Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis: Bundesarbeitsgericht kippt 25-Prozent-Faustregel

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Für die Dau­er der Pro­be­zeit bei befris­te­ten Arbeits­ver­hält­nis­sen gibt es kei­nen fes­ten Pro­zent­satz – das hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt klar­ge­stellt. Die Dau­er der Befris­tung, die Art der Tätig­keit, die nöti­ge Ein­ar­bei­tung: Es kommt auf den Ein­zel­fall an. Klar ist aber immer­hin, was pas­siert, wenn die Pro­be­zeit im Ver­trag zu lang war.

 

Befris­te­te Arbeits­ver­hält­nis­se kön­nen von Vor­teil sein, ob nun für ein Unter­neh­men, das noch nicht weiß, ob ein Pro­jekt fort­ge­setzt wird, oder für einen Arbeit­neh­mer, der sich lie­ber offen las­sen möch­te, wie es wei­ter geht. Auch im befris­te­ten Arbeits­ver­hält­nis ist es zuläs­sig, eine Pro­be­zeit zu ver­ein­ba­ren, aber nicht belie­big.

15 Abs. 3 Teil­zeit­be­fris­tungs­ge­setz (TzBfG) ver­langt näm­lich, dass eine Pro­be­zeit „im Ver­hält­nis zu der erwar­te­ten Dau­er der Befris­tung und Art der Tätig­keit“ ste­hen muss. In einem Fall, über den kürz­lich das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ent­schie­den hat, war eine Frau ab dem 22. August 2022 als Advi­sor im Kun­den­ser­vice beim dem Arbeit­ge­ber ange­stellt gewe­sen, den sie spä­ter ver­klag­te. Ihr Arbeits­ver­trag war befris­tet auf ein Jahr, künd­bar mit den gesetz­li­chen Fris­ten. Ver­ein­bart wur­den vier Mona­te Pro­be­zeit mit einer zwei­wö­chi­gen Kün­di­gungs­frist. Noch wäh­rend die­ser Pro­be­zeit, am 10. Dezem­ber, kün­dig­te die Arbeit­ge­be­rin das Arbeits­ver­hält­nis zum 28. Dezem­ber 2022.

Die Arbeit­neh­me­rin wehr­te sich dage­gen: Sie hielt die Pro­be­zeit für unver­hält­nis­mä­ßig lang und argu­men­tier­te, dass das Arbeits­ver­hält­nis frü­hes­tens zum 15. Janu­ar 2023 enden kön­ne, da die gesetz­li­che Min­dest­kün­di­gungs­frist von einem Monat (§ 622 Abs. 1 Bür­ger­li­ches Gesetz­buch) gel­te. Außer­dem mein­te sie, dass die zu lan­ge Pro­be­zeit zur Unwirk­sam­keit der Pro­be­zeit­klau­sel und die­se wie­der­um zur Unwirk­sam­keit der Kün­di­gung nach § 15 Abs. 4 TzBfG füh­ren wür­de. Nach der Vor­schrift ist ein befris­te­tes Arbeits­ver­hält­nis näm­lich nur dann ordent­lich künd­bar, wenn das ver­trag­lich ver­ein­bart ist – wäre die Klau­sel im Arbeits­ver­trag also unwirk­sam, gäbe es kei­ne ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung, argu­men­tier­te die gekün­dig­te Arbeit­neh­me­rin. Außer­dem war sie der Ansicht, dass die War­te­zeit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG von sechs auf drei Mona­te zu ver­kür­zen sei.

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) gab ihr zunächst immer­hin noch ein wenig Recht. Die Rich­ter sahen einen Regel­wert von 25 % der Befris­tungs­dau­er als ange­mes­sen an, bei einem auf ein Jahr befris­te­ten Ver­trag also von drei Mona­ten. Den­noch hielt das Gericht die Kün­di­gung ins­ge­samt für wirk­sam zum nächst­mög­li­chen Ter­min, also zum 15. Janu­ar 2023.

 

Zu lan­ge Pro­be­zeit: Kün­di­gung trotz­dem zum nächst­mög­li­chen Ter­min wirk­sam

In der nächs­ten Instanz lief es noch schlech­ter für sie: Das BAG lehn­te in sei­nem Urteil (vom 30. Okto­ber 2025, Az. 2 AZR 160/24) auch einen fes­ten Regel­wert für die Pro­be­zeit ab. Ob die Dau­er einer ver­ein­bar­ten Pro­be­zeit ange­mes­sen ist, sei bei einem befris­te­ten Arbeits­ver­trag viel­mehr in jedem Ein­zel­fall zu beur­tei­len.

Die kla­gen­de Mit­ar­bei­te­rin im Kun­den­ser­vice muss­te laut Ein­ar­bei­tungs­plan 16 Wochen lang ein­ge­ar­bei­tet wer­den. Des­halb hielt das BAG die vier­mo­na­ti­ge Pro­be­zeit in ihrem Fall für ver­hält­nis­mä­ßig.

Und selbst dann, wenn eine zu lan­ge Pro­be­zeit ver­ein­bart wor­den wäre, hät­te das nicht auto­ma­tisch dazu geführt, dass die Kün­di­gung unwirk­sam wäre oder sich die gesetz­li­che War­te­zeit für den all­ge­mei­nen Kün­di­gungs­schutz ver­kür­zen füh­ren wür­de, stell­ten die Erfur­ter Rich­ter klar. Wird im Arbeits­ver­trag eine zu lan­ge Pro­be­zeit ver­ein­bart, führt das laut dem BAG viel­mehr nur dazu, dass die Kün­di­gung inner­halb der gesetz­li­chen Min­dest­kün­di­gungs­frist (hier ein Monat) bezie­hungs­wei­se zum nächst­mög­li­chen ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Ter­min wirk­sam wird.

Hin­sicht­lich der Fol­gen einer zu lan­gen Pro­be­zeit haben Deutsch­lands höchs­te Arbeits­rich­ter mit ihrer Ent­schei­dung also Rechts­si­cher­heit geschaf­fen. Die Ableh­nung von Pro­zent­wer­ten für die Ange­mes­sen­heit der Pro­be­zeit­dau­er hin­ge­gen ist pro­ble­ma­tisch für Unter­neh­men und Per­so­nal­ab­tei­lun­gen. Fest steht: Es kommt auf die Dau­er der Befris­tung, den Ein­ar­bei­tungs­be­darf, die Kom­ple­xi­tät von Tätig­keit und Ein­ar­bei­tung und ähn­li­che Umstän­de an. Ech­te Rechts­si­cher­heit aber bie­tet das dem Arbeit­ge­ber nicht.

 

Pra­xis­tipp:

Arbeit­ge­ber sind in jedem Fall gut bera­ten, die Dau­er der Pro­be­zeit in jedem, ins­be­son­de­re aber im befris­te­ten Arbeits­ver­hält­nis mit Bedacht zu wäh­len. Die Grün­de für die gewähl­te Dau­er der Pro­be­zeit soll­ten sie idea­ler­wei­se stets doku­men­tie­ren.

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