EU-Vorschriften gegen den Gender Pay Gap: So transparent müssen deutsche Arbeitgeber werden

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In Deutsch­land ver­die­nen Frau­en rund ein Fünf­tel weni­ger als Män­ner in ver­gleich­ba­ren Posi­tio­nen. Bis 2026 muss auch Deutsch­land nun eine EU-Richt­li­nie umset­zen, die die­sen Gen­der Pay Gap schlie­ßen soll — mit zum Teil dras­ti­schen Ände­run­gen für Unter­neh­men, zeigt Dr. Chris­ti­an Oster­mai­er. 

Gemes­sen am durch­schnitt­li­chen Brut­to­ver­dienst der Män­ner lag der Gen­der Pay Gap in Deutsch­land laut Sta­tis­ti­schem Bun­des­amt im Jahr 2022 bei 18 % (EU-Ver­gleich: Gen­der Pay Gap 2020 — Sta­tis­ti­sches Bun­des­amt (destatis.de). Damit bleibt die Bun­des­re­pu­blik in Sachen Lohn­gleich­heit eines der Schluss­lich­ter inner­halb der Euro­päi­schen Uni­on. Das im Jahr 2017 in Kraft getre­te­ne Ent­gelt­trans­pa­renz­ge­setz (Entg­Tran­spG) konn­te die­se Lücke nicht ansatz­wei­se schlie­ßen. Ver­än­dert hat sich seit­dem wenig, sodass das Entg­Tran­spG in der Pra­xis kaum eine Rol­le spielt.

Ver­än­de­run­gen kom­men nun aus Euro­pa. Die EU-Kom­mis­si­on hat bereits im Jahr 2021 einen Vor­schlag „zur Stär­kung der Anwen­dung des Grund­sat­zes des glei­chen Ent­gelts für Män­ner und Frau­en bei glei­cher oder gleich­wer­ti­ger Arbeit durch Lohn­trans­pa­renz und Durch­set­zungs­me­cha­nis­men“ vor­ge­legt. Nach dem euro­päi­schen Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren ist die Richt­li­nie zur Lohn­trans­pa­renz (EU/2023/970) am 6. Juni 2023 in Kraft getre­ten. Zwei Jah­re war dar­über ver­han­delt wor­den.

Wäh­rend­des­sen stärk­te das Bun­des­ar­beits­ge­richt in meh­re­ren Grund­satz­ur­tei­len – zuletzt am 16. Febru­ar 2023 – das Prin­zip „Glei­cher Lohn für glei­che Arbeit“, zuletzt frag­ten Arbeit­ge­ber sich gar, ob das höchs­te deut­sche Arbeits­ge­richt gera­de dabei ist, Ver­trags­frei­heit und Gehalts­ver­hand­lun­gen abzu­schaf­fen. Spä­tes­tens bis Juni 2026 müs­sen nun alle EU-Staa­ten auf­grund der Ent­gelt­trans­pa­renz-Richt­li­ne gesetz­lich star­ke Trans­pa­renz­in­stru­men­te durch­set­zen. Das wirft vie­le Fra­gen auf: Was bedeu­tet die Ent­gelt­trans­pa­renz-Richt­li­ne in Zukunft für die Arbeit­ge­ber und was wird sich durch die Umset­zung der Mit­glied­staa­ten kon­kret ver­än­dern?

Das wird mit der Richtlinie zur Lohntransparenz anders

Die EU-Richt­li­nie umfasst im Wesent­li­chen ein Aus­kunfts­recht für Stel­len­be­wer­ber hin­sicht­lich des Ein­stiegs­ein­kom­mens bzw. des­sen Span­ne und gibt Arbeit­neh­mern das Recht, Infor­ma­tio­nen über ihr indi­vi­du­el­les Ein­kom­men und über die Durch­schnitts­ein­kom­men zu erhal­ten. Außer­dem erwei­tert sie die Berichts­pflich­ten von Unter­neh­men und kehrt die Beweis­last bezüg­lich geschlechts­spe­zi­fi­scher Lohn­dis­kri­mi­nie­rung um.

