Elektronische Unterschriften: Was Unternehmen im Arbeitsrecht digital unterzeichnen können – und was nicht

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Arbeitsrecht | 29. September 2022
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Mit dem neu­en Nach­weis­ge­setz steht prak­tisch fest, dass Arbeits­ver­trä­ge hand­schrift­lich unter­schrie­ben wer­den müs­sen. Doch was ist mit Befris­tun­gen, Auf­he­bungs­ver­trä­gen und Zeug­nis­sen? Und was darf der Betriebs­rat? Zeit für einen Über­blick, wann digi­ta­le Unter­schrif­ten rechts­si­cher mög­lich sind.

Die Digi­ta­li­sie­rung ist ein The­ma in prak­tisch allen Unter­neh­men, unab­hän­gig von der Bran­che oder den Pro­duk­ten und Dienst­leis­tun­gen, die sie anbie­ten. Bei einem sehr nahe­lie­gen­den Anwen­dungs­fall, näm­lich der elek­tro­ni­schen Unter­zeich­nung von Ver­ein­ba­run­gen, tun sich vie­le Unter­neh­men aber noch schwer. Es gibt gro­ße Unsi­cher­hei­ten dar­über, wo es noch eine hand­schrift­li­che Ver­ein­ba­rung braucht, wann eine blo­ße Mail reicht und wann man ein elek­tro­ni­sches Signa­tur-Tool ein­set­zen kann und muss.

Schon in unse­rem Arti­kel vom 15. Juni haben wir gezeigt, wie und in wel­chen Fäl­len Unter­neh­men auch ihre Unter­schrif­ten digi­ta­li­sie­ren kön­nen. Ein­mal defi­niert und in unter­neh­mens­in­ter­nen Richt­li­ni­en fest­ge­legt, wo wel­che Art von Unter­schrift nötig ist, kann die täg­li­che Arbeit vie­ler Mit­ar­bei­ter spür­bar erleich­tert und die Umwelt geschont wer­den, Abläu­fe wer­den mas­siv beschleu­nigt.

Beson­ders unein­heit­lich sind die Anfor­de­run­gen an die Unter­zeich­nung von Ver­ein­ba­run­gen aller­dings im Arbeits­recht gere­gelt. Das wird ver­mut­lich nicht bes­ser wer­den durch das Nach­weis­ge­setz, das aktu­ell bun­des­weit für Auf­re­gung sorgt: Wäh­rend die gesam­te Euro­päi­sche Uni­on digi­ta­le Arbeits­ver­trä­ge ein­führ­te, hat Deutsch­land in einer Rol­le rück­wärts einen fak­ti­schen Schrift­form­zwang für Arbeits­ver­trä­ge begrün­det. Zeit für eine Über­sicht: Was Per­so­nal­ab­tei­lung und Betriebs­rat jetzt mit Kugel­schrei­ber auf Papier unter­zeich­nen müs­sen und wo auch im arbeits­recht­li­chen Bereich elek­tro­ni­sche Signa­tu­ren mög­lich sind.

Die elektronischen Signaturen und ihre rechtliche Einordnung

Die drei Arten elek­tro­ni­scher Signa­tu­ren und wann was nötig ist, haben wir Ihnen bereits am 15. Juni aus­führ­lich vor­ge­stellt. Des­halb hier nur in aller Kür­ze:

  • Nur bei Text­form: Ein­fa­che elek­tro­ni­sche Signa­tur (EES)

Mit einer ein­fa­chen elek­tro­ni­schen Signa­tur (dar­un­ter fal­len auch eine ein­ge­scann­te Unter­schrift, die Unter­zeich­nung einer Mail mit dem eige­nen Namen oder die Unter­schrift mit einem Stift (Stylus), der Maus oder dem Fin­ger) bringt der Nut­zer sein Ein­ver­ständ­nis mit dem Inhalt eines Doku­ments oder Ver­trags zum Aus­druck. Die Iden­ti­tät des Unter­zeich­ners wird nicht über­prüft.

Der Beweis­wert einer ein­fa­chen elek­tro­ni­schen Signa­tur fällt also nied­rig aus. Sie kann kei­ne Form­vor­schrif­ten wah­ren, die durch Gesetz oder Ver­trag vor­ge­schrie­ben wer­den. Die ein­fa­che elek­tro­ni­sche Signa­tur kann des­halb nur dort wirk­sam ein­ge­setzt wer­den, wo ent­we­der kein Form­erfor­der­nis oder aber nur die sog. Text­form vor­ge­schrie­ben ist (§ 126 b Bür­ger­li­ches Gesetz­buch (BGB)). Sol­che Unter­schrif­ten kön­nen also nur für Doku­men­te ohne gesetz­li­che Form­vor­schrift mit gerin­gem Haf­tungs­ri­si­ko genutzt wer­den.

