EuGH-Urteil: Urlaubsanspruch verfällt nicht mehr automatisch

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Erneut hat der EuGH langjährige deutsche Rspr. zum automa­tis­chen Ver­fall des Urlaub­sanspruchs gekippt und die Anforderun­gen ver­schärft. Geklagt hat­ten ein Recht­sref­er­en­dar sowie ein ehe­ma­liger Max-Planck-Mitar­beit­er. Bei­de hat­ten ihren geset­zlichen Min­desturlaub ohne Begrün­dung nicht rechtzeit­ig im Urlaub­s­jahr genom­men und ver­langten nach ihrem Auss­chei­den die Abgel­tung ihres Urlaubs aus dem Vor­jahr.

Deutsche Rechtslage

Nach bish­eriger Rspr. galt in solchen Fällen: ver­säumt es der Arbeit­nehmer, rechtzeit­ig Urlaub zu beantra­gen und liegt kein Grund für eine Über­tra­gung in das näch­ste Urlaub­s­jahr vor, so ver­fällt dieser grund­sät­zlich mit Ablauf des Urlaub­s­jahres, § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG. Über­tra­gungs­gründe wären ins­beson­dere drin­gende betriebliche Gründe oder eine lang­dauernde Erkrankung des Arbeit­nehmers. In let­zterem Fall hat­te der EUGH (Urteil v. 22.11.2011 – C ‑214/10) bere­its 2011 entsch­ieden, dass der Urlaub bis zu 15 Monate nach Ablauf des Urlaub­s­jahres noch genom­men wer­den kann – ent­ge­gen der Regelung in § 7 Abs. 3 BUrlG, die an sich nur eine Über­tra­gung bis zum Ende März des Fol­ge­jahres vor­sieht. Son­st kon­nte nach bish­eriger Rspr. der Urlaub noch zu einem späteren Zeit­punkt genom­men wer­den, wenn es (indi­vid­ual- oder kollek­tivrechtlich) vere­in­bart war oder der Arbeit­ge­ber einen rechtzeit­ig beantragten Urlaub zu Unrecht nicht gewährt hat­te.

Neue Rechtsprechung des EuGH

Der EuGH hat nun entsch­ieden (Az.: C‑619/16 und C‑684/16): der Arbeit­nehmer darf seinen geset­zlichen Min­desturlaub­sanspruch nicht allein deshalb ver­lieren, weil er ihn nicht rechtzeit­ig beantragt hat. Er könne zwar frei­willig auf diesen verzicht­en. Ein solch­er Verzicht set­ze jedoch voraus, dass der Arbeit­ge­ber ihn zuvor wirk­sam in die Lage ver­set­zt hat, seinen tat­säch­lich Urlaub zu nehmen. Son­st beste­he die Gefahr, dass der Arbeit­nehmer als schwächere Ver­tragspartei davon abgeschreckt wer­den kön­nte, seine Rechte auszuüben. Der Arbeit­nehmer trage nicht alleine das Risiko, dass der Urlaub nicht rechtzeit­ig genom­men wird. Der Arbeit­ge­ber müsse den Arbeit­nehmer konkret und trans­par­ent rechtzeit­ig darüber aufk­lären, dass sein Urlaub, wenn er ihn nicht nehmen sollte, am Ende des Bezugszeitraums ver­fall­en wird. Die Beweis­last für diese Aufk­lärung trage der Arbeit­ge­ber. Dies ergebe sich aus Art. 7 Abs. 1 der RL 2003/88 und Art. 31 Abs. 2 GrCh.

Die konkreten Modal­itäten, die der Arbeit­ge­ber bei der Auf­forderungserk­lärung an den Arbeit­nehmer zu beacht­en hat, sind nun vom BAG näher zu definieren. Ob eine pauschale Rund­mail an die ganze Belegschaft, noch nicht genomme­nen Urlaub zu nehmen, aus­re­ichen wird, ist dur­chaus fraglich, denn schließlich ist eine solche Nachricht eher nicht „konkret“.

Nota bene: Diese Obliegen­heit des Arbeits­ge­bers gilt zwin­gend nur für den geset­zlichen Min­desturlaub. Für darüber hin­aus­ge­hen­den Mehrurlaub kann dur­chaus etwas anderes vere­in­bart wer­den. Fehlt eine solche Vere­in­barung, gilt jedoch der Gle­ich­lauf des Mehrurlaubs mit dem Min­desturlaub, d.h., der gesamte Urlaub­sanspruch des Arbeit­nehmers wird dann ein­heitlich nach den Regeln des Min­desturlaubs behan­delt.

Faz­it: Arbeit­ge­ber soll­ten nun rechtzeit­ig vor Ablauf des Kalen­der­jahres dafür sor­gen, dass die Arbeit­nehmer noch offe­nen Urlaub nehmen. Solange die Anforderun­gen an die Auf­forderungserk­lärung noch nicht richter­lich gek­lärt sind, sollte diese möglichst konkret gestal­tet wer­den, also zumin­d­est einen Hin­weis auf die konkret noch offe­nen Urlaub­stage sowie den Zeit­punkt des Ver­falls bein­hal­ten und zumin­d­est in Textform erfol­gen.


Beitrags­fo­to: © Heiko Küver­ling — Fotolia.com

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Über den autor

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Rund um die Weihnachtsfeier, Teil 2: Was Arbeitgeber sonst noch wissen sollten

Im zweiten Teil unserer kleinen Reihe klären wir, wann der Unfallversicherungsschutz auch für die Weihnachtsfeier gilt, warum es wichtig ist, deren Ende klar zu kommunizieren und welche  sozialversicherungsrechtlichen Aspekte Arbeitgeber im Blick behalten sollten. Damit die Weihnachtsfeier sicher und für alle im besten Sinne unvergesslich wird.   Wenn die Weihnachtsfeier vor der Tür steht, gibt es jede Menge zu planen....

Weihnachtsfeier: Rechte, Pflichten und Konsequenzen für Arbeitgeber

Weihnachtsfeiern bieten eine tolle Gelegenheit, das Jahr in geselliger Runde ausklingen zu lassen und das Team zu stärken. Doch Arbeitgeber müssen auch wichtige arbeitsrechtliche Vorgaben im Blick behalten: Wer muss eingeladen werden? Zählt die Teilnahme als Arbeitszeit? Wie umgehen mit Geschenken - und wie mit Fehlverhalten von Mitarbeitenden?   Alle Restaurants sind längst ausgebucht, die Einladungen sind verschickt, die Teams...