 23 Jah­re.

  • Zeit­ge­ring­fü­gi­ge Beschäf­ti­gung (§ 8 I Nr. 2 SGB IV)

Bei nur kurz­fris­ti­gen Beschäf­ti­gun­gen, also sol­chen bis zu drei Mona­ten oder nicht mehr als 70 Arbeits­ta­gen pro Jahr, gel­ten Rent­ner als nicht berufs­mä­ßig tätig und sind von pau­scha­lier­ten Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­gen befreit.

Zusam­men­fas­send bie­tet die Beschäf­ti­gung von Rent­nern Unter­neh­men die Mög­lich­keit, wert­vol­les Fach­wis­sen zu nut­zen und dem Fach­kräf­te­man­gel zu begeg­nen. Es ist jedoch ent­schei­dend, die recht­li­chen und sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Aspek­te zu berück­sich­ti­gen und die Ver­trä­ge sorg­fäl­tig anzu­pas­sen. Arbeit­ge­ber soll­ten sich bewusst sein, dass das Ren­ten­al­ter nicht auto­ma­tisch das Arbeits­ver­hält­nis been­det und dass eine fun­dier­te Pla­nung und recht­li­che Bera­tung in die­sem Zusam­men­hang uner­läss­lich sind.

 

Dr. Chris­ti­an Oster­mai­er ist Part­ner bei SNP Schla­wi­en Part­ner­schaft mbB. Er berät Unter­neh­men aller Grö­ßen, meist mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men, sowie deren Gesell­schaf­ter in allen Fra­gen des Gesell­schafts­rechts, ins­be­son­de­re auch bei Unter­neh­mens­trans­ak­tio­nen, und des Arbeits­rechts, hier u.a. zu betriebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Fra­gen, wie dem Abschluss von Betriebs­ver­ein­ba­run­gen. Dane­ben berät Dr. Oster­mai­er lei­ten­de Ange­stell­te, Geschäfts­füh­rer und Vor­stän­de. Er ver­fügt über umfang­rei­che Erfah­rung in den Berei­chen Bio­tech­no­lo­gie, Soft­ware, Han­del und Ver­si­che­run­gen. https://de.linkedin.com/in/ostermaier-christian-898a3027

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