Eine Orchestermusikerin, die sich weigerte, angeordnete PCR-Tests durchführen zu lassen, hat keinen Anspruch auf Zahlung ihres Arbeitslohns. Die Bayerische Staatsoper durfte die Tests anordnen, entschied das Bundesarbeitsgericht. Ein Urteil, das hoffentlich allenfalls rechtshistorisch bedeutsam ist, kommentiert Dr. Christian Ostermaier.
Einmal mehr hat mit dem Bundesarbeitsgericht (BAG) ein Bundesgericht über die Rechtmäßigkeit sog. Corona-Maßnahmen entschieden. In Erfurt unterlag eine Flötistin der Bayerischen Staatsoper auf ganzer Linie. Die Musikerin klagte auf Zahlung ihres Gehalts von Ende August bis Ende Oktober 2020, zumindest wollte sie für die Zeiten häuslichen Übens bezahlt werden. Außerdem verlangte sie, beschäftigt zu werden, ohne Corona-Tests irgendeiner Art durchführen lassen zu müssen.
Im Spätsommer und Herbst 2020, einer der Hochphasen der Pandemie, hatte die Bayerische Staatsoper eine Teststrategie zum Schutz der Mitarbeiter vor Covid-19-Erkrankungen entwickelt. Sie war Bestandteil einer Gesamtstrategie, zuvor hatte das Opernhaus bauliche und organisatorische Maßnahmen ergriffen. Die Teststrategie war entwickelt worden in Zusammenarbeit mit einem Münchner Institut für Virologie. Demnach wurden die Beschäftigten in Risikogruppen eingeteilt und je nach Gruppe in unterschiedlichen Zeitabständen verpflichtet, PCR-Tests durchführen zu lassen, wahlweise kostenlos von der Oper zur Verfügung gestellte oder von einem selbst ausgesuchten Anbieter. Ohne Testung könne die Flötistin nicht an Aufführungen und Proben teilnehmen, teilte die Oper ihr mit.
Die Musikerin weigerte sich aber, sich testen zu lassen. Die Tests seien zu ungenau und anlasslose Massentests unzulässig, begründete sie ihre Weigerung. Ab Ende Oktober legte sie Testbefunde vor, ohne jedoch eine entsprechende Rechtspflicht anzuerkennen. Gleichzeitig erhob sie Klage gegen den Freistaat Bayern. Wie schon die Vorinstanzen konnte sie aber auch das BAG nun nicht überzeugen.
Mit der Anweisung zur Durchführung von PCR-Tests sei der beklagte Freistaat seiner Pflicht nachgekommen, die Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit zu schützen, so die Richter in Erfurt. Die auf dem entwickelten Hygienekonzept basierenden Anweisungen der Oper als Arbeitgeberin seien rechtmäßig gewesen (BAG, Urt. v. 01.06.2022, Az. 5 AZR 28/22).
Mit dem aus verschiedenen Maßnahmen bestehenden und mit wissenschaftlicher Unterstützung erarbeiteten Hygieneschutzkonzept habe die Oper den Spielbetrieb ermöglichen, die Gesundheit ihrer Arbeitnehmer schützen und dabei die Vorgaben der einschlägigen Infektionsschutzmaßnahmen-Verordnung einhalten wollen, argumentiert der 5. Senat. Die auf dieser Grundlage den Arbeitnehmern erteilten Anweisungen hätten billigem Ermessen entsprochen (§ 106 Gewerbeordnung).
Den mit einem Test verbundenen minimalen Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit habe die Musikerin hinnehmen müssen. Auch ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung helfe ihr nicht weiter, da ein positives Testergebnis schon wegen der entsprechenden Melde- und Kontaktnachverfolgungspflichten sowieso im Betrieb bekannt würde.
Weil die Musikerin, die sich weigerte, die rechtmäßig angeordneten Tests vorzulegen, nicht wilens gewesen sei, ihre Arbeitsleistung zu erbringen, schulde die Oper ihr für den Zeitraum, in dem sie keine Tests vorgelegt hatte, auch keine Vergütung, so das BAG.
Auch ihre häuslichen Übungen muss der Freistaat laut dem Senat nicht entgelten. Eine Vergütung sei nur für Übungen geschuldet, die auf die Proben und Aufführungen bezogen sind. An diesen hatte die Flötistin aber ja gerade nicht teilgenommen, sie hätte also auch nicht dafür üben müssen. Einen Anspruch darauf, pauschal nicht getestet zu werden, habe die Arbeitnehmerin schließlich schon deshalb nicht, weil die Bayerische Staatsoper mit ihrem Hygienekonzept ja gezeigt habe, dass wirksame Testanordnungen rechtlich sehr wohl möglich sind.
Überraschend ist die Entscheidung aus Erfurt nicht. Juristen bezeichnen vergleichbare Entscheidungen gern als begrüßenswert, weil sie für Arbeitgeber wertvolle Klarstellungen für den Fall von Differenzen mit Arbeitnehmern schaffen. Im Fall von Schutzmaßnahmen gegen das Corona-Virus bleibt zu hoffen, dass es diese Klarstellung nicht brauchen wird, weil vergleichbare Maßnahmen hoffentlich in Zukunft nicht mehr nötig sein werden. Wünschenswert wäre nun noch ein klares Statement des BAG zu Verstößen gegen die Maskenpflicht.
Dr. Christian Ostermaier ist Partner bei SNP Schlawien Partnerschaft mbB. Er berät Unternehmen aller Größen, meist mittelständische Unternehmen, sowie deren Gesellschafter in allen Fragen des Gesellschaftsrechts und des Arbeitsrechts. https://de.linkedin.com/in/ostermaier-christian-898a3027
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Solicitor (England und Wales)
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