Kündigung wegen menschenverachtenden Kommentars auf privatem Facebook-Account

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„Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps!“ Die­se alte Volks­weis­heit gilt im moder­nen Arbeits­le­ben längst nicht mehr unein­ge­schränkt. Dies muss­te auch ein Zug­füh­rer der DB Regio GmbH, gebür­ti­ger pol­ni­scher Staats­an­ge­hö­ri­ger, erfah­ren, der auf sei­nem pri­va­ten Face­book-Nut­zer­kon­to ein Foto gepos­tet hat­te, das das Ein­gangs­tor des Kon­zen­tra­ti­ons­la­gers Ausch­witz mit der Tor-Über­schrift „Arbeit macht frei“ zeig­te. Dar­un­ter war auf Pol­nisch der Text: „Polen ist bereit für die Flücht­lings­auf­nah­me!“ zu lesen. Ursprüng­lich war die­ses Foto in einer pol­ni­schen Sati­re-Zeit­schrift ver­öf­fent­licht wor­den. Auf die­ses Pos­ting waren nicht weni­ger men­schen­ver­ach­ten­de Pos­tings ande­rer Nut­zer erfolgt.

Der Arbeit­ge­ber, der hier­von über den Betriebs­rat erfuhr, war der Ansicht, dass sein Arbeit­neh­mer damit die Gren­zen der Mei­nungs­frei­heit über­schrit­ten hat­te und sich die­se men­schen­ver­ach­ten­de Dar­stel­lung auch auf ihn ruf- und geschäfts­schä­di­gend aus­wir­ken kön­ne, da der Zug­füh­rer auch ein Foto ein­ge­stellt hat­te, das ihn in Dienst­uni­form vor einem Trieb­wa­gen zeig­te und somit der Arbeit­ge­ber iden­ti­fi­zier­bar war. Der Arbeit­ge­ber kün­dig­te des­halb das Arbeits­ver­hält­nis frist­los, hilfs­wei­se ordent­lich. Er erklär­te, der­ar­ti­ge ras­sis­ti­sche und men­schen­ver­ach­ten­de Äuße­run­gen sei­en schwe­re Pflicht­ver­let­zun­gen, die geeig­net sei­en, den Betriebs­frie­den nach­hal­tig zu stö­ren.

Das Arbeits­ge­richt Mann­heim (Urteil vom 19. Febru­ar 2016, Az.: 6 Ca 190/15 – nicht rechts­kräf­tig), das über die Kün­di­gungs­schutz­kla­ge zu ent­schei­den hat­te, gab der Kla­ge statt: Es schloss sich zwar inso­weit der Ansicht des Arbeit­ge­bers an, dass bereits die vom geschicht­li­chen Kon­text los­ge­lös­te Ver­wen­dung des Sat­zes „Arbeit macht frei“ tabu­über­schrei­tend und im Zusam­men­hang mit Flücht­lin­gen men­schen­ver­ach­tend sei und im maß­geb­li­chen Zusam­men­hang nicht ersicht­lich sei, dass es sich angeb­lich um Sati­re han­deln sol­le, so dass es des­halb auch nicht zuguns­ten des Klä­gers berück­sich­tigt wer­den kön­ne. Den­noch gewann der Zug­füh­rer den Kün­di­gungs­schutz­pro­zess, weil er (wohl auf Anra­ten sei­nes Anwalts) das Foto noch vor der Kün­di­gung rasch von sei­nem Account gelöscht und sich für sein Ver­hal­ten ent­schul­digt und ver­spro­chen hat­te, dass dies nicht mehr vor­kom­me. Das Arbeits­ge­richt hielt ihm außer­dem zu Gute, das er sich kei­ne Gedan­ken über die Aus­wir­kun­gen sei­nes Tuns gemacht hät­te und dass das 14 Jah­re bestehen­de Arbeits­ver­hält­nis bis dahin bean­stan­dungs­frei ver­lau­fen wäre. Die Inter­es­sen­ab­wä­gung fal­le des­halb zuguns­ten des Zug­füh­rers aus; der Arbeit­ge­ber hät­te sich auf eine Abmah­nung beschrän­ken müs­sen.

