Workation: So gestalten Unternehmen die Arbeit aus dem Ausland rechtssicher

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Zu Beginn der Pan­de­mie noch undenk­bar, heu­te von Mit­ar­bei­tern gern schon im Bewer­bungs­ge­spräch abge­fragt: Die Mög­lich­keit, Arbeit und Urlaub zu ver­bin­den, wird zur Nor­ma­li­tät. Was Unter­neh­men für die rechts­si­che­re Work­a­ti­on ihrer Mit­ar­bei­ter regeln müs­sen, erklärt Dr. Chris­ti­an Oster­mai­er.  

Nicht nur die Pan­de­mie, son­dern auch die zuneh­men­de Digi­ta­li­sie­rung hat Aus­wir­kung auf ver­schie­de­ne Lebens­be­rei­che der Men­schen. Ihre Bedürf­nis­se, ihre Lebens­wei­se sowie ihre Arbeits­be­din­gun­gen haben sich stark ver­än­dert, die Gren­zen zwi­schen Pri­vat- und Berufs­le­ben wer­den immer flie­ßen­der. So wird seit Kur­zem auch die sog. Work­a­ti­on bei Arbeit­neh­mern immer belieb­ter und Arbeit­ge­ber ver­su­chen zuneh­mend, mit die­ser Ent­wick­lung Schritt zu hal­ten.

Das Kof­fer­wort setzt sich aus den Wör­tern Work (=Arbeit) und Vaca­ti­on (=Urlaub) zusam­men. Die Arbeit ist also mit Urlaub ver­bun­den (auch vom Aus­land aus) oder sie wird nach dem eigent­li­chen Urlaub vom Urlaubs­ort aus erbracht. Wer im Urlaub arbei­tet, gestal­tet das häu­fig so, dass er vor­mit­tags arbei­tet und nach­mit­tags zum Bei­spiel aufs Surf­brett steigt (oder anders­her­um). Für vie­le Men­schen scheint die Work­a­ti­on die per­fek­te Art der Arbeits­ge­stal­tung zu sein: Nach der Arbeit kommt das Ver­gnü­gen, man brennt nicht aus, der Arbeits­tag wird viel­sei­tig.

Flug­ge­sell­schaf­ten ändern ihre Regeln, Hotels pas­sen sich an die neue Rea­li­tät an und die Län­der begin­nen, Son­der­vi­sa für Free­lan­cer ein­zu­füh­ren. Aber wie sieht das Gan­ze aus recht­li­cher Sicht aus? Ist der Gesetz­ge­ber bereits auf die­se Ent­wick­lung der Arbeits­welt vor­be­rei­tet oder haben wir Lücken in der Gesetz­ge­bung?

 

Von der Realität überholt

Nach deut­schem Recht ist die Work­a­ti­on als mobi­le Arbeit anzu­se­hen. Auch wenn das mobi­le Arbei­ten bereits sehr ver­brei­tet ist, gibt es der­zeit kei­nen Anspruch des Arbeit­neh­mers dar­auf, vom ande­ren Ende der Welt aus zu arbei­ten (ArbG Mün­chen, Urt. v. 27.08.2021, Az. 12 Ga 62/21).

Die Work­a­ti­on ist viel­mehr ein Pri­vi­leg des Arbeits­neh­mers und von der Ent­schei­dung des Arbeit­ge­bers abhän­gig Auch der Koali­ti­ons­ver­trag der Ampel­ko­ali­ti­on beschreibt zwar, dass mobi­le Arbeit EU-weit „unpro­ble­ma­tisch mög­lich sein“ soll, sieht aber kei­nen Rechts­an­spruch auf mobi­le Arbeit bzw. Work­a­ti­on vor.

So bie­tet das The­ma „Work­a­ti­on“ recht­lich der­zeit noch vie­le Unsi­cher­hei­ten, gegen­wär­tig ist der Gesetz­ge­ber nicht auf dem glei­chen Stand wie die Pra­xis in vie­len Unter­neh­men, die längst Work­a­ti­ons für ihre Mit­ar­bei­ter mög­lich machen.

 

Workations auf jeden Fall vertraglich regeln

Des­halb ist eine aus­führ­li­che und gut durch­ge­dach­te ver­trag­li­che Rege­lung mit Mit­ar­bei­tern not­wen­dig, die den Wunsch nach einer Work­a­ti­on äußern. Work­a­ti­on­re­ge­lun­gen kön­nen im All­ge­mei­nen auch in der Betriebs­ver­ein­ba­rung oder in einer ent­spre­chen­den Richt­li­nie fest­ge­hal­ten wer­den.

