Digitale Kommunikation im Geschäftsverkehr: Wer muss den Zugang von E‑Mails beweisen?

© NicoElNino/stock.adobe.com
BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Die E‑Mail — ein Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel, das aus dem heu­ti­gen Leben nicht mehr weg­zu­den­ken ist. Gera­de des­we­gen gerät sie auch immer wie­der in den Fokus der Recht­spre­chung. Was ein Gericht jüngst zum Zugang von digi­ta­ler Kom­mu­ni­ka­ti­on zu sagen hat­te, berich­tet Dr. Chris­ti­an Oster­mai­er. 

Das LAG Köln (Az. 4 Sa 315/21) hat­te im Rah­men der Fra­ge, ob ein Ange­bot zum Abschluss des Arbeits­ver­tra­ges recht­zei­tig erfolgt ist, auch dar­über zu ent­schei­den, wer Vor­aus­set­zun­gen für den Zugang einer E‑Mail dar­le­gen und ggf. bewei­sen muss.

In Streit stand eine von der Beklag­ten ver­sen­de­te E‑Mail mit dem Ange­bot zur Über­nah­me in ein Arbeits­ver­hält­nis. Der Klä­ger behaup­te­te die E‑Mail am 28. Okto­ber 2018 erhal­ten zu haben. Die Beklag­te behaup­te­te wie­der­um die E‑Mail am 25. Okto­ber 2018 – damit noch inner­halb der Frist — ver­sen­det zu haben. Sie ver­wies auf ihr Post­aus­gangs- und Post­ein­gangs­kon­to, wonach die E‑Mail ver­schickt wor­den sei und sie dar­auf­hin kei­ne Mel­dung der Unzu­stell­bar­keit erhal­ten habe.

Das Arbeits­ge­richt ist in ers­ter Instanz mit guten Grün­den von einem Zugang am 28. Okto­ber 2018 – also nicht inner­halb der ver­trag­li­che ver­ein­bar­ten fünf Jah­re – aus­ge­gan­gen. Die hier­ge­gen ein­ge­leg­te Beru­fung blieb ohne Erfolg.

Nach Mei­nung des Gerichts sei der Zugang der E‑Mail vom Ver­sen­der dar­zu­le­gen. Ob die Nach­richt nach dem Ver­sen­den auf den Ser­ver ein­ge­he, sei nicht gewiss. So wie es auch bei ein­fa­cher Post tech­nisch mög­lich sei, dass die Nach­richt nicht ankom­me, kön­ne die­ses Risi­ko auch beim E‑Mail-Ver­sand nicht dem Emp­fän­ger auf­ge­bür­det wer­den. Der Ver­sen­der wäh­le die Art der Über­mitt­lung der Wil­lens­er­klä­rung und damit das Risi­ko, dass die­se nicht ankom­me. Dar­über hin­aus habe der Ver­sen­der die Mög­lich­keit sicher­zu­stel­len, dass eine E‑Mail den Adres­sa­ten erreicht habe, indem der Ver­sen­der über die Opti­ons­ver­wal­tung des E‑Mail-Pro­gramms eine Lese­be­stä­ti­gung anfor­de­re. Dies war hier nicht gesche­hen.

 

Beweis für den Zugang einer E‑Mail

Zur Dar­le­gungs- und Beweis­last des Zugangs einer E‑Mail wer­den in der Lite­ra­tur und in der Recht­spre­chung unter­schied­li­che Auf­fas­sun­gen ver­tre­ten:

Einer­seits wird ver­tre­ten, dass dem Absen­der einer E‑Mail der Beweis des ers­ten Anscheins dahin­ge­hend zur Sei­te ste­he, dass die von ihm ver­sand­te E‑Mail beim Emp­fän­ger ein­ge­gan­gen ist, wenn nicht eine Rück­sen­dung als unzu­stell­bar ein­ge­gan­gen. Dies gel­te auch dann, wenn die Nach­richt mög­li­cher­wei­se in einen Spam­fil­ter gelangt (AG Frank­furt, Urteil vom 23. Okto­ber 2008 – 30 C 730/08).

Ande­rer­seits muss der Zugang der E‑Mail gemäß § 130 BGB vom Ver­sen­der dar­ge­legt und beweist wer­den. Die Absen­dung der E‑Mail begrün­de kei­nen Anscheins­be­weis für den Zugang beim Emp­fän­ger (LAG Ber­lin, Urteil vom 24. August 2018 – 2 Sa 403/18 – Rn. 39). Dies gilt auch für Sen­dungs­pro­to­kol­le.

Soweit wich­ti­ge Erklä­run­gen per E‑Mail ver­schickt wer­den, soll­te in jedem Fall eine Über­mitt­lungs- und auch Lese­be­stä­ti­gung ange­for­dert wer­den. Durch die Über­mitt­lungs­be­stä­ti­gung lässt sich zumin­dest nach­wei­sen, dass die E‑Mail bei dem Emp­fän­ger ein­ge­gan­gen, also in sein Post­fach gelangt ist.

