Neue Regeln für Arbeitsverträge ab 1. August: „Alle Arbeitsvertragsmuster müssen angepasst werden“

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Der Bun­destag hat Neuerun­gen im Nach­weis­ge­setz ver­ab­schiedet, die schon zum 1. August in Kraft treten. Arbeit­ge­ber müssen jet­zt alle Arbeitsver­tragsmuster über­prüfen und auf Anfrage sofort Infor­ma­tio­nen zur Ver­fü­gung stellen, erk­lärt Dr. Chris­t­ian Oster­maier. Bei jedem Ver­stoß dro­hen nun zudem 2.000 Euro Bußgeld.


Frage: In der ver­gan­genen Woche hat der Bun­destag in 2. und 3. Lesung den
Geset­zen­twurf zur Umset­zung der EU-Richtlin­ie über trans­par­ente und vorherse­hbare Arbeits­be­din­gun­gen. Es gab keine Änderun­gen mehr gegenüber dem Regierungsen­twurf, obwohl es mas­sive Kri­tik an dem Gesetz gibt. Die Bun­desregierung geht davon aus, dass nur ca. 10 % der deutschen Unternehmen ihre Arbeitsver­tragsmuster anpassen müssten. Wie kommt die Ampel-Koali­tion darauf, wo es doch gän­zlich neue Hin­weispflicht­en gibt, die nun schriftlich fest­ge­hal­ten und den Beschäftigten übergeben wer­den müssen?

Dr. Chris­t­ian Oster­maier: Für mich ist auch nicht nachvol­lziehbar, inwieweit man darauf kom­men kann, dass nur 10 % der deutschen Arbeit­ge­ber ihre Ver­tragsmuster anpassen müssen. Wir haben begonnen, bei den von uns betreuten Man­dan­ten Arbeitsverträge zu sicht­en und es zeigt sich eher einen Anpas­sungs­be­darf bei 100 % aller Muster.

Das wer­den keine großen Änderun­gen sein, aber man wird doch jedes Ver­tragsmuster prüfen und voraus­sichtlich anpassen müssen. Ein gutes Beispiel dafür ist die neu hinzuk­om­mende Verpflich­tung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 14 Nach­wG, das von Arbeit­ge­ber und Arbeit­nehmer einzuhal­tende Ver­fahren, min­destens die Schrift­form und die Fris­ten für die Kündi­gung des Arbeitsver­hält­niss­es sowie die Frist für die Erhe­bung ein­er Kündi­gungss­chutzk­lage anzugeben.

Kündi­gungs­fris­ten find­en sich in fast allen Arbeitsverträ­gen. Ich kenne aber nie­man­den, der bish­er darauf hingewiesen hat, dass der Arbeit­nehmer bei der Kündi­gung des Arbeitsver­hält­niss­es Kündi­gungss­chutzk­lage inner­halb von drei Wochen erheben kann. Unklar ist dann auch, was unter dem einzuhal­tenden Ver­fahren zu ver­ste­hen ist: Nur die im Gesetz genan­nten Min­destanforderun­gen oder möglicher­weise auch Hin­weise auf die Betrieb­srat­san­hörung?

Ich glaube auch nicht, dass den Arbeit­nehmern ein entsprechen­der Hin­weis im Arbeitsver­trag wirk­lich hil­ft, die neue Vor­gabe führt aber zu immer län­geren und damit für den Arbeit­nehmer unüber­sichtlicheren Arbeitsverträ­gen. Wenn man einen entsprechen­den Hin­weis auf die Möglichkeit der Kündi­gungss­chutzk­lage möchte, wäre das sich­er im Kündi­gungss­chreiben selb­st sin­nvoller.

“Wer auf der sicheren Seite sein will, muss weiter Verträge auf Papier abschließen“

Frage:  Das Gesetz tritt schon zum 1. August in Kraft. Wann soll­ten Unternehmen dann neue Beschäftigte die Arbeitsverträge unterze­ich­nen lassen?