  • Mehr Beweis­wert, aber auch nur bei Text­form: Fort­ge­schrit­te­ne elek­tro­ni­sche Signa­tur (FES)

Die fort­ge­schrit­te­ne elek­tro­ni­sche Signa­tur ist eine ver­bes­ser­te und siche­re Form der Unter­schrift.

Die tech­ni­sche Umset­zung ist bei den meis­ten Anbie­tern elek­tro­ni­scher Signa­tur­pro­zes­se mit weni­gen Schrit­ten erreicht und stellt selbst tech­ni­sche Lai­en nicht vor Pro­ble­me. Die fort­ge­schrit­te­ne elek­tro­ni­sche Signa­tur ermög­licht die Iden­ti­fi­zie­rung des Unter­zeich­ners und ist mit den signier­ten Daten ver­knüpft, so dass spä­te­re Ände­run­gen erkannt wer­den kön­nen.

Ihr Beweis­wert ist also deut­lich höher. Aber Ach­tung: Auch die fort­ge­schrit­te­ne Signa­tur erfüllt nicht das gesetz­li­che Schrift­form­erfor­der­nis nach § 126 BGB. Bedeu­tet: Auch sie kann nur ein­ge­setzt wer­den, wenn bloß Text­form vor­ge­schrie­ben ist; nicht aber, wenn das Gesetz aus­drück­lich von Schrift­form spricht.

  • Erfüllt das Schrift­form­erfor­der­nis: Qua­li­fi­zier­te elek­tro­ni­sche Signa­tur (QES)

Die drit­te, sichers­te Art ist die qua­li­fi­zier­te elek­tro­ni­sche Signa­tur. Eine sol­che Signa­tur muss von einem digi­ta­len Zer­ti­fi­kat beglei­tet sein, das von einem qua­li­fi­zier­ten Ver­trau­ens­diens­te­an­bie­ter (QTSP) aus­ge­stellt wur­de. Nur die qua­li­fi­zier­te elek­tro­ni­sche Signa­tur hat den glei­chen recht­li­chen Wert wie eine hand­schrift­li­che Unter­schrift (Arti­kel 25 Absatz 2 der eIDAS-Ver­ord­nung, EU-Ver­ord­nung über elek­tro­ni­sche Iden­ti­fi­zie­rung und Ver­trau­ens­diens­te für elek­tro­ni­sche Trans­ak­tio­nen im Bin­nen­markt (910/2014/EU)). Nur sie erfüllt also das Schrift­form­erfor­der­nis, wenn das Gesetz die Schrift­form vor­schreibt.

Arbeitsverträge: Nur noch handschriftlich und auf Papier

Begin­nen wir mit den Arbeits­ver­trä­gen. Die­se sind grund­sätz­lich frei gestalt­bar und unter­lie­gen kei­nen Form­vor­schrif­ten, § 105 Gewer­be­ord­nung (GewO).  Es bräuch­te also grund­sätz­lich kei­ne hand­schrift­li­che Unter­schrift, selbst eine ein­fa­che elek­tro­ni­sche Signa­tur könn­te aus­rei­chen.  Aber: Aus dem Gesetz kann sich etwas ande­res erge­ben, so zum Bei­spiel bei Arbeit­neh­mer­über­las­sun­gen.

Zumin­dest fak­tisch ergibt sich für jeden Arbeits­ver­trag etwas ande­res: Für den Nach­weis der wesent­li­chen Ver­trags­be­din­gun­gen ist die elek­tro­ni­sche Form näm­lich aus­ge­schlos­sen, § 2 Abs. 1 S. 1 des umstrit­te­nen neu­en Nach­weis­ge­set­zes. Durch einen schrift­li­chen Arbeits­ver­trag kann der Nach­weis ersetzt wer­den. Jetzt stellt sich die Fra­ge, inwie­weit durch einen in elek­tro­ni­scher Form abge­schlos­se­nen Arbeits­ver­trag – was ja, wie vor­ste­hend gezeigt, zuläs­sig ist – der Nach­weis ersetzt wer­den kann. Um mög­li­che Risi­ken hin­sicht­lich des auch mit Buß­geld bewähr­ten Nach­wei­ses zu ver­mei­den, emp­fiehlt sich die Ein­hal­tung der Schrift­form, also die hand­schrift­li­che Unter­zeich­nung des Arbeits­ver­tra­ges.