Pra­xis­tipp: Wir emp­feh­len, in jedem Fall eine Zusatz­ver­ein­ba­rung zum Arbeits­ver­trag abzu­schlie­ßen, um die mobi­le Arbeit zu regeln.

Durch eine Work­a­ti­on blei­ben die Rege­lun­gen des Arbeits­ver­trags unbe­rührt. Zusätz­lich soll­ten in der Ver­ein­ba­rung gere­gelt wer­den:

  • Aus­lands­auf­ent­halt
  • Arbeits­zeit
  • Pflich­ten des Arbeit­neh­mers vor und wäh­rend der Aus­lands­tä­tig­keit
  • Arbeits­mit­tel oder Auf­wands­er­stat­tung
  • Arbeits­ver­hin­de­rung
  • Been­di­gung der Aus­lands­tä­tig­keit
  • Rechts­wahl­ver­ein­ba­rung

Die Rege­lun­gen zur mobi­len Arbeit unter­lie­gen, wie auch der Arbeits­ver­trag selbst, einer gericht­li­chen Inhalts­kon­trol­le, soweit es sich um All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen han­delt, was so gut wie immer der Fall sein wird. Sie müs­sen also trans­pa­rent sein und dür­fen die nicht unan­ge­mes­sen benach­tei­li­gen. Gera­de bei häu­fi­gen oder län­ge­ren Aus­lands­auf­ent­hal­ten soll­te zur Sicher­heit zudem aus­drück­lich deut­sches Recht im Ver­trag gewählt wer­den.

Unab­hän­gig von die­sen Rege­lun­gen unter Anwen­dung des deut­schen Rechts sind auch zwin­gen­de Rege­lun­gen des Gast­lan­des zu beach­ten, ins­be­son­de­re die dort gel­ten­den Fei­er­ta­ge.

 

Steuerrecht: Lohnsteuer und (k)eine Betriebsstätte im Ausland

Die Lohn­steu­er spielt bei der Work­a­ti­on grund­sätz­lich kei­ne so gro­ße Rol­le, wenn der Arbeit­neh­mer sei­nen Wohn­sitz und Lebens­mit­tel­punkt in Deutsch­land hat, also weni­ger als 183 Tage im Jahr im Aus­land ver­bringt. Hat der einen wei­te­ren Wohn­sitz im Aus­land, soll­te die Besteue­rung zwi­schen den Staa­ten aller­dings näher geprüft wer­den.

Soweit Mit­ar­bei­ter nur kurz­fris­tig im Aus­land arbei­ten, dürf­te das Risi­ko, dass der Arbeit­ge­ber dort eine Betriebs­stät­te begrün­det, gering sein. Bei län­ger­fris­ti­ger Arbeit vom Aus­land aus lässt sich hin­ge­gen nicht ganz aus­schlie­ßen, dass der Arbeit­ge­ber dort eine Betriebs­stät­te begrün­det. Das soll­te bei län­ge­ren Aus­lands­auf­ent­hal­ten in jedem Fall mit dem Steu­er­be­ra­ter des Arbeit­ge­bers geklärt wer­den.

 

Aufenthaltsrecht: Brauchen Arbeitnehmer eine zusätzliche Arbeitserlaubnis?

Die Work­a­ti­on zeigt auch einen nähe­ren Zusam­men­hang mit dem Auf­ent­halts­recht. In Deutsch­land regelt das Auf­ent­halts­ge­setz die Ein­rei­se, den Auf­ent­halt sowie u.a. die Erwerbs­tä­tig­keit von Aus­län­dern in Deutsch­land. Umge­kehrt sind, wenn Mit­ar­bei­ter aus Deutsch­land im Aus­land im Rah­men von Work­a­ti­ons arbei­ten, die Rege­lun­gen des jewei­li­gen Gast­lan­des bezüg­lich des Auf­ent­halts­rechts und ggf. der Arbeits­er­laub­nis zu beach­ten.

