Folgen ja, Kommentieren nein: Betriebsrat darf Facebook-Auftritt des Arbeitgebers (in Teilen) kontrollieren

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Längst haben Unter­neh­men die Sozia­len Medi­en als Mar­ke­ting-Instru­ment für sich ent­deckt. Face­book, Insta­gram und Co. bie­ten nicht nur die Mög­lich­keit zur Außen­dar­stel­lung, son­dern auch zur Inter­ak­ti­on mit Kun­den, Geschäfts­part­nern usw. Dabei sind gera­de die Bei­trags- und Kom­men­tar­funk­tio­nen wich­ti­ge Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel. Durch ihre Öffent­lich­keit demons­triert das Unter­neh­men Offen­heit und Trans­pa­renz. Nun hat das BAG in einem Beschluss ent­schie­den, dass die Ver­öf­fent­li­chung der sog. Besu­cher-Pos­tings auf der Face­book-Sei­te des Arbeit­ge­bers mit­be­stim­mungs­pflich­tig ist, d.h., der Arbeit­ge­ber benö­tigt die Zustim­mung des Betriebs­rat für die Nut­zung die­ser Funk­ti­on (BAG, Beschluss vom 13. Dezem­ber 2016, Az.: 1 ABR 7/15, Grün­de noch unver­öf­fent­licht).

Hin­ter­grund war ein jah­re­lan­ger Rechts­streit zwi­schen einem Blut­spen­de­dienst und sei­nem Betriebs­rat. Kon­kret zustän­dig war im Fall der Kon­zern­be­triebs­rat. Das Unter­neh­men unter­hielt eine Face­book-Sei­te, auf der die Besu­cher Kom­men­ta­re und eige­ne Bei­trä­ge ver­öf­fent­li­chen konn­ten. Es kam zu nega­ti­ven Äuße­run­gen von Blut­spen­dern hin­sicht­lich Kom­pe­tenz und Ver­hal­ten von Arbeit­neh­mern. Die­se waren zwar im kon­kre­ten Fall nicht nament­lich benannt wor­den, es wäre jedoch prin­zi­pi­ell mög­lich gewe­sen, da die Mit­ar­bei­ter im Blut­spen­de­dienst Namens­schil­der tru­gen. Der Betriebs­rat war der Auf­fas­sung, der „Betrieb“ der Face­book-Sei­te stel­le eine mit­be­stim­mungs­pflich­ti­ge Ange­le­gen­heit gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dar, da es sich um eine tech­ni­sche Ein­rich­tung han­de­le, die dazu bestimmt sei, das Ver­hal­ten oder die Leis­tung der Arbeit­neh­mer zu über­wa­chen, und ver­lang­te die Abschal­tung bzw. Unter­las­sung.

Das LAG Düs­sel­dorf (Beschluss vom 12. Janu­ar 2015, Az.: 9 TaBV 51/14) hat­te die­sen Antrag noch abge­wie­sen, und zwar mit über­zeu­gen­der Begrün­dung: Sowohl aus dem Wort­laut als auch Sinn und Zweck des Mit­be­stim­mungs­rechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ergibt sich, dass die Über­wa­chung gera­de durch die tech­ni­sche Ein­rich­tung erfol­gen muss. Schließ­lich sind es gera­de die Mög­lich­kei­ten der auto­ma­ti­sier­ten Über­wa­chung, die einen weit­aus umfas­sen­de­ren Ein­griff in das Per­sön­lich­keits­recht der Arbeit­neh­mer ermög­li­chen, als wenn sie von einem Men­schen kon­trol­liert wür­den. Durch die Face­book-Sei­te als sol­che wird jedoch kei­ne Über­wa­chungs­tä­tig­keit aus­ge­übt. Viel­mehr sind es die Äuße­run­gen von Men­schen, von denen eine Über­wa­chung und Kon­trol­le aus­ge­hen kann. Die Mög­lich­keit, sich zu beschwe­ren – sei es auch mit­tels einer tech­ni­schen Ein­rich­tung – unter­fällt an sich nicht dem Schutz­be­reich des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Das LAG Düs­sel­dorf zieht einen anschau­li­chen Ver­gleich zur Beschwer­de­mög­lich­keit per Email.

Den­noch hat das BAG nun anders ent­schie­den und dem Antrag des Kon­zern­be­triebs­rats teil­wei­se statt­ge­ge­ben: Die­sem steht hin­sicht­lich der Nut­zung der öffent­li­chen Pos­ting-Funk­ti­on durch den Arbeit­ge­ber ein Mit­be­stim­mungs­recht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu. Durch die Ver­öf­fent­li­chung der Bei­trä­ge auf Face­book sei der Tat­be­stand der Anwen­dung einer tech­ni­schen Über­wa­chungs­ein­rich­tung erfüllt. Die Ent­schei­dung des Arbeit­ge­bers, über­haupt eine Face­book-Sei­te zu unter­hal­ten, fällt hin­ge­gen nach Auf­fas­sung des BAG nicht unter die Mit­be­stim­mungs­pflicht, auch nicht unter § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Ohne Zustim­mung des Betriebs­rats darf der Arbeit­ge­ber ledig­lich die öffent­li­che Bei­trags­funk­ti­on nicht frei­schal­ten.

Fazit: Der Tenor des BAG-Urteils bezieht sich aus­drück­lich nur auf die Posting‑, nicht auf die Kom­men­tar­funk­ti­on. Aller­dings hat­te der Kon­zern­be­triebs­rat sich in sei­nem Hilfs­an­trag auch aus­drück­lich auf ers­te­re beschränkt. Die­se ermög­licht die Ver­öf­fent­li­chung eige­ner Bei­trä­ge von Besu­chern, letz­te­re ledig­lich eine Reak­ti­on auf bzw. Kom­men­tie­rung von vor­ge­ge­be­nen Inhal­ten. Es ist des­halb mög­lich, dass sich aus der Begrün­dung des BAG auch eine Mit­be­stim­mungs­pflicht betref­fend die Kom­men­tar­funk­ti­on ergibt. Inso­weit bleibt die Ver­öf­fent­li­chung der Grün­de noch abzu­war­ten.

Soweit sich mit­be­stim­mungs­pflich­ti­ge Funk­tio­nen tech­nisch nicht deak­ti­vie­ren las­sen, kann es letzt­lich doch zu einer Mit­be­stim­mung des Betriebs­rats schon über das „ob“ der Prä­sen­ta­ti­on des Arbeit­ge­bers in dem Sozia­len Medi­um kom­men. Hin­zu kommt, dass die Bedeu­tung der Ent­schei­dung nicht auf Face­book beschränkt ist, son­dern auf ande­re Netz­wer­ke über­trag­bar ist. Unter­neh­men wer­den des­halb künf­tig genau prü­fen müs­sen, ob der Betriebs­rat ein­ge­bun­den wer­den muss, wenn sie sich in einem sozia­len Medi­um mit öffent­li­cher Kom­men­tie­rungs­funk­ti­on prä­sen­tie­ren wol­len.

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