Männlich, weiblich, anders? BVerfG erkennt drittes Geschlecht an!

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Jetzt ist es offi­zi­ell: es gibt mehr als nur zwei Geschlech­ter, näm­lich ein drit­tes Geschlecht! Das „binä­re Sys­tem“ hat aus­ge­dient: Per­so­nen, deren Geschlechts­ent­wick­lung sich weder ein­deu­tig dem männ­li­chen noch dem weib­li­chen Geschlecht zuord­nen lässt, son­dern viel­mehr „Vari­an­ten“ auf­weist, und die sich auch selbst dau­er­haft weder dem einen noch dem ande­ren zuord­nen, sind weder „männ­lich“ noch „weib­lich“ noch unbe­dingt geschlechts­los. Dies hat das BVerfG (Beschluss vom 10. Okto­ber 2017, 1 BvR 2019/16) nun in Bezug zum Per­so­nen­stands­recht ent­schie­den, wo es bis­lang nur mög­lich ist, im Gebur­ten­re­gis­ter als Geschlecht des Kin­des „männ­lich“ oder „weib­lich“ anzu­ge­ben oder, wenn eine Zuord­nung nicht mög­lich ist, die Geschlechts­zu­ge­hö­rig­keit offen zu las­sen (§§ 21 Abs. 1, 22 Abs. 3 PStG). Betrof­fe­ne Per­so­nen begrei­fen sich jedoch kei­nes­wegs als ein „Nul­lum“ oder „geschlechts­los“, son­dern als ein „ali­ud“. Und da die geschlecht­li­che Iden­ti­tät ein beson­ders rele­van­ter Aspekt sowohl für die Wahr­neh­mung von außen als auch für die Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung und Ent­fal­tung des Betrof­fe­nen ist, ver­stößt die der­zei­ti­ge Rege­lung nach Auf­fas­sung des BVerfG sowohl gegen das all­ge­mei­ne Per­sön­lich­keits­recht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1) als auch das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung wegen des Geschlechts (Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG). Der Gesetz­ge­ber hat nun bis zum 31. Dezem­ber 2018 Zeit, eine Neu­re­ge­lung schaf­fen; bis dahin dür­fen Gerich­te und Behör­den die ein­schlä­gi­gen Nor­men des Per­so­nen­stands­rechts im Umfang der Unver­ein­bar­keit nicht mehr anwen­den. Die kon­kre­te künf­ti­ge Aus­ge­stal­tung bleibt also dem Gesetz­ge­ber über­las­sen. Denk­bar wäre, die Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen den Geschlech­tern ganz außen vor zu las­sen, wo dies mög­lich ist, oder eine drit­te Geschlechts­va­ri­an­te (divers/inter/anders) ein­zu­füh­ren.

Die Ent­schei­dung des BVerfGs wirft zahl­rei­che Fol­ge­fra­gen auf: wie ist eine sol­che Per­son kor­rekt anzu­spre­chen? Wie ist der geschlech­ter-getrenn­te Sport­un­ter­richt z.B. in den Schu­len zu orga­ni­sie­ren? Muss eine drit­te Vari­an­te für Umklei­de­ka­bi­nen in Schwimm­bä­dern, oder Toi­let­ten in öffent­li­chen Räu­men, etc. zur Ver­fü­gung gestellt wer­den? Oder soll auf die Dif­fe­ren­zie­rung nach Geschlech­tern ganz ver­zich­tet wer­den? Dies dürf­te nicht bei jedem und in allen Kul­tur­krei­sen auf Akzep­tanz sto­ßen. In den USA sind WC-Türen teil­wei­se z. B. mit „inclu­si­ve“ oder „whi­che­ver“ beschrif­tet.

Für Arbeit­ge­ber stellt sich jen­seits der blo­ßen Eti­ket­te und „Poli­ti­cal Cor­rect­ness“ ein ganz hand­fes­tes, juris­ti­sches Pro­blem: nach dem All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­setz darf ein Arbeit­ge­ber einen Arbeit­neh­mer nicht wegen sei­nes Geschlechts oder sei­ner sexu­el­len Iden­ti­tät benach­tei­li­gen — weder bei der Ein­stel­lung noch der Durch­füh­rung oder der Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses (§ 7 AGG). Ins­be­son­de­re eine Stel­len­aus­schrei­bung muss geschlechts­neu­tral for­mu­liert sein, will sich der Arbeit­ge­ber nicht Scha­dens­er­satz- und Ent­schä­di­gungs­an­sprü­chen aus­set­zen. Ein bestimm­tes Geschlecht darf nur dann zur Vor­aus­set­zung für die Ein­stel­lung gemacht wer­den, wenn die­ses für die Art der aus­ge­üb­ten Tätig­keit eine wesent­li­che, ent­schei­den­de Anfor­de­rung ist, der Zweck recht­mä­ßig und die Anfor­de­rung ange­mes­sen ist. Ansons­ten darf bei der Ein­stel­lung kein bestimm­tes Geschlecht bevor­zugt wer­den. Der bis­lang ver­brei­te­te Zusatz „(m/w)“ in Stel­len­an­zei­gen dürf­te künf­tig des­halb angreif­bar sein, da das „drit­te Geschlecht“ außen vor bleibt. Denk­bar wäre es, von vor­ne­her­ein eine geschlechts­neu­tra­le For­mu­lie­rung zu wäh­len wie „Büro­kraft“ oder „Per­son mit Qua­li­fi­ka­ti­on x“. Wo dies sprach­lich unbe­frie­di­gend erscheint, könn­te wohl der Zusatz „m/w/divers“ wei­ter­hel­fen. Die häu­fig anzu­tref­fen­de For­mu­lie­rung „../In“ oder der Zusatz „(m/w)“ dürf­te künf­tig hin­ge­gen nicht mehr aus­rei­chend sein, da das „drit­te Geschlecht“ aus­ge­schlos­sen wür­de und sich somit der Ver­dacht einer Dis­kri­mi­nie­rung auf­drängt. Ein Arbeit­ge­ber, der eine Stel­le aus­schreibt, ist des­halb gut bera­ten, künf­tig auch das „drit­te Geschlecht“ zu berück­sich­ti­gen!

[grey_box]Lesen Sie pas­send zum The­ma Geschlech­ter: Drit­tes Geschlecht dis­kri­mi­niert durch Herr, Frau und Fräu­lein[/grey_box]

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Über den autor

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Vertrauen geweckt: „Natürlich übernehmen wir Sie“ verhindert Probezeitkündigung

Das LAG Düsseldorf hat kürzlich eine Kündigung in der Probezeit für unwirksam erklärt, weil sein Vorgesetzter dem Arbeitnehmer zuvor gesagt hatte, er würde übernommen werden. Falsche Versprechen der Führungskräfte können für Arbeitgeber gefährlich werden.   Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf stellte fest, dass eine Kündigung innerhalb der Probezeit unzulässig sein kann, wenn der Arbeitgeber zuvor Aussagen getroffen hat, die ein berechtigtes...

Tag des Bürohundes: So läuft’s rechtlich mit Bello im Büro

Sie senken das Stresslevel, verbreiten gute Laune und bringen Bewegung in den Büroalltag von Frauchen und Kollegen. Doch Allergien, Ängste, Sicherheits- oder Hygienevorschriften können auch gegen Hunde im Office sprechen – es ist am Arbeitgeber, die Interessen auszugleichen. Es lohnt sich, finden Dr. Christian Ostermaier und Henry.    Am 20. Juni 2025 findet deutschlandweit der Tag des Bürohundes statt. Immer...