 

Beweis für den Zugang einer WhatsApp-Nachricht – auf die blauen Häkchen kommt es nicht an

Bereits letz­tes Jahr hat sich das LAG Mün­chen mit der Fra­ge des Zugangs von Whats­App-Nach­rich­ten beschäf­tigt (Az: 11 Sa 583/21).

Das Gericht ließ als Nach­weis für den Zugang einer Whats­App-Nach­richt aus­rei­chen, dass die­se auf dem Smart­phone des Ver­sen­ders mit zwei Häk­chen ver­se­hen war, eines für den erfolg­rei­chen Ver­sand und eines für den Erhalt durch den Emp­fän­ger. Im Zuge des­sen muss­te sich auch damit aus­ein­an­der­ge­setzt wer­den, wel­che Bedeu­tung es hat, wenn die Häk­chen grau und nicht blau sind. Durch ein blau­es Häk­chen wird grund­sätz­lich gekenn­zeich­net, dass die Nach­richt gele­sen wur­de. Aus dem Feh­len des blau­en Häk­chens lie­ße sich aller­dings auch nicht zwin­gend schlie­ßen, dass die Nach­richt noch nicht gele­sen wur­de. Viel­mehr bestehe die Mög­lich­keit, die­se Kenn­zeich­nung abzu­schal­ten. Es kom­me hier nur dar­auf an, dass die Mög­lich­keit der Kennt­nis­nah­me besteht. Dar­auf, ob der Emp­fän­ger dann tat­säch­lich die Nach­richt zur Kennt­nis neh­men konn­te oder nicht, kom­me es nicht an. Viel­mehr trifft den Emp­fän­ger die Oblie­gen­heit, die nöti­gen Vor­keh­run­gen für eine tat­säch­li­che Kennt­nis­nah­me zu tref­fen.

 

Letzt­end­lich ist § 130 BGB von der Ent­schei­dung abhän­gig, wem das Risi­ko der Zustel­lung auf­ge­bür­det wird. Für jedes digi­ta­le Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel muss ein­zeln ent­schie­den wer­den, in wel­che Risi­ko­sphä­re dies fällt. Hin­sicht­lich des Zeit­punkts des Zugangs kommt es dabei gera­de nicht dar­auf an, wann der Erklä­rungs­emp­fän­ger Kennt­nis von der Erklä­rung erhal­ten hat, son­dern wann unter gewöhn­li­chen Umstän­den die Mög­lich­keit besteht, von der Erklä­rung Kennt­nis zu neh­men.

 

Dr. Chris­ti­an Oster­mai­er ist Part­ner bei SNP Schla­wi­en Part­ner­schaft mbB berät Unter­neh­men aller Grö­ßen, meist mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men, sowie deren Gesell­schaf­ter in allen Fra­gen des Gesell­schafts­rechts und des Arbeits­rechts. https://de.linkedin.com/in/ostermaier-christian-898a3027


Bit­te beach­ten Sie auch fol­gen­de Web­i­na­re von Dr. Oster­mai­er im Febru­ar 2023

27. Febru­ar 2023, 9:30 – 12:00 Uhr | Web­i­nar
„Befris­tungs­recht im Öffent­li­chen Dienst“- WALHALLA Fach­ver­lag Semi­na­re
Dr. Chris­ti­an Oster­mai­er

28. Febru­ar 2023, 9:30 – 12:00 Uhr | Web­i­nar
„Befris­tungs­recht nach WissZeitVG“ – WALHALLA Fach­ver­lag Semi­na­re
Dr. Chris­ti­an Oster­mai­er

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Über den autor

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Alternative Feiertagsregelungen: Wie Unternehmen auf religiöse Vielfalt Rücksicht nehmen können

Was tun, wenn Arbeitnehmer Weihnachten nicht feiern? In einer multikulturellen Arbeitswelt stehen Unternehmen vor der Herausforderung, religiöse Vielfalt zu berücksichtigen – besonders, wenn es um Feiertage geht. Das deutsche Arbeitsrecht bietet flexible Lösungen, von Gleitzeit über Sonderurlaub bis hin zum Tausch von Feiertagen.   Auch die Bemühungen der US-amerikanischen Regierung, Inklusions- und Vielfaltsmaßnahmen zurückzudrängen, ändern nichts daran, dass wir in...

Mann bewirbt sich auf Job für „Sekretärin“: Entschädigung wegen Diskriminierung?

Die Sekretärin, der Mechaniker – alte Stereotype in Stellenanzeigen können Unternehmen teuer zu stehen kommen. Sogenannte AGG-Hopper versuchen, Fehler auszunutzen und auf Entschädigung zu klagen. Das klappt nicht immer, doch die Fälle lehren viel darüber, worauf Arbeitgeber achten sollten, wenn sie eine Stelle ausschreiben. In letzter Zeit kommt es vermehrt zu Streitigkeiten aufgrund angeblicher Diskriminierung im Bewerbungsverfahren. Es gibt eine...