Arbeitsunfähig wegen entzündeter Tätowierung: Arbeitgeber muss keine Entgeltfortzahlung leisten

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Arbeitsrecht | 18. September 2025
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Ein fri­sches Tat­too kann sich ent­zün­den, das ist bekannt. Des­halb bekommt, wer nach dem Besuch beim Täto­wie­rer krank wird, nach einem aktu­el­len Urteil kei­ne Ent­gelt­fort­zah­lung vom Arbeit­ge­ber. Es ist eine kon­se­quen­te Ent­schei­dung: Jeder darf sich täto­wie­ren las­sen. Das Risi­ko aber trägt er selbst.

 

Wer sich ein Tat­too ste­chen lässt und danach krank wird, rech­net kaum damit, dann kei­nen Anspruch  auf Ent­gelt­fort­zah­lung zu haben. Doch das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Schles­wig-Hol­stein hat die­ses unbe­lieb­te Kapi­tel nun auf­ge­schla­gen und ent­schie­den: Ent­zün­det sich die Haut nach einem Tat­too und wird der Arbeit­neh­mer des­halb arbeits­un­fä­hig, geht das auf sein eige­nes Kon­to. Er hat kei­nen Anspruch auf Ent­gelt­fort­zah­lung gegen den Arbeitgeber(LAG Schles­wig-Hol­stein, Urt. v. 22.05.2025, Az: 5 SA 284a/24).

In dem Fall, über den die Kie­ler Arbeits­rich­ter zu ent­schei­den hat­ten, hat­te sich eine Pfle­ge­kraft am Unter­arm täto­wie­ren las­sen. Sie wur­de weni­ge Tage spä­ter auf Grund einer bak­te­ri­el­len Ent­zün­dung arbeits­un­fä­hig krank­ge­schrie­ben. Der Arbeit­ge­ber ver­wei­ger­te dar­auf­hin die Ent­gelt­fort­zah­lung für die Aus­fall­ta­ge und rech­net die­se als unent­schul­dig­te Fehl­zei­ten ab. Zu Recht, wie das Arbeits­ge­richt Flens­burg und nun in zwei­ter Instanz auch das LAG mein­ten.

Das Gericht argu­men­tiert kon­se­quent. Die Ent­ste­hung einer sol­chen Ent­zün­dung sei kei­ne völ­lig fern­lie­gen­de Kom­pli­ka­ti­on. Wer sich täto­wie­ren lässt, weiß, dass Infek­tio­nen dabei zu den typi­schen Risi­ken zäh­len. Schon die bewuss­te Ein­wil­li­gung in die Täto­wie­rung stellt damit auch ein Ein­ver­ständ­nis zu mög­li­chen – wenn auch sel­te­nen – Fol­ge­er­kran­kun­gen dar. Wer das Risi­ko ein­geht, trägt grund­sätz­lich auch die Fol­gen selbst und han­delt nach Ansicht des LAG schuld­haft im Sin­ne des § 3 Abs. 1 EFZG. Nach der Vor­schrift hat ein Arbeit­neh­mer bei Krank­heit Anspruch auf Ent­gelt­fort­zah­lung gegen sei­nen Arbeit­ge­ber, wenn er sei­ne Arbeits­leis­tung nicht erbrin­gen kann, ohne dass ihn ein Ver­schul­den trifft. Liegt – wie hier – ein Ver­schul­den vor, ist die Ent­gelt­fort­zah­lung  aus­ge­schlos­sen.

 

Tat­toos sind Pri­vat­sa­che – und pri­va­tes Risi­ko

Mit gefähr­li­chen Sport­ar­ten, bei denen die Recht­spre­chung in aller Regel nicht von einem Selbst­ver­schul­den aus­ge­hen, hält das Gericht die Täto­wie­rung für nicht ver­gleich­bar: Wäh­rend sich Ver­let­zun­gen dort in Gren­zen hiel­ten und nicht ohne Wei­te­res vor­her­seh­bar sei­en, wür­den Kom­pli­ka­tio­nen bei einer absicht­li­chen Kör­per­ver­let­zung – wie sie jedes Tat­too dar­stellt – bil­li­gend in Kauf genom­men. Beim Tat­too sei­en daher stren­ge­re Maß­stä­be anzu­le­gen als bei Extrem­sport­ar­ten, um ein  Ver­schul­den aus­zu­schlie­ßen.

Das Urteil aus Kiel bestä­tigt auch eine all­ge­mei­ne Linie hin­sicht­lich Tat­toos und Pier­cings: Beschäf­tig­te sind zwar frei, sich täto­wie­ren oder pier­cen zu las­sen. Ein gene­rel­les Ver­bot wäre unver­hält­nis­mä­ßig. Der Arbeit­ge­ber kann jedoch ver­lan­gen, dass bestimm­te Moti­ve bei der Arbeit nicht sicht­bar getra­gen wer­den. Beson­de­re restrik­tiv ist die Recht­spre­chung für den öffent­li­chen Dienst, etwa bei Lehr­kräf­ten oder Poli­zis­ten, die eine Neu­tra­li­täts- und Loya­li­täts­pflicht trifft. Dort kann schon das Zei­gen bestimm­ter Tat­toos einen Kün­di­gungs­grund dar­stel­len.

Im Bereich der Ent­gelt­fort­zah­lung bleibt das pri­va­te Inter­es­se im Fokus. Führt das Tat­too oder Pier­cing zu einer Erkran­kung – Infek­ti­on, All­er­gie, Hei­lungs­ver­zö­ge­rung –, ist die Ent­gelt­fort­zah­lung durch den Arbeit­ge­ber grund­sätz­lich aus­ge­schlos­sen.

Das Risi­ko beim Tat­too liegt – arbeits­recht­lich betrach­tet – beim Arbeit­neh­mer. Wer sich den Kör­per­schmuck gönnt, soll­te sich des Rest­ri­si­kos bewusst sein. Bei Kom­pli­ka­tio­nen kann für die Aus­fall­zeit der Lohn aus­blei­ben.

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