In Betrieben, in denen ukrainische und russische Mitarbeiter beschäftigt sind, birgt der Ukraine-Krieg erhebliches Konfliktpotenzial. Wie Arbeitgeber damit umgehen können und wann juristische Schritte nötig und möglich werden, erklärt Dr. Christian Ostermaier.
Der Krieg in der Ukraine stellt auch viele deutsche Betriebe vor Herausforderungen. Vor allem, wenn in einem Unternehmen sowohl Mitarbeiter aus der Ukraine als auch solche aus Russland beschäftigt sind, kann es zu Spannungen kommen. Manches müssen Arbeitgeber akzeptieren, weil es von der Meinungsfreiheit geschützt ist. Es gibt aber auch Fälle, in denen sie einschreiten dürfen, zum Schutz des eigenen guten Rufs einschreiten sollten oder aber zum Schutz anderer Mitarbeiter sogar einschreiten müssen.
Der Arbeitgeber hat zunächst ein Interesse daran, dass die Außenwirkung des Unternehmens nicht durch gegebenenfalls unbedachte Äußerungen von Arbeitnehmern beeinträchtigt wird. Auch bei Äußerungen in Social Media müssen Arbeitnehmer deshalb Zurückhaltung üben, soweit ihr Social-Media-Account eine Verbindung zum Arbeitgeber herstellt, was zumindest bei Xing und LinkedIn in der Regel der Fall ist.
Doch es geht auch um den Betriebsfrieden, der nicht durch politische Äußerungen beeinträchtigt werden soll. Diesen Betriebsfrieden gilt es zu wahren, auch durch die Mitarbeiter, grundsätzlich müssen die Arbeitnehmer auch auf die Interessen der Kollegen Rücksicht nehmen. Das gilt einerseits hinsichtlich verbaler oder schriftlicher Äußerungen und andererseits auch für das Zeigen von Symbolen, wie z. B. dem „Z“ als Militär- und Propagandazeichen, das derzeit als Zeichen für den russischen Sieg im Angriffskrieg auf die Ukraine dient. Andererseits müssen gegebenenfalls auch die ukrainischen Mitarbeiter bei ihren Reaktionen Rücksicht auf die Interessen des Arbeitgebers und von Kollegen nehmen. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass sie zum Beispiel ein strafbares Verhalten hinnehmen müssten.
Die Verwendung des „Z“ ist das bekannteste Beispiel für die Billigung von Straftaten. In Deutschland laufen knapp drei Monate nach Kriegsbeginn in der Ukraine bereits hunderte Ermittlungsverfahren wegen möglicher Billigung eines Angriffskriegs. Die Billigung bestimmter besonders schwerwiegender Straftaten ist nämlich selbst eine Straftat (§ 140 StGB). Zu diesen besonders schweren Straftaten gehören nicht nur die Kriegsverbrechen nach §§ 8 bis 12 Völkerstrafgesetzbuch (VStGB), sondern auch das „Verbrechen der Aggression“ (§ 13 VStG).
Ein Mitarbeiter, der den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine billigt, macht sich also strafbar. Dafür kann die Benutzung des „Z“ ausreichen, wenn er damit eindeutig den Krieg in der Ukraine billigen will.
Bei begründetem Verdacht darauf, dass tatsächlich ein Straftatbestand verwirklicht wird und das im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht, muss das Unternehmen dagegen einschreiten. Das könnte z. B. der Fall sein, wenn ein Mitarbeiter ein T‑Shirt mit dem „Z“ trägt oder es auch sonst öffentlich zeigt. Tut es das nicht, riskiert es einen Ansehensverlust in der Öffentlichkeit und gegebenenfalls auch Auseinandersetzungen mit anderen Mitarbeitern. Wenn gar der Eindruck entstehen könnte, dass der Arbeitgeber die Äußerung des Arbeitnehmers billigt, könnte Leitende sich unter gewissen Umständen sogar selbst strafbar machen, da sie wiederum die Straftat selbst billigen könnten.