  • Aus­kunfts­an­sprüche auch in klei­nen Betrie­ben

Die wohl umfangs­reichs­te Neue­rung dürf­te Arti­kel 7 der Richt­li­nie sein. Die­ser beinhal­tet einen indi­vi­du­el­len Aus­kunfts­an­spruch des Arbeit­neh­mers im Hin­blick auf die durch­schnitt­li­chen Ent­gelt­hö­hen, auf­ge­schlüs­selt mach Geschlecht und für die Grup­pen von Arbeit­neh­mern, die die glei­che oder gleich­wer­ti­ge Arbeit ver­rich­ten. Zwar regelt auch das aktu­ell gel­ten­de deut­sche Entg­Tran­spG in §§ 10 ff. einen Aus­kunfts­an­spruch des Arbeit­ge­bers, die Richt­li­nie sieht dafür aber kei­ne betrieb­li­che Min­dest­grö­ße mehr vor. Der Aus­kunfts­an­spruch wird künf­tig also auch für Klein­be­trie­be gel­ten

  • Was Arbeit­neh­mer dann wis­sen dür­fen

Die Arbeit­neh­mer haben dann einen Anspruch über ihr indi­vi­du­el­les Ein­kom­men hin­aus die Durch­schnitts­ein­kom­men der ande­ren Mit­ar­bei­ter zu erfah­ren. Dies dann auf­ge­schlüs­selt nach Geschlecht und nur für die Grup­pen von Arbeit­neh­mern, wel­che die glei­che oder gleich­wer­ti­ge Arbeit ver­rich­ten wie der Anfra­gen­de. Auf den bis­lang in Deutsch­land zugrun­de geleg­ten sta­tis­ti­schen Medi­an wird es dann nicht mehr ankom­men. Eine wei­te­re Ände­rung liegt dar­in, dass das Ver­gleichs­ent­gelt auch dann anzu­ge­ben sein wird, wenn die Ver­gleich­s­tä­tig­keit von weni­ger als sechs Beschäf­tig­ten des jeweils ande­ren Geschlechts aus­ge­übt wird. Eine Gren­ze nach unten gibt es dies­be­züg­lich nicht.

  • Schluss mit „Über Geld spricht man nicht“

Eine wei­te­re Neue­rung liegt dar­in, dass der Arbeit­ge­ber sei­ne Mit­ar­bei­ter jedes Jahr über ihr Aus­kunfts­recht infor­mie­ren muss. Der Pflich­ten­kreis der Arbeit­ge­ber wird damit um einen wei­te­ren Punkt erwei­tert.

Schließ­lich dür­fen durch die Euro­päi­sche Richt­li­nie Arbeit­neh­mer künf­tig nicht mehr dar­an gehin­dert wer­den, ihr Ent­gelt offen­zu­le­gen. Wie alle ande­ren Mit­glied­staa­ten wird auch Deutsch­land dann sol­che der­zeit noch übli­chen Klau­seln in Arbeits­ver­trä­ge ver­bie­ten müs­sen, Arbeit­ge­ber wer­den nach Umset­zung der Richt­li­nie in das deut­sche Recht ihre Ver­trä­ge dahin­ge­hend über­prü­fen müs­sen

  • Trans­pa­renz schon im Bewer­bungs­pro­zess

Die Ent­gelt­trans­pa­renz beginnt nach Art. 5 der Richt­li­nie schon vor Beginn des Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­ses. Bereits der Stel­len­be­wer­ber hat das Recht, vom künf­ti­gen Arbeit­ge­ber das Ein­stiegs­ge­halt oder des­sen Span­ne sowie ggf. ein­schlä­gi­ge zur Anwen­dung kom­men­de Tarif­be­stim­mun­gen zu erfah­ren. Die­se Infor­ma­tio­nen sind dabei so früh­zei­tig bereit­zu­stel­len, dass sie fun­dier­te und trans­pa­ren­te Ver­hand­lun­gen über das Ent­gelt gewähr­leis­ten kön­nen. Im Entg­Tran­spG ist eine sol­che Ver­pflich­tung bis­her nicht vor­ge­se­hen. Arti­kel 5 Absatz 3 der Richt­li­nie ver­bie­tet es außer­dem, den Bewer­ber nach sei­nem bis­he­ri­gen Ein­kom­men zu fra­gen.

