Mitarbeiterdatenschutz sticht Patienteninformationsrecht

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Wis­sen ist Macht – umge­kehrt kann die Preis­ga­be von Infor­ma­ti­on einen Rechts­ver­lust bedeu­ten. Bei der Preis­ga­be von per­so­nen­be­zo­ge­nen Arbeit­neh­mer­da­ten an Drit­te ist – wie das BAG nun­mehr in sei­nem Urteil vom 20. Janu­ar 2015, Az.: VI ZR, 137/14) fest­ge­stellt hat — beson­de­re Vor­sicht gebo­ten, will sich der Arbeit­ge­ber nicht unter­las­sungs- oder gar scha­dens­er­satz­pflich­tig machen.

Zur Ent­schei­dung stand fol­gen­der Fall: Ein Pati­ent hat­te von einer Kli­nik Nen­nung der Pri­vat­an­schrift des behan­deln­den und bei der Kli­nik ange­stell­ten Arz­tes ver­langt, um Scha­dens­er­satz­an­sprü­che gegen die­sen gel­tend zu machen. Der in Anspruch genom­me­ne Kran­ken­haus­trä­ger wei­ger­te sich. Frag­lich war, ob dem Infor­ma­ti­ons­recht des Pati­en­ten oder dem Daten­schutz­in­ter­es­se des Arbeit­neh­mers der Vor­rang ein­zu­räu­men war. Dabei steht nicht in Zwei­fel, dass dem Pati­en­ten prin­zi­pi­ell ein Recht auf Ein­sicht in sei­ne Kran­ken­un­ter­la­gen zusteht, was seit 2013 sogar gesetz­lich aus­drück­lich nor­miert ist, § 630 g BGB. Der Kli­nik­trä­ger habe auch Namen und Anschrift des behan­deln­den Arz­tes mit­zu­tei­len, denn das Arzt-Pati­en­ten­ver­hält­nis ver­bie­te eine Anony­mi­tät der Per­son des Arz­tes, befand die Beru­fungs­in­stanz des LG Gör­litz (Urteil vom 14. Febru­ar 2014, Az.: 2 S 174/13). Mit die­ser Auf­fas­sung befand es sich in guter Gesell­schaft mit dem LG Düs­sel­dorf (Urteil vom 28. Juli 1983, 8 U 22/83) sowie dem AmtsG Offen­bach (Urteil vom 5. Juli 1989, 39 C 1963/1989), wel­che in den 80er-Jah­ren ohne gro­ße Beden­ken dem Pati­en­ten einen ent­spre­chen­den Aus­kunfts­an­spruch gegen den Kli­nik­be­trei­ber ein­räum­ten: die Aus­kunft sei dem Arbeit­ge­ber zumut­bar, denn die ihm oblie­gen­de Für­sor­ge­pflicht gegen­über dem ange­stell­ten Arzt bedeu­te nicht, dass der Arbeit­neh­mer, wenn der Vor­wurf eines Behand­lungs­feh­lers erho­ben wird, „nach außen gedeckt“ wer­den müs­se.

Die­ser ein­sei­ti­gen Sicht­wei­se schob der BGH nun einen Rie­gel vor und ver­wies auf § 32 BDSG: Hier­nach ist der Arbeit­ge­ber zur Erhe­bung, Ver­ar­bei­tung und Nut­zung von per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten eines Beschäf­tig­ten nur inso­weit befugt, als dies zu Zwe­cken des Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­ses geschieht und für die Ent­schei­dung über die Begrün­dung oder nach Begrün­dung des Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­ses für des­sen Durch­füh­rung oder Been­di­gung erfor­der­lich ist. Eine Über­mitt­lung der Daten an Drit­te stellt sich prin­zi­pi­ell als zweck­frem­de Ver­wen­dung dar. Eine Wei­ter­ga­be pri­va­ter Kom­mu­ni­ka­ti­ons­da­ten bedarf ent­we­der der Ein­wil­li­gung des Betrof­fe­nen oder der beson­de­ren Gestat­tung durch eine Rechts­vor­schrift. Eine sol­che ver­moch­te der BGH nicht zu erken­nen. Der BGH lehn­te im kon­kre­ten Fall also sowohl eine wei­te Aus­le­gung des in § 32 Abs. 1 BDSG ver­wen­de­ten Begriffs “für Zwe­cke des Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­ses“ ab, obwohl der Anspruch des Pati­en­ten ja durch­aus mit der Arbeits­leis­tung des Arz­tes in Zusam­men­hang stand, als auch das Vor­lie­gen einer ande­ren Erlaub­nis­norm. Zu den­ken wäre hier ins­be­son­de­re an die Erlaub­nis­norm des § 28 Abs. 2 BDSG, die unter gewis­sen Vor­aus­set­zun­gen eine Über­mitt­lung von Daten erlaubt, soweit dies zur Wah­rung berech­tig­ter Inter­es­sen erfor­der­lich ist und kein schutz­wür­di­ges Inter­es­se des Betrof­fe­nen ent­ge­gen steht. Auch wenn die Urteils­grün­de des BGH noch nicht ver­öf­fent­licht sind, so ist davon aus­zu­ge­hen, dass der Kla­ge­an­spruch im vor­lie­gen­den Fall am Kri­te­ri­um der „Erfor­der­lich­keit“, schei­ter­te: Der Pati­ent war näm­lich gar nicht auf die Pri­vat­an­schrift des Arz­tes ange­wie­sen, er konn­te die Kla­ge unter der Anschrift des Kran­ken­haus­be­trei­bers als des­sen Arbeits­platz zustel­len las­sen (§§ 177, 178 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO). Für eine spä­te­re Zwangs­voll­stre­ckung gegen den Arzt mag die Pri­vat­adres­se von beson­de­rer Bedeu­tung sein. Solan­ge jedoch noch kei­ne rechts­kräf­ti­ge Ent­schei­dung über den Scha­dens­er­satz­an­spruch vor­liegt, besteht kein Bedürf­nis des Pati­en­ten, die Pri­vat­an­schrift des Arz­tes zu erfah­ren. Mit die­ser Begrün­dung hat­te bereits die ers­te Instanz (AG Weiß­was­ser, Urteil vom 8. August 2013, Az.: 6 C 58/13) die Kla­ge des Pati­en­ten als „der­zeit unbe­grün­det“ abge­lehnt.

Fazit: Der Arbeit­ge­ber hat mit den Daten sei­ner Arbeit­neh­mer sen­si­bel umzu­ge­hen. Selbst ein grund­sätz­lich aner­ken­nens­wer­tes Inter­es­se an der Aus­kunft kann im Ein­zel­fall die Preis­ga­be der Daten unter Umstän­den nicht recht­fer­ti­gen.

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