Bei der Arbeit eines EU-Staats­bür­gers in einem ande­ren Mit­glied­staat der Euro­päi­schen Uni­on ist das unpro­ble­ma­tisch. Sobald die Arbeit aber in einem Nicht-EU-Land erfolgt, müs­sen die Anfor­de­run­gen im Ein­zel­nen geprüft wer­den. Ein Tou­ris­ten­vi­sum wird in der Regel nicht aus­rei­chen, wenn Mit­ar­bei­ter im Gast­land arbei­ten. Eine ent­spre­chen­de Auf­ent­halts-/Ar­beits­ge­neh­mi­gung wird aller­dings häu­fig nur schwer zu erlan­gen sein, da die ent­spre­chen­den Visa häu­fig vor­aus­set­zen, dass die Beschäf­ti­gung in einem Betrieb des Gast­lan­des erfolgt. Das ist bei Work­a­ti­ons ja gera­de nicht der Fall.

Ohne eine not­wen­di­ge Auf­ent­halts­er­laub­nis begeht der jewei­li­ge Mit­ar­bei­ter eine Ord­nungs­wid­rig­keit und muss unter Umstän­den mit einem Buß­geld rech­nen. So darf zum Bei­spiel ein ame­ri­ka­ni­scher Staats­bür­ger mit einem deut­schen Arbeits-Auf­ent­halts­ti­tel in Spa­ni­en nicht arbei­ten, nicht ein­mal für kur­ze Zeit. Eini­ge Län­der bie­ten inzwi­schen auch ent­spre­chen­de Visa für remo­te work an, die aber in der Regel für län­ge­re Auf­ent­hal­te aus­ge­legt sind.

 

Sozial- und Datenschutzrecht: Vorsicht bei Arbeit außerhalb des EWR

Im Sozi­al­ver­si­che­rungs­recht gilt grund­sätz­lich das Recht des Orts, von dem aus der Mit­ar­bei­ter arbei­tet. Für Län­der der Euro­päi­schen Uni­on, des Euro­päi­schen Wirt­schafts­raums (EWR) und der Schweiz geht das ver­hält­nis­mä­ßig unpro­ble­ma­tisch, da die Deut­sche Ver­bin­dungs­stel­le Kran­ken­ver­si­che­rung  – Aus­land (DVKA) hier­für eine A1-Beschei­ni­gung erteilt. Für alle ande­ren Län­der sind die sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Aus­wir­kun­gen im Ein­zel­nen zu prü­fen.

Ähn­lich ver­hält es sich bei daten­schutz­recht­li­chen Anfor­de­run­gen, die auch bei der Arbeit im Aus­land immer zu beach­ten sind. Bei Tätig­kei­ten in Län­dern, in denen mit der Daten­schutz­grund­ver­ord­nung das glei­che Schutz­ni­veau gilt wie in Deutsch­land – also in allen Län­dern der EU und des Euro­päi­schen Wirt­schafts­raums –, ist das unpro­ble­ma­tisch. Wer­den die Daten aber in ande­ren Län­dern ver­ar­bei­tet, kann das daten­schutz­recht­lich pro­ble­ma­tisch sein. Erfolgt der Zugriff aber – wie das bei Work­a­ti­ons typi­scher­wei­se der Fall ist – nur für einen kur­zen Zeit­raum über einen gesi­cher­ten VPN-Tun­nel, ent­ste­hen in aller Regel kei­ne Pro­ble­me.

 

Den Betriebsrat nicht vergessen

Wie erwähnt ent­schei­det allein der Arbeit­ge­ber über die Mög­lich­keit der mobi­len Arbeit und damit auch von Work­a­ti­ons, also ob über­haupt eine sol­che Mög­lich­keit der mobi­len Arbeit ein­ge­führt wer­den soll. Bei der Aus­ge­stal­tung der Work­a­ti­on aber, also der Art und Wei­se der Arbeits­aus­füh­rung wie bei­spiels­wei­se bei Rege­lun­gen zur Arbeits­zeit, müs­sen die Mit­be­stim­mungs­rech­te des Betriebs­rats beach­tet wer­den. Das kürz­lich in Kraft getre­te­ne Betriebs­rä­te­mo­der­ni­sie­rungs­ge­setz hat bei der „Aus­ge­stal­tung von mobi­ler Arbeit, die mit­tels Infor­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik erbracht wird“, ein neu­es zwin­gen­des Mit­be­stim­mungs­recht des Betriebs­rats geschaf­fen (§ 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG).


Dr. Chris­ti­an Oster­mai­er ist Part­ner bei SNP Schla­wi­en Part­ner­schaft mbB. Er berät Unter­neh­men aller Grö­ßen, meist mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men, sowie deren Gesell­schaf­ter in allen Fra­gen des Gesell­schafts­rechts und des Arbeits­rechts. https://de.linkedin.com/in/ostermaier-christian-898a3027

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