Wenn der neue Job schon begonnen hat, obwohl noch gar nicht klar ist, ob das alte Arbeitsverhältnis wirksam beendet wurde, können Arbeitnehmer in beiden Arbeitsverhältnissen Urlaubsansprüche haben. Das BAG hat geklärt, wie Unternehmen damit umgehen sollten.
Nach einer (fristlosen) Kündigung und dem Beginn eines neuen Arbeitsverhältnisses ergeben sich häufig Fragen, wie sich die gleichzeitig bestehenden Arbeitsverhältnisse aufeinander auswirken. Zum Teil ist das gesetzlich geregelt, beim Urlaubsanspruch aber nicht.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Urteil vom 5. Dezember 2023 (Az. 9 AZR 230/22) die Anrechnung von Urlaubsansprüchen in solchen Doppelarbeitsverhältnissen nach unrechtmäßigen Kündigungen geklärt.
Das Urteil, das eine seit 2014 beschäftigte Fleischereifachverkäuferin betraf, verdeutlicht die komplexe Rechtslage. Nach einer fristlosen, später als unrechtmäßig erkannten Kündigung durch ihren alten Arbeitgeber fand sie rasch eine neue Anstellung. Bei dem neuen Arbeitgeber nahm sie Urlaub, was die Frage aufwarf, wie sich dies auf ihre Urlaubsansprüche aus dem alten Arbeitsverhältnis auswirkte.
Deutschlands höchste Arbeitsrichter bestätigten die Entscheidung der Vorinstanz: Urlaub, den ein Arbeitnehmer in einem neuen Arbeitsverhältnis während eines Rechtsstreits um eine unrechtmäßige Kündigung nimmt, ist auf den Urlaubsanspruch im ersten Arbeitsverhältnis anzurechnen. Das Gericht stützte sich dabei auf die §§ 1, 6, 7 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) sowie auf § 615 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und § 11 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG).
Neuer Urlaub ist kalenderjahresbezogen auf alten anzurechnen
Wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht nicht aus beiden Arbeitsverhältnissen erfüllen kann, ergebe sich aus diesen Vorschriften der Rechtsgedanke, eine Verdopplung der Urlaubsansprüche zu vermeiden und deshalb die beim neuen Arbeitgeber gewährten Urlaubsansprüche auf die aus dem ehemaligen Arbeitsverhältnis anzurechnen. Ziel der Regelungen sei es, den Arbeitnehmer, der in einem Kündigungsschutzstreit obsiegt, weder besser noch schlechter zu stellen, als wenn das Arbeitsverhältnis nicht zu Unrecht gekündigt worden wäre.
Das BAG betont dabei, dass die Anrechnung kalenderjahresbezogen erfolgen muss. Dies bedeutet, dass der im neuen Arbeitsverhältnis gewährte Urlaub jeweils nur auf das entsprechende Kalenderjahr angerechnet wird, um doppelte Ansprüche zu vermeiden.
Für Arbeitgeber ist dies ein wichtiges Signal, wie sie mit solchen komplexen Situationen umgehen sollten. Eine genaue Kenntnis der gesetzlichen Bestimmungen und eine sorgfältige Handhabung der Urlaubsansprüche sind unerlässlich, um rechtliche Risiken zu minimieren. Arbeitgeber sollten besonders darauf achten, dass Urlaub, den ein Arbeitnehmer während eines Kündigungsschutzverfahrens bei einem neuen Arbeitgeber nimmt, auf den Urlaubsanspruch gegenüber dem alten Arbeitgeber anzurechnen ist.
In diesen Fällen ist also immer eine Nachfrage beim Arbeitnehmer erforderlich, wie viel Urlaub er zwischenzeitlich erhalten hat. Zusammen mit der aus Arbeitnehmersicht verschärften Rechtsprechung zum böswilligen Unterlassen im Rahmen des Annahmeverzugslohns ist das ein wichtiger Schritt, das Risiko des Arbeitgebers zu reduzieren.
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