Befristungsabreden: Für Arbeitgeber mit qualifizierter elektronischer Signatur möglich

Ein Arbeits­ver­trag, der eine Befris­tung ent­hält, bedarf der Schrift­form (§ 14 Abs. 4 Teil­zeit- und Befris­tungs­ge­setz, TzBfG). Die Vor­schrift gilt auch für die Ver­ein­ba­rung von Zweck­be­fris­tun­gen (zur Mit­tei­lung s.u.). Aller­dings schließt der Gesetz­ge­ber die elek­tro­ni­sche Form in § 14 Abs. 4 TzBfG nicht aus, so dass der Grund­satz gilt, dass die Schrift­form durch eine qua­li­fi­zier­te elek­tro­ni­sche Signa­tur (§ 126a BGB) ersetzt wer­den kann.

Aus Sicht des Arbeit­ge­bers emp­fiehlt es sich aber in jedem Fall, bei Unter­zeich­nung eines befris­te­ten Ver­tra­ges auf die hand­schrift­li­che Unter­zeich­nung des Ver­tra­ges zu ach­ten, bis höchst­rich­ter­lich geklärt ist, ob eine qua­li­fi­zier­te elek­tro­ni­sche Signa­tur aus­reicht. Ansons­ten droht die Unwirk­sam­keit der Befris­tung.

Der Arbeit­ge­ber kann auch eine qua­li­fi­zier­te elek­tro­ni­sche Signa­tur ver­wen­den. Eine ein­ge­scann­te Unter­schrift reicht für eine wirk­sa­me Befris­tung des Arbeits­ver­tra­ges wegen des Schrift­form­erfor­der­nis­ses in § 14 Abs. 4 TzBfG natür­lich nicht aus (s. auch Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Urt. v. 16.03.2022, Az. 23 Sa 1133/21).

Anweisungen, Unterweisungen: jede elektronische Signatur

Anwei­sun­gen oder Unter­wei­sun­gen an Mit­ar­bei­ter unter­lie­gen im All­ge­mei­nen kei­nen for­ma­len Anfor­de­run­gen. Es ist daher mög­lich, jeg­li­che elek­tro­ni­sche Signa­tur zu ver­wen­den, um z.B. eine Unter­wei­sung zu bestä­ti­gen.

Delegation von Arbeitsschutzpflichten: nur mit qualifizierter Signatur

Aber Ach­tung: Anders ist es bei der Dele­ga­ti­on von Arbeits­schutz­pflich­ten an Mit­ar­bei­ter. Wer Arbeits­schutz­pflich­ten dele­gie­ren will, muss das „schrift­lich“ tun. Wenn er nicht hand­schrift­lich unter­schrei­ben möch­te, geht das also nur mit einer qua­li­fi­zier­ten elek­tro­ni­schen Signa­tur.

Betriebsverfassungsrechtliche Anwendungsfälle

Das Betriebs­rä­te­mo­der­ni­sie­rungs­ge­setz hat klar­ge­stellt, dass beim Abschluss von Betriebs­ver­ein­ba­run­gen, Inter­es­sen­aus­gleich und Sozi­al­plan sowie beim Spruch der Eini­gungs­stel­le die Schrift­form auch durch die elek­tro­ni­sche Form (§ 126a Abs. 1 BGB), d. h. durch eine qua­li­fi­zier­te elek­tro­ni­sche Signa­tur gewahrt wer­den kann. Zumin­dest für die­se Fäl­le besteht nun also Klar­heit. In ande­ren Kon­stel­la­tio­nen gilt wei­ter­hin: Zur Sicher­heit bes­ser in Papier­form.

Beendigung von Arbeitsverhältnissen: Alles auf Papier

Kün­di­gun­gen und Auf­he­bungs­ver­trä­ge müs­sen schrift­lich abge­schlos­sen wer­den, die elek­tro­ni­sche Form schließt § 623 BGB aus­drück­lich aus. Auch die Zeug­nis­er­tei­lung muss in Schrift­form erfol­gen. Hier ist die elek­tro­ni­sche Form gem. § 630 S. 1 und 3 BGB, § 16 Abs. 1 S. 2 BBiG, § 109 Abs. 3 GewO aus­ge­schlos­sen. Wenn Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­mer aus­ein­an­der gehen, bedeu­tet das also im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes noch ein­mal viel Papier­kram.

Dr. Chris­ti­an Oster­mai­er ist Part­ner bei SNP Schla­wi­en Part­ner­schaft mbB. Er berät Unter­neh­men aller Grö­ßen, meist mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men, sowie deren Gesell­schaf­ter in allen Fra­gen des Gesell­schafts­rechts und des Arbeits­rechts. https://de.linkedin.com/in/ostermaier-christian-898a3027

 

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