Oster­maier: Der Nach­weis der Arbeits­be­din­gun­gen muss inner­halb eines Monats nach Beginn des Arbeitsver­hält­niss­es erfol­gen. Unab­hängig davon muss aber ein Arbeitsver­trag in der Regel vor Arbeit­sauf­nahme unterze­ich­net sein. Anson­sten sind in dem Ver­trag eventuelle enthal­tene Befris­tun­gen – und die meis­ten Arbeitsverträge enthal­ten zumin­d­est ja eine Befris­tung auf den Rentenein­tritt – unwirk­sam.

Frage: Vor allem Vertreter von Unternehmen laufen Sturm dage­gen, dass die wesentlichen Bedin­gun­gen von Arbeitsver­hält­nis­sen kün­ftig schriftlich vere­in­bart wer­den müssten. Müssen Arbeitsverträge also jet­zt immer und in jedem Fall aus­ge­druckt, mit dem Kugelschreiber unterze­ich­net und per­sön­lich übergeben wer­den?

Oster­maier: Der Arbeitsver­trag an sich muss nicht schriftlich abgeschlossen wer­den, ein Arbeitsver­trag kann grund­sät­zlich form­frei geschlossen wer­den. Eine Aus­nahme beste­ht, wenn der Arbeitsver­trag befris­tet ist. Dann muss er schriftlich oder in elek­tro­n­is­ch­er Form unterze­ich­net wer­den. Aber der Nach­weis müsste bei einem in elek­tro­n­is­ch­er Form unter­schriebe­nen Arbeitsver­trag dann noch zusät­zlich schriftlich erfol­gen.

Es ergibt aber in der Prax­is natür­lich wenig Sinn, das auf zwei Doku­mente aufzuteilen. Ob ein in elek­tro­n­is­ch­er Form unterze­ich­neter Arbeitsver­trag als „schriftlich­er Arbeitsver­trag“ aus­re­icht, um die neue Verpflich­tung nach dem Nach­weis­ge­setz zu erfüllen, erscheint fraglich. Begrün­den lässt sich bei­des. Wenn es nicht aus­drück­lich aus­geschlossen ist, kann die „Schrift­form“ durch die elek­tro­n­is­che Form erset­zt wer­den. Das neue Nach­weis­ge­setz spricht nur von einem schriftlichen Arbeitsver­trag. Das spräche dafür, dass auch eine dig­i­tale Unterze­ich­nung möglich ist. Ander­er­seits ist es auch wider­sprüch­lich, wenn für das Nach­weis­ge­setz die elek­tro­n­is­che Form aus­drück­lich aus­geschlossen wird, dann aber der Nach­weis durch einen in elek­tro­n­is­ch­er Form unterze­ich­neten Arbeitsver­trag erset­zt wer­den kön­nte. Hier bleibt abzuwarten, wie sich die Recht­sprechung posi­tion­iert.

Wenn der Arbeit­ge­ber auf der sicheren Seite sein will, müsste der Arbeitsver­trag immer schriftlich – also, wie Sie sagen, auf Papi­er mit Kugelschreiber – vor Beginn des Arbeitsver­hält­niss­es unterze­ich­net wer­den. In der Prax­is läuft es dann zum Teil auch so, dass in drin­gen­den Fällen der Arbeitsver­trag in elek­tro­n­is­ch­er Form unterze­ich­net wird, damit die Parteien eine bindende Vere­in­barung haben, und dann am ersten Arbeit­stag der Ver­trag nochmals auf Papi­er unter­schrieben wird.