Umgekehrt muss der Arbeitgeber aber auch vermeiden, dass einzelne Bevölkerungsgruppen, derzeit insbesondere Mitarbeiter russischer – oder gegebenenfalls belarussischer – Herkunft, von der übrigen Belegschaft ausgegrenzt werden.
Kommt es aufgrund der aktuellen Situation zu Konflikten zwischen einzelnen Mitarbeitern, kann der Arbeitgeber betroffene Arbeitnehmer endgültig oder zumindest vorübergehend auf einen anderen Arbeitsplatz versetzen, um einen direkten Kontakt und damit auch Konflikt zu vermeiden. Dabei steht es dem Arbeitgeber frei, zu entscheiden, welchen Mitarbeiter er versetzt. Er muss also nicht zwingend denjenigen versetzen, von dem die Aggression ausgeht.
Gegebenenfalls können Äußerungen und Handlungen von Mitarbeitern, die gegen die vorgenannten Grundsätze verstoßen, auch eine Abmahnung rechtfertigen. Verstößt der betroffene Mitarbeiter danach erneut auf vergleichbare Art gegen die Vorgaben, ist auch eine – gegebenenfalls fristlose – Kündigung denkbar, in ganz schwerwiegenden Fällen sogar ohne eine vorhergehende Abmahnung. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass gegebenenfalls eine Änderungskündigung, d. h. der Ausspruch einer Kündigung verbunden mit dem Angebot eines Arbeitsvertrages zu geänderten Bedingungen vorrangig ist. Naheliegend wäre eine andere Tätigkeit oder auch einen anderen Arbeitsort anzubieten, an dem das Konfliktpotenzial geringer ist.
Schließlich könnten sich Kunden oder Mitarbeiter in der aktuellen Situation auch weigern, mit russischstämmigen Mitarbeitern zusammenzuarbeiten. Hier muss sich der Arbeitgeber in erster Linie schützend vor die Mitarbeiter stellen, die ausgegrenzt werden sollen.
In Extremsituationen ist aber sogar eine Druckkündigung denkbar. Eine solche liegt vor, wenn der Arbeitgeber ursprünglich selbst gar nicht kündigen wollte, sich aber dem Druck eines Dritten beugt, sei es der übrigen Arbeitnehmer oder eines Kunden. Rechtssicher möglich wäre das aber nur in ganz extremen Ausnahmefällen, um großen wirtschaftlichen Schaden vom Unternehmen abzuwenden.
Soweit es für die Drohung des Dritten personen- oder verhaltensbedingte Gründe gibt, kann die personen- oder verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein. Wenn aber solche Gründe fehlen, muss sich der Arbeitgeber schützend vor den Arbeitnehmer stellen und alles Zumutbare versuchen, um den Dritten von dem Verlangen abzubringen. Dies geht so weit, dass der Arbeitgeber gegebenenfalls auch den Druck machenden Dritten, insbesondere seinen Arbeitnehmern, Konsequenzen androhen muss. Nur wenn das keinen Erfolg hat, kann eine echte Druckkündigung gerechtfertigt sein. Das BAG stellt darauf ab, dass es praktisch das einzige in Betracht kommende Mittel sein muss.
Wie immer gilt, dass der Rückgriff auf juristische Mittel erst der letzte Schritt sein sollte. Wenn aber das Gespräch nichts mehr hilft, sind Unternehmen in der Pflicht, notfalls auch mit juristischen Mittel zu verhindern, dass der Krieg in der Ukraine auch zu Konflikten im Betrieb führt. Zumindest auf den Frieden im eigenen Unternehmen hat man schließlich Einfluss.
Dr. Christian Ostermaier ist Partner bei SNP Schlawien Partnerschaft mbB. Er berät Unternehmen aller Größen, meist mittelständische Unternehmen, sowie deren Gesellschafter in allen Fragen des Gesellschafts- und des Arbeitsrechts. https://de.linkedin.com/in/ostermaier-christian-898a3027
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Solicitor (England und Wales)
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