Neuer Trend GAMIFICATION — ist spielerische Personalauswahl erlaubt?

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

„Keine Angst, Du sollst nur spielen!“ – spielerische Personalauswahl (GAMIFICATION)

gamification spielerische personalauswahlEin neuer Trend hat die Per­son­alar­beit erfasst: „Gam­i­fi­ca­tion“. Bewer­ber sollen ihre Fähigkeit­en auf spielerische Art und Weise in Com­put­er­spie­len unter Beweis stellen. Getestet wer­den bei der spielerischen Per­son­alauswahl neben Fach­wis­sen und Prob­lem­lö­sungskom­pe­ten­zen auch psy­chis­che und soziale Fak­toren wie Fähigkeit, Krisen zu bewälti­gen, Resilienz, Belast­barkeit und Risikofreude. Im Focus sind nicht nur IT-Spezial­is­ten oder Unternehmens­ber­ater, son­dern auch Bankangestellte oder Post­boten. Je nach Ziel­gruppe soll der Teil­nehmer in die Rolle eines Spi­ons schlüpfen, der Tech­nolo­gie-Codes knack­en muss (so ein Pro­gramm der Fa. Starfight­er für Elitepro­gram­mier­er), oder er nimmt an einem virtuellen Rundgang im Unternehmen teil und soll dort in ver­schiede­nen Abteilun­gen Auf­gaben erledi­gen. Ein virtueller Post­bote durch­läuft eine typ­is­che Aus­bil­dungswoche („Fac­teur Acad­e­my“). Das Spiel „Cos­mic Cadet“, das bei der Auswahl von Unternehmens­ber­atern und Anwäl­ten helfen soll, testet sog­ar 13 Charak­terzüge (www.lto.de, 17.01.2017), um den Bewer­ber bess­er einzuschätzen und Fehlbe­set­zun­gen ein­er Stelle möglichst zu ver­hin­dern.

Abge­se­hen davon, dass dieses neue Tool inno­v­a­tiv und läs­sig daherkommt und deshalb ger­ade junge Bewer­ber ansprechen dürfte (und wohl auch soll), wer­ben Her­steller damit, dass die Spiel­er in ein­er lock­eren ungezwun­gen Atmo­sphäre und in real­is­tis­chen Szenar­ien ihre wahren Fähigkeit­en unter Beweis stellen kön­nten. Diskri­m­inierung auf­grund sach­fremder per­sön­lich­er Eigen­schaften werde durch Gam­i­fi­ca­tion ver­hin­dert, wovon auch die Unternehmen prof­i­tieren, denn schließlich find­en sie so den objek­tiv am besten geeigneten Bewer­ber.

Was sollen Bewerber und erfahrene Personaler von Gamification halten?

Zunächst ein­mal dürfte allen Bewer­bern klar sein, dass es sich let­ztlich um eine virtuelle Vari­ante eines Assess­ments han­delt – und es darauf ankommt, ob der Entschei­der am Ende den Dau­men hoch hält oder eben nicht. Mit den Schlag­wörtern „Cos­mic Cadet tipps“ bei Google erhält man 35.800 Ergeb­nisse! Bewer­ber ver­suchen sich opti­mal auf den Test vorzu­bere­it­en. Von Entspan­nung ist bei der spielerischen Per­son­alauswahl keine Spur!