Gegen die Ent­schei­dung leg­te der Arbeit­ge­ber Beru­fung ein. Die Erfolgs­aus­sich­ten dürf­ten nicht schlecht ste­hen, wenn man die­sen Sach­ver­halt mit dem Sach­ver­halt ver­gleicht, der der Ent­schei­dung des BAG (Urteil vom 01. Juli 1999, Az.: 2 AZR 676/98) zu einer frist­lo­sen Kün­di­gung wegen ras­sis­ti­scher Äuße­run­gen zugrun­de lag: Ein Aus­zu­bil­den­der hat­te damals an der Werk­bank eines tür­ki­schen Aus­zu­bil­den­den ein Blech­schild mit der Auf­schrift „Arbeit mach frei – Tür­kei schö­nes Land“ ange­bracht. Hier­mit woll­te der Aus­zu­bil­den­de sei­nem als über­eif­rig emp­fun­de­nen Kol­le­gen zu ver­ste­hen geben, er sol­le lie­ber in der Tür­kei sei­nem Arbeits­ei­fer nach­ge­hen. Außer­dem hat­te er im Betrieb Nazi-Lie­der gesun­gen. Das BAG hat­te die Sache damals zwar zur wei­te­ren Sach­auf­klä­rung zurück­ver­wie­sen. Es hat­te jedoch dar­auf hin­ge­wie­sen, dass in der­ar­ti­gen Fäl­len eine außer­or­dent­li­che Kün­di­gung ohne vor­he­ri­ge Abmah­nung durch­aus in Betracht kom­me, und zwar selbst dann, wenn man die jugend­li­che Unrei­fe ent­spre­chend wür­digt. Bei beson­ders schwer­wie­gen­den Ver­stö­ßen sei eine Abmah­nung grund­sätz­lich ent­behr­lich. Eine Abmah­nung sei nur dann sinn­voll, wenn sie geeig­net sei, das Ver­trau­en in den Arbeit­neh­mer wie­der her­zu­stel­len. Auf eine Wie­der­ho­lungs­ge­fahr kom­me es dann nicht an.

Dies hat das Arbeits­ge­richt Mann­heim nicht aus­rei­chend gewür­digt. Der Arbeit­ge­ber, mit dem natür­lich auch pol­ni­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge und auch Flücht­lin­ge rei­sen, dürf­te kaum zuzu­mu­ten sein, auf die Wie­der­her­stel­lung des Ver­trau­ens zu set­zen: Die Tor-Über­schrift erin­nert an die Depor­ta­tio­nen in der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus; die­ser Bezug und die dahin­ter ste­hen­de men­schen­ver­ach­ten­de Bedeu­tung ist jedem bekannt. Wenn dem Arbeit­neh­mer die Sen­si­bi­li­tät für die Beur­tei­lung eines der­art men­schen­ver­ach­ten­den Pos­tings fehlt, er nicht auf die ras­sis­ti­schen Kom­men­ta­re zu sei­nem Pos­ting reagiert, son­dern sich erst auf eine Anfra­ge sei­nes Arbeit­ge­bers in Anbe­tracht etwa­iger arbeits­recht­li­cher Kon­se­quen­zen nur bei die­sem ent­schul­digt, reicht eine blo­ße all­ge­mei­ne Ent­schul­di­gung („dum­me Tat“, „blö­de Akti­on“, „geschmack­los“) ohne aus­drück­li­che Distan­zie­rung vom natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Hin­ter­grund nicht aus, den Betriebs­frie­den wie­der­her­zu­stel­len und dem Arbeit­ge­ber das Ver­trau­en zu geben, dass der Arbeit­neh­mer ver­läss­lich zu der frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung steht. Sich über­haupt kei­ne Gedan­ken gemacht zu haben, kann ent­ge­gen der Bewer­tung des Arbeits­ge­richts Mann­heim kei­ne Ent­schul­di­gung sein.

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