Für außerordentliche Kündigungen wegen grober Verfehlungen haben Arbeitgeber nur zwei Wochen Zeit. Aber wann beginnt diese Frist zu laufen, wenn interne Ermittler gerade noch herauszufinden versuchen, was eigentlich geschehen ist? Das BAG zeigt sich großzügig, zieht aber auch bei interne Untersuchungen Grenzen, erklärt Dr. Christian Ostermaier.
Wenn sich herausstellt, dass im eigenen Unternehmen Verfehlungen begangen wurden, ist regelmäßig Eile geboten. Oft wird eine externe Kanzlei damit beauftragt, zu ermitteln, wer wann was falsch gemacht hat und wer intern dafür die Verantwortung trug. Bei schwerwiegenden Verfehlungen kann eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund im Raum stehen. Diese muss jedoch nach § 626 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) binnen zwei Wochen ausgesprochen werden.
Aber binnen zwei Wochen ab wann? Nach dem Gesetz beginnt diese Frist zu laufen, wenn der Arbeitgeber „von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt“, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts konkret „die Kenntnis von sämtlichen Tatsachen, die eine Entscheidung dahin erlauben, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zugemutet werden kann oder nicht“. Wann aber ist das, wenn eine umfangreiche Ermittlung stattfindet, bei der zahlreiche Zeugen befragt, Unterlagen gesichtet und Zusammenhänge oft erst mühsam hergestellt werden?
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er binnen zwei Wochen nach Kenntnis die Kündigung ausgesprochen hat, trägt der Arbeitgeber. Für den Beginn der Frist muss ein Vertreter des Unternehmens, der zu Kündigungen berechtigt ist, von Tatsachen erfahren, die eine Kündigung rechtfertigen.
Die Zwei-Wochen-Frist beginnt, so das BAG in seiner Entscheidung (v. 05.05.2022, Az. 2 AZR 483/21), erst in dem Moment in dem der Kündigungsberechtigte von sämtlichen Tatsachen — die sowohl für als auch gegen die außerordentliche Kündigung sprechen — Kenntnis erlangt habe.
Erst dann könne er eine fundierte Entscheidung darüber treffen, ob das Arbeitsverhältnis zumutbar fortgesetzt werden könne. Erst dann wisse er zum Beispiel genug über die Umstände der Verfehlung: War der Mitarbeiter ein führender Kopf der Verfehlung oder fühlte er sich nur genötigt, mitzumachen bei dem, was die Kollegen taten? Wie groß war sein Anteil am Geschehen, wie war seine Motivation? Es sei deshalb, so das BAG, grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn Unternehmen auf den Abschlussbericht einer beauftragten Rechtsanwaltskanzlei warten, bevor sie Kündigungen aussprechen.
Allerdings gilt das das nur so lange, wie die Untersuchung sich mit der Aufklärung der konkreten Verdachtsumstände befasst. Ermittlungen, die sich nicht mit der Identifikation und Gewichtung begangener Pflichtverstöße, sondern damit beschäftigen, wie solche Verstöße zukünftig im Unternehmen verhindert werden können, dienen laut BAG nicht mehr der Aufklärung der Tatsachen, die entscheidend dafür sind, ob das Arbeitsverhältnis für den Arbeitgeber noch zumutbar ist.
Arbeitgeber dürfen also die Ermittlung einer externen Kanzlei und deren Berichterstattung abwarten, ohne dass die Kündigungsfrist zu laufen beginnt, solange die Untersuchung sich mit der Aufklärung der konkreten Verdachtsumstände befasst, Es ist deshalb sehr wichtig, die Aufarbeitung und Kommunikation innerhalb interner Untersuchungen sehr sauber zu dokumentieren. Diese saubere Dokumentation sollte von Beginn an einen wesentlichen Bestandteil der internen Untersuchung bilden.
Außerdem ging es in dem Fall um die Frage, ob und wann ein Arbeitgeber sich treuwidrig verhält, wenn er sich darauf beruft, dass eine kündigungsberechtigte Person erst zu einem so späten Zeitpunkt von Dingen erfahren habe, dass die zweiwöchige Kündigungsfrist noch eingehalten war, obwohl andere Personen schon zuvor Kenntnis von möglichen Verfehlungen hatten. In dem entschiedenen Fall behauptete nämlich der gekündigte leitende Angestellte, der Leiter Compliance des Unternehmens hätte schon länger gewusst, was geschehen war. Dieser war jedoch nicht befugt, Kündigungen auszusprechen.
Das reicht dem BAG dem Grunde nach, um festzustellen, dass es auf die Kenntnis des Leiters Compliance für den Beginn der Kündigungsfrist eben nicht ankam. In ihrer Entscheidung stellen die Erfurter Richter klar, dass eine etwaige Kenntnis anderer Personen, die mit der Aufklärung des Sachverhalts befasst sind (interne oder externe), grundsätzlich nicht schadet in dem Sinne, dass sie die Kündigungsfrist in Gang setzen würde. Es gebe keine Wissenszurechnung, auch nicht, wenn mehrere Menschen im Unternehmen berechtigt sind, Kündigungen auszusprechen, so das BAG.
Der Einwand, der Arbeitgeber verstoße mit der Berufung auf eine späte Information einer kündigungsberechtigten Person im Unternehmen gegen die Grundsätze von Treu und Glauben, würde eine unsachgemäße Organisation voraussetzen und der Kündigungsberechtigte müsste „den Informationsfluss zielgerichtet verhindert oder zumindest in einer mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarenden Weise“ ein sachwidriges und überflüssiges Organisationsrisiko geschaffen haben, das diesen Informationsfluss behindert.
Dr. Christian Ostermaier ist Partner bei SNP Schlawien Partnerschaft mbB. Er berät Unternehmen aller Größen, meist mittelständische Unternehmen, sowie deren Gesellschafter in allen Fragen des Gesellschaftsrechts und des Arbeitsrechts. https://de.linkedin.com/in/ostermaier-christian-898a3027
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Solicitor (England und Wales)
Ein falscher Firmenstempel auf einer Kündigung – und trotzdem wirksam? Das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl zeigt, dass formale Fehler wie der falsche Stempel nicht automatisch zur Unwirksamkeit führen. Aber warum spielt der Stempel eine untergeordnete Rolle und worauf kommt es wirklich an? Das Arbeitsgericht Suhl hat in einem Urteil vom 14. August 2024 , Az.: 6 Ca 96/24 deutlich...
Wenn die Zielvorgaben für Arbeitnehmer zu spät kommen, können diese ihre Ziele nicht mehr erfüllen – und damit auch den vereinbarten Bonus nicht bekommen. Gleich mehrere Gerichte haben Unternehmen, die Zielvorgaben zu spät im Geschäftsjahr machten, verurteilt: Sie müssen Schadensersatz zahlen, als hätte der Mitarbeiter die Ziele zu 100% erfüllt. Wer die Ziele des Unternehmens nicht nur verfolgt, sondern...