Spätestens jetzt müssen Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitern ihre Lieferketten mit Blick auf Menschenrechte und Umweltschutz genau überwachen. Erfahren Sie in diesem Blog-Beitrag, welche Schutzgüter im Arbeitsrecht betroffen sind, wie sich das Gesetz auf individuelle Arbeitsverhältnisse auswirkt und welche Rechte und Pflichten Wirtschaftsausschuss und Betriebsrat bekommen.
Seit Anfang des Jahres gelten auch für deutsche Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern verstärkte Verpflichtungen hinsichtlich der Überwachung ihrer Lieferketten im Hinblick auf Menschenrechte und Umweltschutz. Diese Entwicklung birgt auch arbeitsrechtliche Implikationen, die Unternehmen und Personalverantwortlichen berücksichtigen müssen.
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das wir – auch in seinen mittelbaren Auswirkungen auf kleinere Unternehmen – bereits vorgestellt haben, schützt in § 2 Abs. 2 und 3 LkSG menschenrechtliche und umweltbezogene Rechtspositionen, die sich unmittelbar auf das Arbeitsleben beziehen. Hierzu zählen das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, Arbeitsschutz, Koalitionsfreiheit, Schutz vor Diskriminierung und die Gewährleistung angemessener Bezahlung.
Die Auswirkungen des LkSG auf individuelle Arbeitsverhältnisse sind begrenzt. Unternehmen müssen allerdings gemäß § 6 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 LkSG klare Erklärungen zu ihren Erwartungen an die Mitarbeiter bezüglich Menschenrechten und Umweltschutz abgeben.
Es ist durchaus sinnvoll, Mitarbeiter persönlich zur Einhaltung der LkSG-Vorschriften zu verpflichten. Allerdings muss dies nicht zwangsläufig in jedem einzelnen Vertrag mit den Mitarbeitern detailliert festgehalten werden. Stattdessen könnten interne Unternehmensrichtlinien, Handbücher oder Leitfäden erstellt oder angepasst werden, um die relevanten Bestimmungen des LkSG zu kommunizieren. Eine solche Richtlinie könnte beispielsweise allgemeine Verhaltensgrundsätze enthalten, die das Unternehmen zur Einhaltung der Menschenrechtsstandards und gegen Zwangsarbeit verpflichten.
Was der Wirtschaftsausschuss jetzt wissen muss
Auch im Bereich des Kollektivarbeitsrechts hat das LkSG Auswirkungen. So ändert sich mit seiner Einführung die Pflicht zur Information des Wirtschaftsausschusses. Die Vorschrift des § 106 Abs. 3 BetrVG wird um eine Nr. 5 lit. b) erweitert, zukünftig muss der Wirtschaftsausschuss nun auch über Fragen der unternehmerischen Sorgfaltspflichten in den Lieferketten frühzeitig und umfassend informiert werden. Die Informationsweitergabe erfolgt wie gewohnt durch Vorlage der erforderlichen Unterlagen (§ 106 Abs. 2 S. 2 BetrVG).
Der genaue Umfang und die Reichweite dieser Informationspflicht sind noch nicht eindeutig geklärt. Zwar scheint der weit gefasste Wortlaut zunächst darauf hinzudeuten, dass alle Fragen im Zusammenhang mit der Umsetzung der Sorgfaltspflichten (§§ 3 – 10 LkSG) erfasst wären. Vieles spricht aber dafür, den Anwendungsbereich auf wirtschaftliche Angelegenheiten zu beschränken, die mit den in § 106 Abs. 3 BetrVG genannten Beispielen vergleichbar sind. Außerdem gilt die Informationspflicht nur, wenn die Interessen der Arbeitnehmer des betreffenden Unternehmens wesentlich betroffen sein können, nicht nur die Interessen der Lieferanten (vgl. § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG).
Daher sollte der Wirtschaftsausschuss insbesondere über geplante Investitionen informiert werden. Dazu zählen beispielsweise vorgesehene Ausgaben für Schulungen der Mitarbeiter zum LkSG oder die Einführung eines internen Beschwerdeverfahrens mit speziellen IT-Lösungen. Zudem sollten Informationen zur konkreten Umsetzung und zu bedarfsbezogenen Aktualisierungen bezüglich des Risikomanagements (§ 4 LkSG), der regelmäßigen Risikoanalysen (§ 5 LkSG), der Präventionsmaßnahmen (§ 6 LkSG) und der Abhilfemaßnahmen (§ 7 LkSG) zur Verfügung gestellt werden.
