Verminderte Leistungsfähigkeit durch Fettleibigkeit – Kündigungsgrund oder rechtswidrige Diskriminierung?

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Kür­zlich hat­te das ArbG Düs­sel­dorf (Urteil vom 17. Dezem­ber 2015, AZ.: 7 Ca 4616/15) über die Klage eines angestell­ten Gärt­ners zu entschei­den. Sein Arbeit­ge­ber war der Ansicht, der Kläger sei auf­grund sein­er Fet­tleibigkeit nicht mehr in der Lage, die ver­traglich geschuldete Arbeit­sleis­tung zu erbrin­gen. Er passe nicht mehr in Gräben und könne wegen Über­schre­itung der zuläs­si­gen Tragkraft keine Leit­ern benutzen. Nicht ein­mal passende Schutzk­lei­dung sei in der erforder­lichen Kon­fek­tion­s­größe mehr ver­füg­bar. Der Gärt­ner – er wog ca. 200 kg bei ein­er Kör­per­größe von 1,94 m – sah dies anders und erhob Kündi­gungss­chutzk­lage. Darüber hin­aus ver­langte er eine Entschädi­gung wegen Diskri­m­inierung auf­grund ein­er Behin­derung nach § 15 Abs. 2 AGG.

Das ArbG Düs­sel­dorf gab der Kündi­gungss­chutzk­lage des Gärt­ners statt. Der Arbeit­ge­ber habe nicht aus­re­ichend zur Leis­tungs­min­derung des Klägers vor­ge­tra­gen. Ob die Adi­posi­tas des Klägers Krankheitswert hat­te oder nicht, ließ es offen.

Die Klage des Mitar­beit­ers auf Entschädi­gung wegen Diskri­m­inierung auf­grund ein­er Schwer­be­hin­derung wies das Gericht jedoch ab. Schließlich habe der Kläger selb­st behauptet, dass er seine Arbeit­sleis­tung trotz sein­er Leibesfülle nach wie vor gut erbrin­gen könne. Somit sei er nach eigen­em Vor­trag nicht behin­dert im Sinne des AGG.

Zum Ver­häng­nis wurde also bei­den Parteien ein ungeschick­ter Sachvor­trag.

Doch das Urteil des ArbG Düs­sel­dorf ver­mag nicht zu überzeu­gen: Das Gericht set­zte die Begriffe „man­gel­nde Arbeits­fähigkeit“ und „Behin­derung“ zu Unrecht gle­ich. Arbeits­fähigkeit schließt das Vor­liegen ein­er Behin­derung keineswegs aus. Die Sichtweise des ArbG Düs­sel­dorf hätte die absurde Folge, dass behin­derte Arbeit­nehmer, die ihren Beruf ausüben kön­nen, vom Schutzbere­ich des AGG bzw. der zugrunde liegen­den Richtlin­ie 2000/78/EG vom 27. Novem­ber 2007 aus­geschlossen wären. Hier­auf hat auch schon der Gen­er­alan­walt Jääsk­i­nen in seinem Schlus­santrag zur Rechtssache AZ.: C – 354/13 vor dem EuGH hingewiesen. Nach dem EuGH ist eine Behin­derung im Sinne der Richtlin­ie 2000/78/EG, die zur Ausle­gung des AGG her­anzuziehen ist, gegeben, wenn eine Ein­schränkung vor­liegt, die unter anderem auf physis­che, psy­chis­che oder geistige Beein­träch­ti­gun­gen von Dauer zurück­zuführen ist, die in Wech­sel­wirkung mit ver­schiede­nen Bar­ri­eren den Betr­e­f­fend­en an der vollen wirk­samen Teil­habe am Beruf­sleben, gle­ich­berechtigt mit anderen Arbeit­nehmern, hin­dern kann.

Nach dieser Def­i­n­i­tion kann man die mor­bide Adi­posi­tas (Stufe III nach WHO) des Klägers unschw­er als Behin­derung ein­stufen: Ungeeignetes Arbeits­ma­te­r­i­al stellt ganz offen­sichtlich eine Bar­riere dar, die geeignet ist, den Kläger an ein­er gle­ich­berechtigten Teil­habe zu hin­dern.

Faz­it: Das ArbG Düs­sel­dorf hat lei­der zu der eigentlich entschei­den­den Frage gar nicht mehr Stel­lung genom­men, welche Vorkehrun­gen dem Arbeit­ge­ber zuzu­muten sind, um einen Aus­gle­ich für die Beein­träch­ti­gung des Klägers durch seine krankhafte Adi­posi­tas zu schaf­fen. In Anbe­tra­cht dessen, dass der Anteil der Bevölkerung an übergewichti­gen Men­schen ständig zunimmt, wäre eine Antwort hier­auf höchst inter­es­sant gewe­sen.

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