  • Berichts­pflicht

Ab einer Unter­neh­mens­grö­ße von min­des­tens 100 Beschäf­tig­ten sieht Art. 9 eine Berichts­pflicht des Arbeit­ge­bers zum inner­be­trieb­li­chen geschlechts­spe­zi­fi­schen Lohn­ge­fäl­le vor, es wird dies­be­züg­lich aber nach Unter­neh­mens­grö­ße gestaf­fel­te Über­gangs­fris­ten bis maxi­mal 2031 geben.

  • Beweis­last­um­kehr: Arbeit­ge­ber muss bewei­sen, dass er nicht dis­kri­mi­niert

Die Ent­gelt­trans­pa­renz­richt­li­nie ver­langt dar­über hin­aus eine Beweis­last­um­kehr für Arbeit­neh­mer. Nach Art. 18 wird also nach der Umset­zung in deut­sches Recht künf­tig der Arbeit­ge­ber bewei­sen müs­sen, dass es kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung in Bezug auf das Ent­gelt gege­ben hat. Die Beweis­last­um­kehr ist inhalt­lich sehr weit gefasst, da sie alle Pflicht­ver­stö­ße der gesam­ten Richt­li­nie abdeckt.

  • Sank­tio­nen für Arbeit­ge­ber

Nach Arti­kel 17 muss das natio­na­le Recht den Gerich­ten und Auf­sichts­be­hör­den die Mög­lich­keit ein­räu­men, gegen­über Unter­neh­men Ver­fü­gun­gen dahin­ge­hend zu erlas­sen, dass die­se Ver­let­zun­gen des Gleich­heits­grund­sat­zes abzu­stel­len haben. Damit wer­den in Zukunft auch kon­kre­te, akti­ve Hand­lungs­ver­fü­gun­gen durch Gerich­te oder Behör­den gegen­über Arbeit­ge­bern mög­lich sein.

Das stellt eine erheb­li­che staat­li­che Ein­griffs­mög­lich­keit dar, die dem deut­schen Recht in die­sem Rechts­be­reich zwi­schen Arbeit­ge­bern und Arbeit­neh­mern bis­her fremd ist. Im Ergeb­nis führt die Richt­li­nie zu einer staat­li­chen Kon­trol­le der Ver­gü­tungs­sys­te­me von Arbeit­ge­bern.


Arbeitgeber: Besser heute schon für morgen aufstellen

Ganz akut ist all das noch nicht, die Mit­glied­staa­ten haben nun drei Jah­re Zeit, um die Vor­ga­ben in natio­na­les Recht umzu­set­zen. Noch besteht also für Arbeit­ge­ber in Deutsch­land kein Hand­lungs­be­darf. Den­noch soll­ten Unter­neh­men ihre Ent­gelt­sys­te­ma­tik im Hin­blick auf die in der Richt­li­nie vor­ge­ge­be­nen Ver­pflich­tun­gen schon heu­te über­prü­fen und falls nötig suk­zes­si­ve an die neu­en Anfor­de­run­gen anpas­sen. Auch ange­sichts der durch­aus dras­ti­schen staat­li­chen Ein­griffs­mög­lich­kei­ten in pri­vat­recht­li­che Struk­tu­ren bleibt zu hof­fen, dass der Gen­der Pay Gap sich so tat­säch­lich schlie­ßen lässt

 

Dr. Chris­ti­an Oster­mai­er ist Part­ner bei SNP Schla­wi­en Part­ner­schaft mbB. Er berät Unter­neh­men aller Grö­ßen, meist mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men, sowie deren Gesell­schaf­ter in allen Fra­gen des Gesell­schafts­rechts, ins­be­son­de­re auch bei Unter­neh­mens­trans­ak­tio­nen, und des Arbeits­rechts. Dane­ben berät Dr. Oster­mai­er lei­ten­de Ange­stell­te, Geschäfts­füh­rer und Vor­stän­de. Er ver­fügt über umfang­rei­che Erfah­rung in in den Berei­chen Bio­tech­no­lo­gie, Soft­ware, Han­del und Ver­si­che­run­gen. https://de.linkedin.com/in/ostermaier-christian-898a3027

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