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
Das LkSG führt keine neuen Mitbestimmungsrechte für den Betriebsrat ein. Dennoch können dessen allgemeine Mitbestimmungsrechte bei der Umsetzung der LkSG-Vorgaben relevant sein. Arbeitgeber sollten vorhandene Mitbestimmungsrechte beachten, da je nach Sorgfaltspflichten verschiedene Rechte des Betriebsrats relevant werden können.
Der Betriebsrat muss frühzeitig und umfassend über geplante Maßnahmen informiert werden, die sich auf die Umsetzung der LkSG-Sorgfaltspflichten auswirken. Das soll es ihm ermöglichen, die Einhaltung geltender Gesetze zum Vorteil der Arbeitnehmer zu überwachen (vgl. § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG).
Unternehmen müssen individuell an die Anforderungen herangehen, da die Umsetzung dieser Vorgaben stark von den Möglichkeiten des jeweiligen Betriebs abhängt. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Regelungen in der Praxis bewähren und inwieweit sie zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen beitragen.
Arbeitsrechtliche Umsetzung der Grundsatzerklärung
Die Realisierung der im Einklang mit § 6 Abs. 2 LkSG zu erstellenden Grundsatzerklärung zur Menschenrechtsstrategie sowie der darin enthaltenen Verhaltenserwartungen an die Beschäftigten erfolgt nicht durch den Pflichtenkatalog des Lieferkettengesetzes selbst. Wesentlich ist dabei, dass der Adressat des LkSG nicht die Arbeitnehmer des Unternehmens sind, sondern vielmehr das Unternehmen selbst.
§ 6 Abs. 2 LKSG legt fest, dass die Grundsatzerklärung wesentliche Bestandteile enthalten muss:
1. Verfahrensbeschreibung für die Pflichteinhaltung:
Die Erklärung muss klare Angaben dazu enthalten, wie das Unternehmen sicherstellt, dass die gesetzlichen Pflichten eingehalten werden. Hierzu gehört ein Überblick über implementierte Mechanismen und Prozesse zu ihrer Einhaltung.
2. Festgestellte Risiken im Unternehmen:
Ein wesentlicher Bestandteil ist die Identifizierung und Beschreibung der Risiken im Zusammenhang mit den Geschäftstätigkeiten. Hierbei geht es um eine transparente Darstellung der potenziellen Menschenrechtsverletzungen und Umweltauswirkungen.
3. Erwartungen des Unternehmens:
Die Erklärung muss auch die Erwartungen und Ziele des Unternehmens in Bezug auf die Menschenrechtsstrategie klar formulieren. Dies umfasst Standards und Maßnahmen, die zur Förderung von Menschenrechten und Umweltschutz ergriffen werden sollen.
Es ist also erforderlich, einen Verhaltenskodex einzuführen, um eine verbindliche Regelung gegenüber den Arbeitnehmern zu gewährleisten. Dies kann per Direktionsrecht des Arbeitgebers, durch arbeitsvertragliche Vereinbarung oder über eine Betriebsvereinbarung erfolgen.
Die Implementierung eines Verhaltenskodex‘ durch den Abschluss einer Betriebsvereinbarung bietet den Vorteil, dass dabei zahlreiche der zuvor genannten Beteiligungsrechte des Betriebsrats berücksichtigt werden können.
Die Einhaltung dieser Vorgaben stellt sicher, dass Unternehmen transparent und verantwortungsbewusst im Bereich ihrer Menschenrechtsstrategie agieren.
Dr. Christian Ostermaier ist Partner bei SNP Schlawien Partnerschaft mbB. Er berät Unternehmen aller Größen, meist mittelständische Unternehmen, sowie deren Gesellschafter in allen Fragen des Gesellschaftsrechts, insbesondere auch bei Unternehmenstransaktionen, und des Arbeitsrechts, hier u.a. zu betriebsverfassungsrechtlichen Fragen, wie dem Abschluss von Betriebsvereinbarungen. Daneben berät Dr. Ostermaier leitende Angestellte, Geschäftsführer und Vorstände. Er verfügt über umfangreiche Erfahrung in den Bereichen Biotechnologie, Software, Handel und Versicherungen. https://de.linkedin.com/in/ostermaier-christian-898a3027
Rechtsanwalt
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