„Nicht nachvollziehbar, warum man für den Nachweis bei der Schriftform bleibt“

Frage: Das klingt wenig prak­tik­a­bel. Die Regelung ist umso erstaunlich­er, wenn man bedenkt, dass Art. 3 der Arbeits­be­din­gun­gen­richtlin­ie, die das Gesetz umset­zt, die elek­tro­n­is­che Form auch für Arbeitsverträge aus­drück­lich zulässt. Gibt es aus Ihrer Sicht irgen­deinen guten Grund dafür, dass die Bun­desregierung im Jahr 2022 den­noch – im Ein­klang mit den deutschen Gew­erkschaften, aber als einziger Staat weltweit – die Schrift­form für Arbeitsverträge beibehal­ten will?

Oster­maier: Es ist auch aus mein­er Sicht nicht nachvol­lziehbar, warum man für den Nach­weis bei der Schrift­form geblieben ist. Da haben sich die Gew­erkschaften, aber auch die Richter, die die Schrift­form als die stärk­ste Form vorziehen, durchge­set­zt. Für die heutige Prax­is ist das sehr uner­freulich, zumal immer mehr Fir­men auf dig­i­tale Unter­schriften wech­seln.

Es ist auch nicht nachvol­lziehbar, dass, wenn man einen Arbeitsver­trag selb­st in irgen­dein­er Form abschließen und auch spezielle Regelun­gen mit ein­er qual­i­fizierten elek­tro­n­is­chen Sig­natur vere­in­baren kann, man den­noch den Nach­weis über die Arbeits­be­din­gun­gen nicht dig­i­tal erbrin­gen kann. Offen­sichtlich trauen wed­er die Richter noch die Gew­erkschaften den Arbeit­nehmern zu, ein elek­tro­n­is­ches Doku­ment zu spe­ich­ern.

Selb­st wenn man das unter­stellt, wäre es nicht erforder­lich gewe­sen, Schrift­form zu ver­lan­gen. Es würde aus­re­ichen, zu ver­lan­gen, dass dem Arbeit­nehmer ein Aus­druck des dig­i­tal unterze­ich­neten Ver­trages zur Ver­fü­gung gestellt wird. Das soll aber nach der Neuregelung ger­ade nicht genü­gen.

Frage: Was haben Unternehmen zu befürcht­en, die neue Arbeitsverträge fälschlich dig­i­tal unterze­ich­nen oder sonst­wie gegen Vorschriften des neuen Nach­weis­ge­set­ze ver­stoßen?

Oster­maier: Wenn der Arbeit­ge­ber dem Arbeit­nehmer die Auskün­fte nicht voll­ständig, nicht in der vorgeschriebe­nen Weise oder nicht rechtzeit­igt aushändigt, dro­ht ein Bußgeld in Höhe von bis zu Euro 2.000,00 pro Ver­stoß.

Frage: An den Arbeitsver­hält­nis­sen, die zum Zeit­punkt des Inkraft­tretens des neuen Geset­zes am 1. August 2022 schon beste­hen, ändert sich aber nichts?

Oster­maier: An den Arbeitsver­hält­nis­sen ändert sich nichts. Hier muss der Arbeit­ge­ber auch den Arbeitsver­trag nicht anpassen. Wenn der Arbeit­nehmer das ver­langt, muss er allerd­ings bei Arbeitsver­hält­nis­sen, die bere­its vor dem 1. August 2022 bestanden haben, diesem  spätestens am siebten Tag nach Zugang der Auf­forderung min­destens ein Infor­ma­tions­blatt mit den ganz grundle­gen­den Angaben zu seinem Arbeitsver­hält­nis zur Ver­fü­gung stellen. Für die übri­gen Angaben hat er dazu einen Monat nach Zugang Zeit.

Herr Dr. Oster­maier, vie­len Dank für das Gespräch.

Dr. Chris­t­ian Oster­maier ist Part­ner bei SNP Schlaw­ien Part­ner­schaft mbB. Er berät Unternehmen aller Größen, meist mit­tel­ständis­che Unternehmen, sowie deren Gesellschafter in allen Fra­gen des Gesellschaft­srechts und des Arbeit­srechts. https://de.linkedin.com/in/ostermaier-christian-898a3027

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