Zudem: Das Sam­meln von Dat­en zu per­sön­lichen Eigen­schaften erscheint aus arbeit­srechtlich­er Sicht dur­chaus prob­lema­tisch: bekan­nter­maßen ist das Auswahlge­spräch rechtlich stark reg­uliert: die Recht­sprechung macht genaue Vor­gaben darüber, was der Bewer­ber von sich aus offen­baren muss, welche Fra­gen der Arbeit­ge­ber stellen darf und welche nicht. Mit einem Com­put­er­spiel kann gegen diese Reg­u­lar­ien ver­stoßen wer­den. Und dabei ist es dem Spiel­er möglicher­weise noch nicht ein­mal bewusst, dass er unrecht­mäßig aus­ge­forscht wird. In einem „echt­en“ Per­son­alge­spräch ste­ht dem Bewer­ber bei ein­er unzuläs­si­gen Frage ein „Recht auf Lüge“ zu. „Im Eifer des Gefechts“ eines Spiels ste­ht er unter dem Anreiz, unter Zeit­druck das näch­ste Lev­el zu schaf­fen – und gibt so möglicher­weise mehr von sich preis, als er wollte und auch müsste.

Auch der Hin­weis auf die ange­bliche diskri­m­inierungs­freie Auswahl ver­fängt bei näherem Hin­se­hen ger­ade bei Gam­i­fi­ca­tion nicht, zumin­d­est nicht per se: zum einen fühlen sich evtl. ältere Bewer­ber von vorne­here­in abgeschreckt, ein solch­es Com­put­er­spiel zu durch­laufen oder sie haben weniger Erfahrung mit Com­put­er­spie­len und schnei­den deshalb von vorne­here­in schlechter ab – dies kön­nte eine Alters­diskri­m­inierung darstellen. Und zum anderen kön­nten natür­lich auch indi­rekt z.B. geschlechtsspez­i­fis­che Ver­hal­tensweisen abge­fragt wer­den. Der Arbeit­ge­ber entschei­det, wie er die gewonnenen Dat­en bew­ertet und inter­pretiert. Trans­parenz geht anders!

Last but not least: ob die spielerische Per­son­alauswahl über­haupt geeignet ist, prax­is­taugliche Ein­schätzun­gen von Kan­di­dat­en zu liefern, erscheint eben­falls zweifel­haft. In anderem Zusam­men­hang betont die Branche regelmäßig, dass das Spielver­hal­ten ein­er Per­son nichts mit ihren realen Ein­stel­lun­gen und Ver­hal­tensweisen zu tun habe: näm­lich dann, wenn es um die Frage eines Ver­bots von beson­ders aggres­siv­en, gewalt­be­ton­ten Spie­len geht. Nun soll genau das Gegen­teil möglich sein: mit dem Spiel sollen Charak­tereigen­schaften erkan­nt und mess­bar gemacht wer­den.

Auf die ersten Gerichtsver­fahren zu Gam­i­fi­ca­tion darf man deshalb ges­pan­nt sein – und sich­er wird irgend­wann ein Spiel­er, für den das Spiel mit einem „… und raus bist Du!“ endete, ein solch­es anstren­gen!

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Über den autor

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Rund um die Weihnachtsfeier, Teil 2: Was Arbeitgeber sonst noch wissen sollten

Im zweiten Teil unserer kleinen Reihe klären wir, wann der Unfallversicherungsschutz auch für die Weihnachtsfeier gilt, warum es wichtig ist, deren Ende klar zu kommunizieren und welche  sozialversicherungsrechtlichen Aspekte Arbeitgeber im Blick behalten sollten. Damit die Weihnachtsfeier sicher und für alle im besten Sinne unvergesslich wird.   Wenn die Weihnachtsfeier vor der Tür steht, gibt es jede Menge zu planen....

Weihnachtsfeier: Rechte, Pflichten und Konsequenzen für Arbeitgeber

Weihnachtsfeiern bieten eine tolle Gelegenheit, das Jahr in geselliger Runde ausklingen zu lassen und das Team zu stärken. Doch Arbeitgeber müssen auch wichtige arbeitsrechtliche Vorgaben im Blick behalten: Wer muss eingeladen werden? Zählt die Teilnahme als Arbeitszeit? Wie umgehen mit Geschenken - und wie mit Fehlverhalten von Mitarbeitenden?   Alle Restaurants sind längst ausgebucht, die Einladungen sind verschickt, die Teams...