Doppelarbeitsverhältnisse: Müssen Arbeitnehmer sich Urlaub anrechnen lassen?

© nmann77/stock.adobe.com
BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Wenn der neue Job schon begon­nen hat, obwohl noch gar nicht klar ist, ob das alte Arbeits­ver­hält­nis wirk­sam been­det wur­de, kön­nen Arbeit­neh­mer in bei­den Arbeits­ver­hält­nis­sen Urlaubs­an­sprü­che haben. Das BAG hat geklärt, wie Unter­neh­men damit umge­hen soll­ten.

 

Nach einer (frist­lo­sen) Kün­di­gung und dem Beginn eines neu­en Arbeits­ver­hält­nis­ses erge­ben sich häu­fig Fra­gen, wie sich die gleich­zei­tig bestehen­den Arbeits­ver­hält­nis­se auf­ein­an­der aus­wir­ken. Zum Teil ist das gesetz­lich gere­gelt, beim Urlaubs­an­spruch aber nicht.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) hat in einem Urteil vom 5. Dezem­ber 2023 (Az. 9 AZR 230/22) die Anrech­nung von Urlaubs­an­sprü­chen in sol­chen Dop­pel­ar­beits­ver­hält­nis­sen nach unrecht­mä­ßi­gen Kün­di­gun­gen geklärt.

Das Urteil, das eine seit 2014 beschäf­tig­te Flei­sche­rei­fach­ver­käu­fe­rin betraf, ver­deut­licht die kom­ple­xe Rechts­la­ge. Nach einer frist­lo­sen, spä­ter als unrecht­mä­ßig erkann­ten Kün­di­gung durch ihren alten Arbeit­ge­ber fand sie rasch eine neue Anstel­lung. Bei dem neu­en Arbeit­ge­ber nahm sie Urlaub, was die Fra­ge auf­warf, wie sich dies auf ihre Urlaubs­an­sprü­che aus dem alten Arbeits­ver­hält­nis aus­wirk­te.

Deutsch­lands höchs­te Arbeits­rich­ter bestä­tig­ten die Ent­schei­dung der Vor­in­stanz: Urlaub, den ein Arbeit­neh­mer in einem neu­en Arbeits­ver­hält­nis wäh­rend eines Rechts­streits um eine unrecht­mä­ßi­ge Kün­di­gung nimmt, ist auf den Urlaubs­an­spruch im ers­ten Arbeits­ver­hält­nis anzu­rech­nen. Das Gericht stütz­te sich dabei auf die §§ 1, 6, 7 des Bun­des­ur­laubs­ge­set­zes (BUrlG) sowie auf § 615 Satz 2 des Bür­ger­li­chen Gesetz­bu­ches (BGB) und § 11 des Kün­di­gungs­schutz­ge­set­zes (KSchG).

 

Neu­er Urlaub ist kalen­der­jah­res­be­zo­gen auf alten anzu­rech­nen

Wenn der Arbeit­neh­mer sei­ne Arbeits­pflicht nicht aus bei­den Arbeits­ver­hält­nis­sen erfül­len kann, erge­be sich aus die­sen Vor­schrif­ten der Rechts­ge­dan­ke, eine Ver­dopp­lung der Urlaubs­an­sprü­che zu ver­mei­den und des­halb die beim neu­en Arbeit­ge­ber gewähr­ten Urlaubs­an­sprü­che auf die aus dem ehe­ma­li­gen Arbeits­ver­hält­nis anzu­rech­nen. Ziel der Rege­lun­gen sei es, den Arbeit­neh­mer, der in einem Kün­di­gungs­schutz­streit obsiegt, weder bes­ser noch schlech­ter zu stel­len, als wenn das Arbeits­ver­hält­nis nicht zu Unrecht gekün­digt wor­den wäre.

Das BAG betont dabei, dass die Anrech­nung kalen­der­jah­res­be­zo­gen erfol­gen muss. Dies bedeu­tet, dass der im neu­en Arbeits­ver­hält­nis gewähr­te Urlaub jeweils nur auf das ent­spre­chen­de Kalen­der­jahr ange­rech­net wird, um dop­pel­te Ansprü­che zu ver­mei­den.

Für Arbeit­ge­ber ist dies ein wich­ti­ges Signal, wie sie mit sol­chen kom­ple­xen Situa­tio­nen umge­hen soll­ten. Eine genaue Kennt­nis der gesetz­li­chen Bestim­mun­gen und eine sorg­fäl­ti­ge Hand­ha­bung der Urlaubs­an­sprü­che sind uner­läss­lich, um recht­li­che Risi­ken zu mini­mie­ren. Arbeit­ge­ber soll­ten beson­ders dar­auf ach­ten, dass Urlaub, den ein Arbeit­neh­mer wäh­rend eines Kün­di­gungs­schutz­ver­fah­rens bei einem neu­en Arbeit­ge­ber nimmt, auf den Urlaubs­an­spruch gegen­über dem alten Arbeit­ge­ber anzu­rech­nen ist.

In die­sen Fäl­len ist also immer eine Nach­fra­ge beim Arbeit­neh­mer erfor­der­lich, wie viel Urlaub er zwi­schen­zeit­lich erhal­ten hat. Zusam­men mit der aus Arbeit­neh­mer­sicht ver­schärf­ten Recht­spre­chung zum bös­wil­li­gen Unter­las­sen im Rah­men des Annah­me­ver­zugs­lohns ist das ein wich­ti­ger Schritt, das Risi­ko des Arbeit­ge­bers zu redu­zie­ren.

 

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Über den autor

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Tag des Bürohundes: So läuft’s rechtlich mit Bello im Büro

Sie senken das Stresslevel, verbreiten gute Laune und bringen Bewegung in den Büroalltag von Frauchen und Kollegen. Doch Allergien, Ängste, Sicherheits- oder Hygienevorschriften können auch gegen Hunde im Office sprechen – es ist am Arbeitgeber, die Interessen auszugleichen. Es lohnt sich, finden Dr. Christian Ostermaier und Henry.    Am 20. Juni 2025 findet deutschlandweit der Tag des Bürohundes statt. Immer...

Firmenwagen: Rauch und Dreck verboten, auch ohne Vertragsklausel

Brandlöcher, kalter Qualm und überall Schmutz – so muss sich kein Unternehmen den Firmenwagen zurückgeben lassen. Jedenfalls wenn der auch für private Fahrten genutzt wurde, haftet der Arbeitnehmer voll für die Schäden und muss für Reinigung und Ozonbehandlung zahlen, urteilt das LAG Köln. Was Arbeitnehmer wissen und worauf Arbeitgeber achten sollten.   Viele Arbeitgeber stellen ihren Mitarbeitern einen Dienstwagen nicht...