Überwachung des privaten E‑Mail-Verkehrs am Arbeitsplatz 2019

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Die Über­wa­chung des pri­va­ten E‑Mail-Ver­kehrs am Arbeits­platz führt immer wie­der zu Ver­druss: In einem vom Hes­si­schen LAG ent­schie­de­nen Fall (Urteil v. 21. Sep­tem­ber 2018 – 10 Sa 601/18) wur­de der Arbeit­ge­be­rin eine lax gestal­te­te IT-Richt­li­nie zum Ver­häng­nis. Hier­nach war die pri­va­te E‑Mail-Nut­zung prin­zi­pi­ell erlaubt. Dem Arbeit­ge­ber soll­te jedoch „aus betrieb­li­chen Grün­den“ eine Über­wa­chung des E‑Mail-Accounts des Arbeit­neh­mers mög­lich sein. Der Arbeit­ge­ber emp­fahl sei­nen Ange­stell­ten, pri­va­te E‑Mails zu kenn­zeich­nen und sepa­rat zu spei­chern oder sofort zu löschen.

Beleidigung des Geschäftsführers in privater E‑Mail

Ein Seni­or Pro­duct Mana­ger, der mit dem neu­en Geschäfts­füh­rer offen­bar unzu­frie­den war, bezeich­ne­te die­sen in diver­sen pri­va­ten Mails als „Rus­sen-Arsch­loch“, „Fla­sche“ und „Idi­ot“. Einen pri­va­ten E‑Mail-Ord­ner hat­te er nicht ange­legt. Er hat­te jedoch sei­ne pri­va­ten E‑Mails noch gelöscht, bevor er sein Arbeits­ver­hält­nis selbst ordent­lich kün­dig­te.

Durchsuchung der privaten E‑Mails

Nach­dem die Arbeit­ge­be­rin von „geschäfts­schä­di­gen­de Äuße­run­gen“ ihres Seni­or Pro­duct Mana­gers erfah­ren hat­te, durch­such­te sie des­sen E‑Mail-Account für den Zeit­raum von mehr als einem Jahr, stieß dabei auch auf die ver­meint­lich gelösch­ten E‑Mails und kün­dig­te frist­los. Wegen die­ser frist­lo­sen Kün­di­gung traf man sich vor Gericht.

Entscheidung des ArbG Frankfurt a.M. v. 7.3.2018

Sowohl das Erst­ge­richt (ArbG Frank­furt a.M., Urteil v. 7. März 2018 – 6 Ca 2159/17) als auch das Beru­fungs­ge­richt hiel­ten die außer­or­dent­li­che Kün­di­gung trotz der mas­si­ven Belei­di­gun­gen für unwirk­sam. Zwar habe der Klä­ger eine rote Linie über­schrit­ten, aller­dings dürf­ten unab­hän­gig davon, dass die Vor­fäl­le zunächst hät­ten abge­mahnt wer­den müs­sen, die E‑Mails im Pro­zess nicht ver­wer­tet wer­den.

Das Inter­es­se der Arbeit­ge­be­rin an der Siche­rung von Beweis­mit­teln müs­se hin­ter das infor­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mungs­in­ter­es­se des Arbeit­neh­mers zurück­tre­ten. Die E‑Mail-Kon­trol­le sei nicht ver­hält­nis­mä­ßig gewe­sen, denn der Arbeit­neh­mer habe dar­auf ver­traut, dass die Äuße­run­gen den geschütz­ten pri­va­ten Bereich nicht ver­las­sen wür­den; sie wären nicht zur Kennt­nis­nah­me durch Drit­te bestimmt gewe­sen. Der Klä­ger sei nach den Richt­li­ni­en der Beklag­ten nicht ver­pflich­tet gewe­sen, einen pri­va­ten E‑Mail-Ord­ner anzu­le­gen, es habe sich nur um eine Opti­on gehan­delt.

Der Hin­weis auf die Mög­lich­keit zur Ein­sicht­nah­me „aus betrieb­li­chen Grün­den“ sei zu vage. Der Klä­ger habe nicht erken­nen kön­nen, dass jeder­zeit eine umfas­sen­de Kon­trol­le habe erfol­gen kön­nen. Die Arbeit­ge­be­rin dür­fe das Risi­ko eige­nen daten­schutz­wid­ri­gen Ver­hal­tens nicht auf den Arbeit­neh­mer ver­la­gern, indem sie die­sem frei­stel­le, wie mit pri­va­ten E‑Mails zu ver­fah­ren sei. Das letz­te Wort wird nun aber das BAG haben (Akten­zei­chen 2 AZR 564/18, noch nicht ter­mi­niert).

Fazit

Auch wenn das Urteil des Hes­si­schen LAG noch nach dem alten BDSG ent­schie­den wur­de – unter der Gel­tung der DSGVO und des BDSGneu ist es für Arbeit­ge­ber in daten­schutz­recht­li­cher Hin­sicht bekannt­lich nicht leich­ter gewor­den. Arbeit­ge­ber sind gut bera­ten, die pri­va­te Nut­zung des dienst­li­chen E‑Mail-Accounts zu pri­va­ten Zwe­cken klipp und klar zu unter­sa­gen. Pri­va­te E‑Mails unter­fal­len nach über­wie­gen­der Mei­nung schon dem Fern­mel­de­ge­heim­nis (Art. 10 GG, § 88 TKG, straf­recht­lich geschützt ins­be­son­de­re durch §§ 202b, 206 StGB).

Das führt dazu, dass bei einer Ver­mi­schung von dienst­li­chen und pri­va­ten Mails eine Kon­trol­le ohne Ein­wil­li­gung des Arbeit­neh­mers kaum mög­lich sein wird, ohne mit den gesetz­li­chen Vor­ga­ben in Kon­flikt zu gera­ten. Im Pro­zess mit dem Arbeit­neh­mer droht ein Ver­wer­tungs­ver­bot, wenn die Kon­trol­le nicht trans­pa­rent erfolgt und das Recht des Arbeit­neh­mers auf Pri­vat­heit nicht ange­mes­sen beach­tet wird, dies übri­gens auch dann, wenn die Pri­vat­nut­zung unter­sagt ist (so EGMR, Urteil v. 5. Sep­tem­ber 2017 – 61496/08, vgl. hier­zu Law-Blog v. 28. Sep­tem­ber 2017).


Bei­trags­fo­to: © meta­mor­works — Fotolia.com

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