Die E‑Mail — ein Kommunikationsmittel, das aus dem heutigen Leben nicht mehr wegzudenken ist. Gerade deswegen gerät sie auch immer wieder in den Fokus der Rechtsprechung. Was ein Gericht jüngst zum Zugang von digitaler Kommunikation zu sagen hatte, berichtet Dr. Christian Ostermaier.
Das LAG Köln (Az. 4 Sa 315/21) hatte im Rahmen der Frage, ob ein Angebot zum Abschluss des Arbeitsvertrages rechtzeitig erfolgt ist, auch darüber zu entscheiden, wer Voraussetzungen für den Zugang einer E‑Mail darlegen und ggf. beweisen muss.
In Streit stand eine von der Beklagten versendete E‑Mail mit dem Angebot zur Übernahme in ein Arbeitsverhältnis. Der Kläger behauptete die E‑Mail am 28. Oktober 2018 erhalten zu haben. Die Beklagte behauptete wiederum die E‑Mail am 25. Oktober 2018 – damit noch innerhalb der Frist — versendet zu haben. Sie verwies auf ihr Postausgangs- und Posteingangskonto, wonach die E‑Mail verschickt worden sei und sie daraufhin keine Meldung der Unzustellbarkeit erhalten habe.
Das Arbeitsgericht ist in erster Instanz mit guten Gründen von einem Zugang am 28. Oktober 2018 – also nicht innerhalb der vertragliche vereinbarten fünf Jahre – ausgegangen. Die hiergegen eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg.
Nach Meinung des Gerichts sei der Zugang der E‑Mail vom Versender darzulegen. Ob die Nachricht nach dem Versenden auf den Server eingehe, sei nicht gewiss. So wie es auch bei einfacher Post technisch möglich sei, dass die Nachricht nicht ankomme, könne dieses Risiko auch beim E‑Mail-Versand nicht dem Empfänger aufgebürdet werden. Der Versender wähle die Art der Übermittlung der Willenserklärung und damit das Risiko, dass diese nicht ankomme. Darüber hinaus habe der Versender die Möglichkeit sicherzustellen, dass eine E‑Mail den Adressaten erreicht habe, indem der Versender über die Optionsverwaltung des E‑Mail-Programms eine Lesebestätigung anfordere. Dies war hier nicht geschehen.
Zur Darlegungs- und Beweislast des Zugangs einer E‑Mail werden in der Literatur und in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen vertreten:
Einerseits wird vertreten, dass dem Absender einer E‑Mail der Beweis des ersten Anscheins dahingehend zur Seite stehe, dass die von ihm versandte E‑Mail beim Empfänger eingegangen ist, wenn nicht eine Rücksendung als unzustellbar eingegangen. Dies gelte auch dann, wenn die Nachricht möglicherweise in einen Spamfilter gelangt (AG Frankfurt, Urteil vom 23. Oktober 2008 – 30 C 730/08).
Andererseits muss der Zugang der E‑Mail gemäß § 130 BGB vom Versender dargelegt und beweist werden. Die Absendung der E‑Mail begründe keinen Anscheinsbeweis für den Zugang beim Empfänger (LAG Berlin, Urteil vom 24. August 2018 – 2 Sa 403/18 – Rn. 39). Dies gilt auch für Sendungsprotokolle.
Soweit wichtige Erklärungen per E‑Mail verschickt werden, sollte in jedem Fall eine Übermittlungs- und auch Lesebestätigung angefordert werden. Durch die Übermittlungsbestätigung lässt sich zumindest nachweisen, dass die E‑Mail bei dem Empfänger eingegangen, also in sein Postfach gelangt ist.
Bereits letztes Jahr hat sich das LAG München mit der Frage des Zugangs von WhatsApp-Nachrichten beschäftigt (Az: 11 Sa 583/21).
Das Gericht ließ als Nachweis für den Zugang einer WhatsApp-Nachricht ausreichen, dass diese auf dem Smartphone des Versenders mit zwei Häkchen versehen war, eines für den erfolgreichen Versand und eines für den Erhalt durch den Empfänger. Im Zuge dessen musste sich auch damit auseinandergesetzt werden, welche Bedeutung es hat, wenn die Häkchen grau und nicht blau sind. Durch ein blaues Häkchen wird grundsätzlich gekennzeichnet, dass die Nachricht gelesen wurde. Aus dem Fehlen des blauen Häkchens ließe sich allerdings auch nicht zwingend schließen, dass die Nachricht noch nicht gelesen wurde. Vielmehr bestehe die Möglichkeit, diese Kennzeichnung abzuschalten. Es komme hier nur darauf an, dass die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht. Darauf, ob der Empfänger dann tatsächlich die Nachricht zur Kenntnis nehmen konnte oder nicht, komme es nicht an. Vielmehr trifft den Empfänger die Obliegenheit, die nötigen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme zu treffen.
Letztendlich ist § 130 BGB von der Entscheidung abhängig, wem das Risiko der Zustellung aufgebürdet wird. Für jedes digitale Kommunikationsmittel muss einzeln entschieden werden, in welche Risikosphäre dies fällt. Hinsichtlich des Zeitpunkts des Zugangs kommt es dabei gerade nicht darauf an, wann der Erklärungsempfänger Kenntnis von der Erklärung erhalten hat, sondern wann unter gewöhnlichen Umständen die Möglichkeit besteht, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen.
Dr. Christian Ostermaier ist Partner bei SNP Schlawien Partnerschaft mbB berät Unternehmen aller Größen, meist mittelständische Unternehmen, sowie deren Gesellschafter in allen Fragen des Gesellschaftsrechts und des Arbeitsrechts. https://de.linkedin.com/in/ostermaier-christian-898a3027
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Dr. Christian Ostermaier
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Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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